Ried/Viernheim. Zeiten von Tierseuchen sind schwierig. Das weiß Maren Heincke, Referentin für den ländlichen Raum der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), nicht erst seit dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP).
„Besonders heftig ist die Situation natürlich für die Landwirte, die sich Sorgen um ihre Tiere und ihre Betriebe machen“, sagt sie. Existenz- und Versagensängste seien da mitunter an der Tagesordnung. Deshalb hat die EKHN ein Hilfspaket geschnürt. Bauern und ihren Familien will sie damit beistehen und sie unterstützen.
Wenn die Schweinepest einen Hof erwischt, bricht der strukturierte Alltag mit seinen ganzen Routinen erst einmal zusammen
Zu dem Paket gehören beispielsweise Beratungsgespräche, die wieder Mut machen sollen. „Wenn die Schweinepest einen Hof erwischt, bricht der strukturierte Alltag mit seinen ganzen Routinen erst einmal zusammen“, erklärt Heincke, die selbst promovierte Agrarwissenschaftlerin ist. Abriegelung, Keulung, großangelegte Desinfektion. „Das ist hart. Für Menschen eines Zuchtbetriebs gehören die Tiere zum Leben, zur Identität dazu.“
Die ASP verschont bisweilen auch Landwirte nicht, die offenbar alle Schutzvorkehrungen ergriffen haben. Dann macht sich zudem ein massives Ohnmachtsgefühl breit. „Das kann manchmal jedoch auch schon früher einsetzen“, erklärt die Referentin.
Unterstützung für Landwirte
- Ein spezielles Beratungsangebot für Landwirtinnen und Landwirte sowie deren Familien bietet die Evangelische Kirche Hessen-Nassau und die von Kurhessen-Waldeck. Mehr dazu finden Interessierte auf familieundbetrieb-hessen.de.
- Im akuten Notfall können sich Betroffene jedoch auch an die bundesweite Krisenhotline der Landwirtschaftlichen Sozialversicherungen wenden unter Telefon 0561/785-1 01 01. Diese ist sieben Tage die Woche 24 Stunden erreichbar. Weitere Infos gibt es zudem auf svlfg.de/krisenhotline. off
Etwa wenn Schweine aus einem Stall in einer Restriktions- oder Sperrzone nicht mehr verkauft werden dürfen. Wirtschaftlich wird es in solchen Situationen schon mal eng. „Oft völlig unverschuldet - gerade bei Bauern, die enorm in das Tierwohl investiert haben“, berichtet Heincke. „Und dann braucht manche Betroffene und mancher Betroffener schon mal psychologische Hilfe.“
Dass es die gibt, hat die Evangelische Kirche jetzt kommuniziert. So informierte Probst Stephan Arras den Ehrenvorsitzenden des Regionalbauernverbands Starkenburg, Willi Billau, darüber. Dem Lampertheimer, der sich auf die Produktion von Erdbeeren, Spargel, Knoblauch und Kartoffeln spezialisiert hat, ist bewusst, dass der Beruf des Landwirts generell mitunter belastend sein kann. „Missernten gibt es beispielsweise immer mal wieder. Damit muss man zurechtkommen.“
Immer mehr Landwirte leiden unter Burnout und Depression
Einfach sei das allerdings nicht immer. „Wichtig ist, dass die Familie einen trägt. Wenn die Frau sagt: ,Wir haben doch schon so vieles geschafft’, erscheint die Situation oft nicht mehr ganz so schlimm“, betont er. Trotzdem wirft der Bauernvertreter gleich darauf Fragen auf: Was aber passiert, wenn gesundheitliche Probleme dazu kommen? Wenn die Beziehung eben nicht läuft? Oder finanzielle Probleme dazukommen?
Burnout und Depression nehmen in der Branche zu, so Billau. Des Weiteren steige die Zahl von Suiziden unter Bäuerinnen und Bauern. Diese besorgniserregende Tendenz lasse sich in Frankreich genauso wie in Deutschland beobachten.
Studien über psychische Ausnahmesituationen bei Landwirtinnen und Landwirten gibt es schon seit einigen Jahren. Deshalb bieten die Evangelische Kirche Hessen-Nassau und die von Kurhessen-Waldeck schon länger ein spezielles Beratungsangebot für Menschen dieser Berufsgruppe und deren Familien.
Bevölkerung hat nicht immer Verständnis für Maßnahmen gegen Schweinepest
Weitere Hilfe gebe es zudem im Falle von Tierseuchen. Ein entsprechendes Programm legte Maren Heincke zusammen mit Kolleginnen und Kollegen 2006 erstmals auf, als die Vogelgrippe grassierte.
Auch Notfallseelsorger, die Menschen vor Ort betreuen, wurden in den vergangenen Wochen von der EKHN speziell mit Informationen zu Problemen versorgt, die im Zusammenhang mit der Afrikanischen Schweinepest auftreten können.
Maren Heincke ist allerdings auch klar, dass die ASP nicht nur die Bauernschaft an ihre Grenzen bringen kann. „Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ordnungsämtern, die Kadaver von verendeten Wildschweinen bergen sollen, haben einen harten Job, der nicht unbedingt leicht zu verarbeiten ist“, meint die Referentin.
Außerdem treffe der Unmut aus der Bevölkerung zunehmend Polizisten, Ordnungskräfte oder Amtsärzte, die die gesetzlich verordneten Schutzmaßnahmen durchsetzen müssen.
Für all jene Berufsgruppen gebe es vonseiten der Evangelischen Kirche ebenfalls Beratung und Unterstützung. „Helfen kann in der jetzigen Situation jedoch auch jede und jeder einzelne von uns“, findet Maren Heincke. „Beispielsweise indem man eben akzeptiert, dass in Zeiten der ASP Hunde im Wald angeleint sein müssen, Wege beim Spazieren im Forst nicht verlassen oder Pilze nicht gesammelt werden dürfen.“
Unwirsch oder gar aggressiv auf diejenigen zu reagieren, die auf die Einhaltung solcher Regelungen achten müssen, sei keine Lösung. „Mit ein bisschen mehr Akzeptanz und gegenseitige Rücksichtnahme“, sagt Heincke, „kommen wir alle besser durch die Zeit der Schweinepest.“
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