Lampertheim. Zum letzten Mal wird die Ware in Regale sortiert. Sandalen, Stiefel und Schlappen erhalten noch einmal neue Preisschilder. Weil das Lampertheimer Schuhhaus Hörmann schließt, beginnt am heutigen Freitag der Ausverkauf. Ende Januar soll Schluss sein. „Meine Frau und ich läuten den Ruhestand ein und geben unseren Handel auf“, sagt Geschäftsführer Herbert Bissdorf. Man gehe nicht gerne. „Aber die Zeit dafür ist gekommen“, fügt der 66 Jahre alte Mann hinzu.
Gemeinsam mit drei Mitarbeiterinnen betreibt das Ehepaar aus Hirschhorn den Laden in der Kaiserstraße seit 2008. Seither pendeln die Blissdorfs zwischen dem hessischen Odenwald und dem Ried. „Wir fahren normalerweise an unterschiedlichen Tagen die weite Strecke“, erzählt Bissdorf. Doch damit ist nun bald Schluss. Mehr Zeit für die Enkelkinder, in Wälder wandern und den Ruhestand genießen – so lautet der Plan des Paars.
Im Lampertheimer Einzelhandel öffnet sich nun jedoch eine Lücke. So steht den Kunden künftig nur noch ein einziges Schuhgeschäft in der Innenstadt offen. „Eigentlich haben wir uns gut ergänzt“, sagt der scheidende Geschäftsführer im Rückblick. Während die Konkurrenz in der Fußgängerzone beispielsweise Kinderschuhe anbot, hatten die Bissdorfs orthopädische Modelle im Sortiment. Die Lage des Geschäfts in der Nähe der Domkirche sei jedenfalls „ohne Frage exzellent“, sagt der Händler. Einen Nachfolger gebe es allerdings noch nicht. Insofern ist der Weggang der Eheleute Bissdorf auch ein Symbol für den Wandel, der vor Jahren eingesetzt hat und bis heute die Innenstadt verändert.
Eine Handvoll leerer Läden
Wie in anderen Kommunen leiden Händler auch in Lampertheim beispielsweise darunter, dass Kunden zunehmend online einkaufen. Aktuell gibt eine Handvoll leerer Immobilien in der Innenstadt. Das klingt nicht dramatisch. Jedoch breiten sich zwischen leeren Schaufenstern Billigläden und Imbisse aus. Das wiederum führt dazu, dass weniger Besucher in die Innenstadt kommen, was am Ende wieder dem Handel schadet. Das weiß auch Dirk Dewald vom Stadtmarketing.
Zwar sei das Weihnachtsgeschäft zwischen Domkirche und Amtsgericht überraschend gut gewesen, wie er von Händlern erfahren hat. Aber auch Dewald sagt, dass Handlungsbedarf besteht. Vor allem in Sachen Leerstand müsse man vorankommen. „Natürlich sehen Besucher und Anwohner beispielsweise in den leer stehenden Räumen des ehemaligen Schader-Markts ein dunkles Loch“, räumt er ein. Gleichwohl könne die Stadt keinen Einfluss auf den Besitzer der Immobilie nehmen. Der sperre sich bislang gegen mögliche Lösungen. Auch das frühere Schiller-Cafe steht für Niedergang. Das Gebäude in prominenter Lage gehört der Stadt, wird aber längst nicht mehr richtig genutzt. Würde man das Glashaus abreißen, könnte der Schillerplatz womöglich schöner gestaltet werden, sagt Dewald.
Etliche Städte schlagen sich mit solchen Problemen herum, sagt Matthias Baaß. Der Sozialdemokrat ist nicht nur Bürgermeister der Nachbarstadt Viernheim, sondern auch Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebunds. „Unter anderem der demografische Wandel wird dazu führen, dass viele Geschäfte schließen“, prognostiziert er.
Schon jetzt habe in manchen Städten eine Abwärtsspirale eingesetzt, die schwierig aufzuhalten sein dürfte. Zwar könnten Arztpraxen, Dienstleister und kulturelle Angebote einen Teil der Abgänge kompensieren. „Aber es ist kaum vorstellbar, dass die Lücken komplett ausgeglichen werden“, sagt Baaß.
Auch Dirk Dewald geht davon aus, dass die Innenstädte in Zukunft weniger Geschäfte und Gastronomie beherbergen, stattdessen mehr konsumfreie Räume zum Verweilen und zur Begegnung bieten. „Kunst und Kultur könnten eine größere Rolle spielen“, sagt auch er. Außerdem könne die Verringerung versiegelter Flächen bei gleichzeitiger Begrünung von Plätzen den Aufenthalt in der Stadt verschönern.
Noch setzt man auf den Handel. Bis zum heutigen Freitag läuft eine Online-Umfrage zur Situation des Einzelhandels. Dabei geht es etwa darum, was Menschen in die Innenstadt lockt, wie lange sie dort verweilen und wo sie welche Waren kaufen. Dewald geht davon aus, dass die Ergebnisse der Politik, den Bürgern und den Händlern aufzeigen, welche Bedürfnisse künftig gefragt sind.
Für Herbert und Christine Bissdorf jedenfalls spielt die Umfrage keine Rolle mehr. In ein paar Tagen ist es vorbei mit dem Verkauf von Schuhen. „Es wird im Ruhestand jedenfalls keine Depression entstehen“, prognostiziert der Händler mit Blick auf das Ende. „Wir hoffen, dass wir bis dahin alle Schuhe verkauft haben“, sagt seine Frau Christiane.
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