Hofheim/Lampertheim. Die bevorstehende Schließung der Praxis von Dr. Guido Wehlen in Hofheim hat im Stadtteil gehörig Wirbel verursacht. Über 1500 Patienten befürchten nun, weite Wege in Kauf nehmen zu müssen, da es in Hofheim künftig nur noch eine Gemeinschaftspraxis gibt. Bislang hat sich kein Nachfolger für den Ende 2014 verstorbenen Allgemeinmediziner gefunden. Am 31. März macht die Praxis im Bibliser Weg endgültig zu.
Ortsvorsteherin Rita Rose zeigte sich in einer ersten Reaktion von der aktuellen Entwicklung im Stadtteil überrascht. Die Frage: "Und was ist nun mit meinen Bürgern?" schoss ihr spontan durch den Kopf. In Gedanken formulierte sie eine flehentliche Bitte an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen: "Bitte lasst die Hofheimer nicht hängen!" Doch inzwischen hat sich auch die umtriebige Politikerin ins Unvermeidliche gefügt. Nun überwiegt das Bedauern. Der Kampfesmut, das bevorstehende Szenario der endgültigen Praxisschließung doch noch abzuwenden, ist erlahmt.
Störmer: Alles versucht
Dies auch deswegen, da es durchaus Bemühungen der Stadt und der Lampertheimer Ärzteschaft gab, den Status quo der medizinischen Versorgung in Hofheim aufrechtzuerhalten. Er selbst sei Ende vorigen Jahres über die bevorstehende Schließung der Praxis von Guido Wehlen informiert worden, teilte Bürgermeister Gottfried Störmer auf Anfrage mit. Daraufhin habe er Kontakte mit der KV und den Vertretern der Lampertheimer Ärzteschaft aufgenommen. In den gemeinsamen Gesprächen seien sämtliche Möglichkeiten abgeklopft worden, um eine endgültige Schließung abzuwenden. Die KV habe signalisiert, die Frist für den Praxisbetrieb unter Interimsbedingungen um ein Jahr zu verlängern. Allerdings nur, wenn ein Nachfolger in Sicht sei.
Der Sprecher des Lampertheimer Gesundheitsnetzes GALA, Dr. Walter Seelinger, bestätigt im Gespräch mit dieser Zeitung zahlreiche Bemühungen auch der Ärzteschaft, auf eine günstige Entwicklung in Hofheim hinzuwirken, beispielsweise auch über Anzeigen in den Fachorganen. Zudem hätte es in Hofheim finanzielle Anreize für einen Nachfolger gegeben; so hätte er die Kosten für die Betrieb im ersten Jahr erstattet bekommen.
Nicht nur in Hofheim, auch in der Kernstadt selbst ist das Problem, dass für aufgegebene Praxen keine Nachfolger gefunden werden, virulent (wir berichteten). GALA-Sprecher Seelinger bringt es auf den Punkt: "Die Medizin ist weiblich geworden." 70 Prozent der Studienabgänger seien Frauen. Die Übernahme einer Praxis lasse sich häufig nicht mit der Lebensplanung junger Ärztinnen vereinbaren. Auch legten immer mehr junge Mediziner Wert auf freie Zeit, als rund um die Uhr verfügbar zu sein. Dabei wäre in Hofheim ein erklecklicher Jahresumsatz zu erzielen.
Auch in der Statistik hat Hofheim nach Informationen des GALA-Sprechers schlechte Karten. Die Kassenärztliche Vereinigung habe für Lampertheim einen ärztlichen Versorgungsgrad von 102 Prozent errechnet. Den Patienten ist aus KV-Sicht zuzumuten, dass sie sich neue Ärzte in der Region suchen. In den ländlichen Gebieten des Odenwaldes müssten die Menschen deutlich weitere Wege in Kauf nehmen, um eine Sprechstunde aufzusuchen.
In den Lampertheimer Praxen gibt es Seelinger zufolge noch freie Kapazitäten, um Patienten aus Hofheim aufzunehmen. Denn auch in der noch verbleibenden Gemeinschaftspraxis von Dr. Anke Schumann und Dr. Helene Warkentin sei das Aufnahmekontingent erschöpft. Dort habe man sich allerdings bereit erklärt, Hausbesuche zu übernehmen. Im Gegenzug würden die Kollegen in Lampertheim Patienten aus Hofheim betreuen, die in den Alten- und Pflegeheimen untergekommen seien.
Wie der Lampertheimer Arzt Dr. Matthias Früh bildet auch Walter Seelinger im Rahmen einer Akademischen Lehrpraxis Studenten aus, um sie mit der Allgemeinmedizin vertraut zu machen. Geplant ist auch die Gründung eines Weiterbildungsverbunds mit dem Heppenheimer Krankenhaus. Zumindest das Renommee des Allgemeinmediziners wollen die Lampertheimer Ärzte damit ein wenig aufpolieren - und für die oftmals unentdeckte Attraktivität dieser medizinischen Fachrichtung werben.
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