Forstamt

„Oberstes Ziel ist es, dass der Wald fortbesteht“

Der neue Behördenleiter Steffen Hering tritt sein Amt in schwierigen Zeiten an.  Als Nachfolger des langjährigen Forstamtsleiters Ralf Schepp ist er schon an allen Ecken und Enden des Reviers aktiv

Von 
Stephen Wolf
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Der Behördenleiter, fotografiert Ende März in Lampertheim. © Berno Nix

Lampertheim. Das Büro des neuen Forstamtsleiters ist so gut wie leer. Nur der Schreibtisch von Steffen Hering steht bereits. Immerhin, die Wände sind frisch gestrichen, es riecht nach Leinöl. „Zurzeit bin ich ständig im Wald unterwegs. Für Bürokratie war bisher wenig Zeit“, sagt der 44 Jahre alte Mann, der seit einigen Wochen die Behörde in Lampertheim leitet. Als Nachfolger des langjährigen Forstamtsleiters Ralf Schepp ist er schon an allen Ecken und Enden des Reviers aktiv.

Herings Mobiltelefon klingelt, der gebürtige Mannheimer gibt dem Anrufer eine knappe Einschätzung, beendet das Gespräch. Dann entschuldigt er sich, nimmt den Faden wieder auf und offenbart seine Sicht der Dinge. Für Steffen Hering ist klar, die Zukunft des Waldes, der sich zwischen Bürstadt, Lampertheim und Viernheim auf 10 000 Hektar erstreckt, ist ungewiss.

„Gestörtes Ökosystem“

Alleine die Menge Totholz an Wegrändern sei der sichtbare Hinweis auf ein „gestörtes Ökosystem“. Das Gebiet im Ried gilt unter Fachleuten als Beispiel dafür, wie stark das sich verändernde Klima zum Handeln zwingt. Viele heimische Bäume haben in den vergangenen Jahren durch Käfer- und Pilzbefall gelitten. „Der Anteil starker Schäden an Bäumen insgesamt liegt 2022 mit neun Prozent fast drei Mal so hoch wie im Mittel der Jahre 1984 bis 2022“, heißt es im jüngsten Waldzustandsbericht. Im Lampertheimer Wald ist das deutlich zu sehen.

„Oberstes Ziel ist, dass der Wald fortbesteht“, unterstreicht Hering seine Mission. Sicher, ein waldähnliches Biotop werde es immer geben. Doch wie das in Zukunft aussieht, sei offen. Das bedeute nicht, dass Bäume, Büsche und Pilze oder Moos in 100 Jahren verschwunden sein werden. Setze sich jedoch beispielsweise die spätblühende Traubenkirsche flächendeckend durch, gebe es zwar immer noch „so etwas, wie einen Wald“. Die ursprünglich aus Nordamerika stammenden Gehölze seien aber nicht geeignet, einheimische Bäume in vollem Umfang zu ersetzen. So bieten deren dünne Stämme den geschützten Vögeln, etwa dem Specht, keine Heimstätte. Auf der anderen Seite ist es nach Angaben des Forstamtsleiters wenig sinnvoll, heimische Bäume durch mediterrane Pflanzen auszutauschen.

Totholz: Lebensraum für Insekten, aber an trockenen Tagen auch leicht entflammbar. © Berno Nix

Noch vor wenigen Jahren galt dies als hoffnungsvolles Unterfangen. Heute wisse man, dass weder Flaum-Eiche noch Ungarische oder Spanische Eiche den Bodenfrost gut vertragen, mit dem in unseren Breitengraden noch im Frühjahr zu rechnen ist. Somit bleibe die deutsche Eiche Hoffnungsträger, wenn es um den Bestand des Waldes geht. Auch Hainbuchen, Linden und etwa Salweiden könnten mit geringeren Grundwasserständen umgehen, wenn sie ihre noch jungen Wurzeln tief in den Boden treiben. Wie und ob der Waldumbau funktioniert, könne man erst in Jahrzehnten sagen, räumt Hering ein. „Was wir hier machen, hat aber definitiv positive Auswirkungen“, ist sich der Behördenleiter sicher.

Doch stets gebe es Hürden, die überwunden werden müssen. Damit beispielsweise neu gepflanzte Bäume vor hungrigen Rehen und Wildschweinen geschützt sind, müssen Forstmitarbeiter Zäune um die Kulturen ziehen, was wiederum viel Arbeitskraft beansprucht. Wer sich mit Hering unterhält, spürt, wie sehr ihn die Herausforderung umtreibt. Beinahe wirkt es, als nehme der neue Chef der etwa 40 Mitarbeiter im Forstamt die Herausforderung persönlich.

Passen würde es. Der in Heddesheim aufgewachsene Mann kennt den Lampertheimer Wald seit seiner Jugend. Heute, so sagt er, streift er mit seinen eigenen Kindern auf den bekannten Pfaden. Bei aller Nostalgie ist der Forstamtsleiter auch Realist. Er weiß, wie sehr das Waldgebiet seit Jahren einem zerstörerischen Wandel unterworfen ist.

Vor allem im Ried hätten die Dürrejahre der Pflanzen- und Tierwelt seit 2018 zugesetzt. Trotz winterlicher Niederschläge seien die abgesunkenen Wasserstände im Boden längst nicht auf dem wünschenswerten Stand. Wurzeln vieler Bäume könnten nicht mehr ausreichend Wasser aufnehmen. Erschwerend komme hinzu, dass Neophyten wie die Traubenkirsche oder die Kermesbeere die heimischen Pflanzen verdrängen. Und ja, natürlich mache der Maikäfer ohnehin angegriffenen Bäumen schwer zu schaffen.

Ein Kurpfälzer

  • Geboren in Mannheim, ist Steffen Hering in Heddesheim aufgewachsen. Bereits als Referendar lernte der Familienvater das Forstamt Lampertheim kennen, das er nun leitet.
  • Seit 2017 leitet er zudem das Forstamt Michelstadt, wo bald ein Nachfolger wirken soll. Laut Hessenforst gilt sein Fokus dem Erhalt der Ökosystemleistungen des Waldes in Zeiten klimatischer Veränderungen. 

Erhöhtes Risiko von Waldbränden

Anders stelle sich die Situation im Odenwald dar. Die Ökosysteme in den Mittelgebirgen sind noch nicht so stark unter Druck geraten wie in der Oberrheinebene. Aktuell ist Hering auch für das Forstamt in Michelstadt zuständig, in dem er während der vergangenen Jahre schon Leiter war. „Ich gehe davon aus, dass noch in diesem Jahr die Nachfolge geregelt wird“, sagt er.

Das wäre gut, denn auf den neuen Chef im Lampertheimer Forstamt dürften Herausforderungen zukommen, die alle bisherigen Probleme übertreffen. Schon das Risiko von Waldbränden nimmt nach Ansicht von Fachleuten zu. Das Totholz abgestorbener Bäume ist leicht entflammbar. Zumal, wenn in warmen Monaten wochenlang kaum ein Regentropfen fällt. Deshalb sorgte der trockene und heiße Sommer im vergangenen Jahr für Dauerstress bei den Feuerwehrleuten in Hessen. In praktisch allen Regionen mussten Einsatzkräfte zu Wald-, Feld- und Böschungsbränden ausrücken, um teils stundenlang zu löschen.

In solchen Fällen sind auch Mitarbeiter des Forstamts gefragt, wie Hering sagt. So unterstütze man die Wehr etwa, indem bereits gelöschte Bäume gefällt werden. Denn sie könnten, instabil geworden, auf Einsatzkräfte stürzen.

Dass es mit dem Forst irgendwie weitergeht, steht für ihn außer Frage. „Wir sind hier in einem sehr alten Waldgebiet, das während der vergangenen Jahrhunderte unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt war.“ Schon früh hatten hier beispielsweise die Römer massenhaft Bäume gefällt, um Stellungen am Limes zu bauen oder Holz als Brennstoff zur Metallverarbeitung zu nutzen, betont Hering.

Im Mittelalter habe das Aufkommen der Köhlereien großflächige Rodungen mit sich gebracht, und im Zuge der späteren Industrialisierung sei der Hunger nach dem Rohstoff Holz noch einmal größer geworden.

Heute wolle man die unterschiedlichen Ansprüche von Mensch und Natur miteinander in Einklang bringen. Die bei der Bewirtschaftung des Waldes zu bedenkenden Aspekte betreffen Umweltschutz sowie Wasserschutz und Erholung. Jedenfalls, so sagt Hering, sieht er die oberste Priorität nicht bei der Holzwirtschaft.

Redaktion

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