Soziales

Neues Wohnprojekt in Lampertheim: Ein Zimmer für Hilfe im Alltag

In Lampertheim verbindet „Wohnen für Hilfe“ Generationen durch kreative Wohnpartnerschaften und gegenseitige Unterstützung.

Von 
Dirk Timmermann
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Organisieren den Infonachmittag „Wohnen für Hilfe“: Danijela Weidenauer (Servicestelle Wohnen, Stadt Lampertheim), Michelle Okumus (Koordinatorin Aktionsplan Inklusion), Kerstin Biehal (Gemeinwesenarbeit – Regionale Diakonie Bergstraße), Christina Adler-Schäfer (Psychosoziale Fachkraft auf dem Land), Marius Schmidt (Erster Stadtrat) und Ernst Elbeshausen (Mitglied Seniorenbeirat Lampertheim).dtim, 22.03.2025. © Dirk Timmermann

Lampertheim. Ein Zimmer gegen Unterstützung im Haushalt: So lautet das Prinzip von „Wohnen für Hilfe“. Meist sind es jüngere Menschen, die zu Familien, Senioren oder Pflegebedürftigen ins Haus kommen. „Ob Rasen mähen, einkaufen, gemeinsam kochen, die Hilfe kann ganz verschieden sein“, berichtet Ernst Elbeshausen. Der Lampertheimer ist von dem Konzept überzeugt.

Auf einer Plattform hatte er sich im Mai 2022 als Anbieter von Wohnraum angemeldet. Zwei Monate später zogen zwei junge Ukrainer ein. Nun soll sein Beispiel Schule machen. Dazu veranstaltet die Stadt einen Infonachmittag. Die Veranstaltung findet am 1. April ab 16 Uhr im Familienzentrum statt. Eingeladen sind sowohl Vermieter von freiem Wohnraum als auch Personen, die im Gegenzug für die Wohnmöglichkeit anpacken wollen.

Nicht nur Studierende gehören zur Zielgruppe

„Wir möchten die Menschen zusammenbringen“, wünscht sich Danijela Weidenauer, zuständig für Wohnangelegenheiten im Fachdienst 50-3 – Soziales. Schon im Vorfeld befragt sie auf der Grundlage der Wohnberechtigungsscheine Mietinteressenten, ob das Konzept infrage kommt. Möglichst offen soll dieses in Lampertheim ausgestaltet werden, und nicht nur Studierende gehören zur Zielgruppe. Insoweit unterscheidet man sich vom Initiator der alternativen Wohnform.

„Wohnen für Hilfe“ gehe ursprünglich auf den Deutschen Studierendenausschuss in Hamburg zurück, bestätigt Ernst Elbeshausen. Studenten mit Wohnraum zu versorgen, sei hierbei das Ziel gewesen. 13 Studierendenwerke bieten „Wohnen für Hilfe“-Projekte aktuell an. Wie der „Tauschhandel“ aussieht, ist Sache der Beteiligten. Nicht erlaubt sind pflegerische und medizinische Dienste. Involviert in Wohnpartnerschaften sind Familien, Alleinerziehende und Menschen mit Behinderung.

Das Plakat zur Aktion „Wohnen für Hilfe. © Dirk Timmermann

Als Faustregel gilt: Pro Quadratmeter bezogenem Wohnraum ist eine Stunde Hilfe pro Monat zu leisten. Für den Einziehenden fallen lediglich Nebenkosten wie Wasser, Gas und Strom an, die „Kaltmiete“ entfällt. Den Mietvertrag schließen Eigentümer und Mieter ab.

Doch wie bei der „klassischen“ Wohngemeinschaft auch geht es nicht ohne Sympathie: „Vertrauen ist Grundvoraussetzung, es muss sich eine Beziehung entwickeln“, weiß Danijela Weidenauer, die in der „Arbeitsgruppe Wohnen“ mitwirkt. Diese ist Teil des Aktionsplans Inklusion, den die Stadt seit 2022 umsetzt.

Eine erste erfolgreiche Vermittlung hat Weidenauer im Dezember begleitet: Die Vermieterin nahm einen Mieter mit Handicap auf, beide helfen einander. Auch in drei weiteren Fällen laufe „Wohnen für Hilfe“ in der Spargelstadt an, so Kerstin Biehal, Gemeinwesenarbeiterin der Regionalen Diakonie Bergstraße. Ihre Erfahrungen wollen die Beteiligten beim Infonachmittag weitergeben, allen voran Ernst Elbeshausen, der sich im geschäftsführenden Ausschuss der Seniorenbegegnungsstätte „Alte Schule“ engagiert. Dabei sein werden außerdem Projektkoordinatorin Michelle Okumus und Christina Adler-Schäfer, Psychosoziale Fachkraft auf dem Land („PAULA“).

Gedanken über Privatsphäre und Sauberkeit

Vor allem „praktische“ Fragen sollen bei dem Format gestellt und „Hemmungen im Kopf“ abgebaut werden, betonen die Organisatorinnen. Es sei völlig legitim, sich etwa Gedanken über Privatsphäre und Sauberkeit zu machen. „Manche nehmen Ideen vielleicht mit nach Hause und melden sich später wieder“, hofft Kerstin Biehal. Man rechnet mit reger Teilnahme.

„Sehr erfolgreich“ sei schon die „Infobörse Wohnen“ am 23. November verlaufen. Alternative Wohnformen standen damals im Mittelpunkt, darunter auch „Wohnen für Hilfe“. 88 Personen hatten vor Ort in einem Fragebogen Angaben zu Wohnsituation und Wohnwünschen gemacht. Interesse bekundeten Alleinstehende, Ältere und junge Erwachsene mit Handicap.

„Die Wohnungsfrage ist eines der drängendsten Themen“, sagt Marius Schmidt. Laut Erstem Stadtrat ist die Zahl der Wohnungssuchenden auf der internen Liste dreistellig. Neubau sei eine Möglichkeit, um auf Knappheit zu reagieren, allerdings nicht die einzige. Oft fehle die Zeit, sodass man den Wohnbestand kreativ nutzen müsse. „Wohnen für Hilfe“ sei dafür ein sinnvolles Instrument. Als positiven Nebeneffekt sieht Schmidt die Begegnung der Generationen: „Alt und jung ergänzen sich mit ihren Fähigkeiten.“

Gute Erfahrungen hat man bereits mit „CleverMieter“ gemacht: Zwei Dutzend Wohnungen hat die Stadt mit diesem Programm angemietet – um sie an jene weiterzuvermieten, die sonst schwer zum Zuge kommen. „Wohnen für Hilfe“ wird derweil eifrig beworben. Im Quartier wurden Flyer verteilt, in den Riedkommunen hängen Plakate. Der Eintritt am 1. April ist frei.

„Wohnen für Hilfe“:

Der Informationsnachmittag „Wohnen für Hilfe“ findet am Dienstag, 1. April, ab 16 Uhr im Familienzentrum statt (Dieselstraße 2, Lampertheim).

Ziel ist die Zusammenführung von Wohnungssuchenden und Anbietern von Wohnraum . Dem Ansatz zufolge entfällt die Kaltmiete im Gegenzug für Hilfeleistungen wie Rasenmähen, Einkaufen und Behördengänge. Ausgenommen sind medizinische und pflegerische Dienste.

Angesprochen sind insbesondere Alleinerziehende, Studierende, Senioren und Menschen mit Behinderung . Der Zugang zum Infonachmittag ist kostenlos, eine Anmeldung nicht erforderlich.

Auskünfte erteilt Kerstin Biehal, Rufnummer: 0160/90 73 40 62. dtim

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