Lampertheim. Sie singen und gestikulieren. Manche lassen die Gitarre röhren, Finger gleiten über Tasteninstrumente. Die Kinder und Jugendlichen an der Lampertheimer Biedensandschule geben ihren Einstand in die Welt der Musik mit einer Begeisterung, wie sie wohl nur bei jungen Menschen zu beobachten ist. Jubel ertönt, Schüler liegen sich in den Armen und recken ihre Fäuste in die Luft.
Ein Junge ruft: „Musik gibt uns Power!“ Fans sind an diesem Tag alle in der Mensa. Dass die Schüler verschiedener Stufen im Rhythmus zusammenfinden, haben die Musiker der Mannheimer Popakademie zu verantworten.
„Pop macht Schule“ heißt das Programm, mit dem Lehrkräfte aus der Nachbarstadt zurzeit in Südhessen unterwegs sind. Dabei stehen für jeweils zwei Tage Dozierende und Studierende der Popakademie in den Klassenräumen und lehren in Workshops, wie man singt, textet, Instrumente spielt und Bands managt. Schließlich münden die Lehrstunden in ein Konzert mit vielen Facetten. Bei einer Präsentation setzt erst der Bass, dann das Schlagzeug mit Schmackes ein. Als auch der Gesang mehrerer junger Frauen und Percussioninstrumente zueinanderfinden, macht sich ein warmes Gefühl in der Magengegend breit. Dass viele der Mädchen und Jungen vor dem Besuch der Pop-Experten noch kein Instrument in der Hand hielten, schmälert die Euphorie nicht. Im Gegenteil.
Neben Musik sind Fanartikel wichtiger Bestandteil der Popkultur. Folgerichtig präsentieren Schüler auch Entwürfe für T-Shirts, die mit dem Logo „BSL 68“, also Biedensandschule Lampertheim sowie den ersten Ziffern der Postleitzahl versehen sind. „Dazu gibt es Fan-Outfits, mit denen die Zusammengehörigkeit gezeigt werden kann“, erklärt einer der Bandmanager.
Gefühl von Gemeinschaft
Auch die Dozenten aus Mannheim kennen die Bedeutung der Gassenhauer, die Generationen von Schülern seit Jahrzehnten begleiten. So intoniert ein Chor nicht nur „Wer hat die Kokosnuss geklaut?“, auch zeigen die Kinder eine Choreographie, die ihre Wirkung nicht verfehlt.
Schüler halten Kokosnüsse in die Luft und bewegen sich tanzend im Rhythmus. Sie stellen den Text mimisch dar, heben Arme und zucken mit den Schultern.
„Im Prinzip ist das auch ein Teambuilding-Prozess“, sagt Udo Dahmen, künstlerischer Leiter der Popakademie. Auch er ist gekommen, um die Präsentationen zu verfolgen. Der 71 Jahre alte Musiker saß in jungen Jahren am Schlagzeug für Künstler wie Sting, Nina Hagen oder Jack Bruce. Bei Schülern könne man regelrecht beobachten, wie neben dem Gemeinschaftsgefühl auch das Selbstvertrauen zunehme, sagt er.
Es sei stets eindrucksvoll, so der frühere Drummer, den Prozess von der Idee eines Songs bis hin zu dessen Ausarbeitung zu begleiten. „Am Ende ist meistens klar, dass es sich gelohnt hat, gemeinsam an einem Stück zu arbeiten, Widerstände zu überwinden und eine Formel zu finden“, ist Dahmen überzeugt.
Wie es aussieht, genießen die Kinder und Jugendlichen der Biedensandschule dieses Erlebnis. Es ist für jeden etwas Besonderes, Bühnenluft zu schnuppern und vor großem Publikum zu spielen. „Natürlich ist es auch ein Erfolgserlebnis, wenn alles glatt gelaufen ist“, sagt Peter Schäfer, einer der Lehrer an der Schule. Auch sei es berührend zu sehen, wie die Kinder und Jugendlichen der Biedensandschule – sie alle haben Anspruch auf sonderpädagogische Förderung – aus sich herausgehen, sagt Schulleiterin Sibylle Hermanns. Gute Erfahrungen habe man mit dem Projekt „Pop macht Schule“ bereits 2019 gemacht. „Insofern haben wir gewusst, dass eine Neuauflage positive Wirkung für die Schule, vor allem aber für die Kinder und Jugendlichen selbst haben dürfte“, sagt sie. „Das wird ihnen gut tun“, fügt sie hinzu.
Das zeigt sich bei Angelique besonders gut. Mit Inbrunst spielt die 15 Jahre alte Schülerin beim letzten Stück eine schwarze „Stratocaster“. Aus dem Verstärker wabert der verzerrte Sound direkt durch die Mensa. Als alles vorbei ist, nimmt sie die dunkle Sonnenbrille von der Nase, schaut sich um und wirkt befreit. „Mit einer Band zu spielen, macht Laune“, lautet ihr lakonischer Kommentar. Dann dreht sie sich erschöpft um, lächelt und geht.
„Es ist schon etwas Besonderes, wenn das Adrenalin langsam wieder den Körper verlässt“, sagt Kevin, der zweite Gitarrist der Formation. Auch der 16 Jahre alte Schüler wirkt gleichzeitig müde und aufgekratzt. Vor der Bühne verlangen begeisterte Eltern und Schüler nach einer Zugabe.
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