Lampertheim. Der jährliche Blick in die polizeiliche Kriminalstatistik ist üblicherweise eine nüchterne Sicht auf viele Zahlen. Beim Gespräch über die Fallzahlen des Jahres 2024 mit Polizeihauptkommissar Marius Hilge, dem stellvertretenden Leiter der Polizeistation Lampertheim-Viernheim, lässt allerdings ein Ereignis alle anderen Straftaten verblassen. Denn auch die Beamten der Lampertheimer Polizei beschäftigt nach wie vor die Frage, wer am 16. September vergangenen Jahres eine 36 Jahre alte Grundschullehrerin aus Lampertheim im Wald bei Neuschloß getötet hat. Beim Joggen war die junge Mutter an diesem Montagmorgen mit mehreren Stichen tödlich verletzt worden.
So viel steht fest. Wer das getan hat und vor allem warum, das sind zentrale Fragen, die noch immer nicht beantwortet sind. Die sofort vom Polizeipräsidium Südhessen und der Staatsanwaltschaft Darmstadt eingerichtete Mordkommission „1609“ ermittelt nach wie vor. Trotz eines breit angelegten DNA-Tests im November und Speichelproben, die weitere Personen auch in den folgenden Monaten noch abgegeben haben, gibt es nach wie vor keine heiße Spur. Das teilt Oberstaatsanwalt Robert Hartmann, Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt, auf Anfrage mit.
Tötungsdelikt beschäftigt die Beamten vor Ort weiterhin
Während also die Mordkommission weiter Spuren auswertet und die Ergebnisse der DNA-Tests mit den Funden am Tatort abgleicht, ging und geht die Polizeiarbeit in Lampertheim weiter wie gewohnt. „Doch die Tat beschäftigt die Kollegen immer noch, ist Thema in Gesprächen und fährt bei jeder Streifenfahrt mit“, berichtet Hilge im Gespräch mit dieser Redaktion. „Auch uns treibt die Frage nach dem Tätermotiv um“, sagt der Polizeihauptkommissar. „Wir sind alle Polizeibeamte geworden, um solche Taten zu verhindern oder die Täter zumindest so schnell wie möglich zu schnappen“, macht er deutlich, mit welcher Motivation er und seine Kolleginnen und Kollegen tagtäglich zur Arbeit gehen.
Doch: „Eine Uniform schützt nicht vor den eigenen Gefühlen, und wir sind natürlich auch alle außerhalb des Jobs Teil der Zivilgesellschaft.“ Die war nach dem Fund der Frauenleiche am helllichten Tag auf einer beliebten Joggingstrecke im Wald nahe Neuschloß entsprechend schockiert und ist es nach wie vor. „Es wäre schon beruhigend, wenn so ein Täter aus dem Verkehr gezogen würde und hinter Schloss und Riegel säße“, bekräftigt auch der stellvertretende Stationsleiter.
Doch natürlich gab es vor und nach dieser schrecklichen Tat zahlreiche andere Straftaten, um deren Aufklärung sich die Frauen und Männer der Lampertheimer Polizeistation im vergangenen Jahr bemüht haben. Darüber gibt der Blick in die Kriminalstatistik Auskunft.
Diebstähle jeglicher Art führen die Kriminalstatistik an
Demnach wurden 2024 in den Kommunen Lampertheim, Viernheim, Bürstadt, Biblis und Groß-Rohrheim insgesamt 3315 Straftaten angezeigt. Das waren 370 weniger als im Jahr davor. Die Aufklärungsquote hat sich von 58 Prozent im Jahr 2023 auf 59,5 Prozent 2024 verbessert. Den größten Anteil an den Delikten hatten nach wie vor die Diebstähle mit 1228 Fällen, auch wenn die Zahl im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist (2023: insgesamt 1524 Fälle). Dies entspricht der Entwicklung im gesamten Bereich des Polizeipräsidiums Darmstadt.
Auch hier bildeten Diebstahlsdelikte mit rund 36 Prozent einen Schwerpunkt. Wie auf Präsidiumsebene, so haben auch im Bereich der Polizeistation Lampertheim-Viernheim die sogenannten Rohheitsdelikte im vergangenen Jahr zugenommen. Als einfache oder gefährliche Körperverletzung wurden 413 Fälle erfasst, 27 mehr als im Vorjahr. Hier lag die Aufklärungsquote mit 92 Prozent recht hoch und auf Vorjahresniveau (2023: 93 Prozent), da sich Täter und Opfer meistens kennen.
„Der Weg zur Ohrfeige ist kürzer geworden.“
Rückläufig waren in Viernheim und den Riedkommunen im vergangenen Jahr die Fälle der sogenannten Straßenkriminalität (2024: 689, 2023: 798) und die Zahl der Wohnungseinbrüche (2024: 71, 2023: 110). Auch das entspreche dem Trend, der sich im Bereich des Polizeipräsidiums Südhessen abzeichne. Der öffentliche Raum sei sicherer geworden, hatte Polizeipräsident Björn Gutzeit bei der Vorstellung der Fallzahlen für den gesamten Präsidiumsbereich Ende März gesagt.
„Es ist festzustellen, dass inzwischen mehr Streitigkeiten in Körperverletzungen ausarten. Der Weg zur Ohrfeige ist kürzer geworden“, beobachtet Hilge und räumt zugleich ein, dass sich eventuell auch das Anzeigeverhalten der Betroffenen geändert hat. Allerdings wisse man, dass Beleidigungen oder leichte Körperverletzungen längst nicht in dem Maße zur Anzeige gebracht würden, wie sie geschehen. Auch beim Thema „häusliche Gewalt“ müsse von einem großen Dunkelfeld ausgegangen werden. Wenn hier die Fallzahlen steigen, könne das auch daran liegen, dass die Bevölkerung bei dem Thema inzwischen besser sensibilisiert ist, hin- statt wegschaut und Beobachtungen oder Auffälligkeiten meldet.
Umgangston gegenüber der Polizei wird rauer
Generell sei zu erkennen, dass der Umgangston deutlich rauer geworden ist, berichtet Hilge. Deutlich öfter erlebten Polizeibeamte Widerstand gegen die Staatsgewalt – nicht nur von Betroffenen, sondern auch von umstehenden Personen. Die Kommunikation sei deutlich aufgeladener und zunehmend schwieriger, auch weil in sozialen Medien Unwahrheiten verbreitet würden, die für bare Münze genommen würden. Gerade pseudo-juristische Videos, in denen polizeiliche Maßnahmen infrage gestellt würden, machten es den Beamten schwer. „Die Kollegen sind gezwungen, mehr zu erklären und zu kommunizieren. Oft wird unsere Profession in Abrede gestellt, das macht die Arbeit schwierig.“ Zusätzlich zu den manchmal ohnehin schwer zu verstehenden Straftaten, die es aufzuklären gilt.
Frauenleiche in Lampertheimer Wald gefunden
Sonderkommission geht ersten Hinweise nach
Menschen in Lampertheim nach dem Mord in Sorge
Polizei sucht gezielt nach Zeugen
Ermittlern setzen auf DNA-Proben
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