Lampertheim. Ein ganz und gar ungewöhnliches Unterhaltungsprogramm erwartet die Gäste im Hofgut Hartmann. Dass der Lampertheimer Kabarettist Peter Gutschalk und der Schwetzinger Musiker Athi Sananikone gemeinsam auftreten, ist für sich jetzt nicht unbedingt besonders, umso mehr aber das Thema, dem sie sich widmen. Bei „Hospiz? Kenn isch nid!“, dreht sich zwei Stunden lang alles um Sterbebegleitung. Doch wie lässt sich daraus ein schöner Abend machen?
Eingeladen hat die Palliativ- und Hospiz-Initiative im Ried (PaHoRi). Deren Vorsitzende Sabine Gerber bringt es in ihrer Begrüßung auf den Punkt: „Viele möchten sich gedanklich mit solchen Inhalten nicht befassen.“ Nun aber gibt es dafür kein Zurück mehr. Peter Gutschalk betritt als Erster die Bühne und tritt vor die rund 150 Besucher.
Was tun Menschen morgens am Frühstückstisch? Sie schmökern in der Zeitung. Was sie da vor allem lesen, scheint sich im Laufe des Lebens zu ändern. Junge Leute interessieren sich eher für Sport, die mittleren Jahrgänge halten es mit der Politik und die älteren Semester stöbern durch die Todesanzeigen. So geschieht dies auch im Hause Gutschalk, als der Herr des Hauses auf diesem Wege vom Ableben seines Jugendfreunds Berthold erfährt. Das Kopfkino beginnt.
Geschichten aus der Kindheit werden in Erinnerung gerufen, aus einer Zeit, in der es drei Fernsehprogramme, keine Handys und niemanden mit Laktoseintoleranz gab. Der nächstliegende Gedanke: „Die Einschläge kommen näher.“ Die Frau, der man nach langjähriger Zweisamkeit nur noch selektiv zuhört, weiß mehr. Der Freund war krank. Die Realität sagt, dass sich die Lebenswege der ehemaligen Easy Rider mit Bonanzarad schon vor Jahrzehnten getrennt haben. Informationen über drei Ehen und persönliche Hobbys gab es nur noch über die digitalen Plattformen im Internet, persönlicher Kontakt? Fehlanzeige.
Auf Zeitreise durch die letzten Tage seines Freundes
Gutschalk erfährt von seiner Frau: Sein Jugendfreund hat seine letzten Wochen im Hospiz verbracht. Sie schockt damit den Mann: „Wozu das?“ Dann beginnt der Austausch über die möglichen Gründe, den Gang in so eine Einrichtung anzutreten. Er versteht immer mehr, was dahinter steckt. Niemandem zur Last fallen, Menschen um sich herum haben, die sich um einen kümmern, noch einmal Zeit mit seinen Liebsten zu verbringen. Das nahe Ende wird akzeptiert, gleichzeitig mit der Tatsache, dass es diese besonderen Momente bis zum Schluss geben kann. Gutschalk unternimmt in Mundart eine Zeitreise durch die letzten Tage des Freundes und kommt zu der Einsicht: „Er hat alles richtig gemacht.“
Die folgende Pause nutzen die Zuschauer für Gespräche. Sie tauschen sich über ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Hospiz aus und über die Eindrücke, die das Stück hinterlassen hat. Dann tritt Athi Sananikone auf, und der Abend erhält eine neue Dimension. Es wird musikalisch, aber nicht weniger emotional. Das Thema bleibt unverändert. Er beginnt mit einem Lied, das er im zurückliegenden Jahr auf der Beerdigung seines Vaters spielte, der an Krebs starb. Sananikones Wurzeln liegen in Laos, sein Leben findet im Kurpfälzer Raum statt. Er erzählt dem Publikum verschiedene Episoden, unter anderem, wie seine Eltern in Deutschland im Jahr 1980 nach Deutschland kamen.
Für den Musiker ist der Auftritt eine emotionale Gratwanderung, untermalt mit Gesang und akustischer Gitarre. „Der Kreislauf des Lebens“ von Elton John, bekannt aus dem Film „König der Löwen“, oder „Father And Son“ von Cat Stevens helfen bei der Skizzierung einer Existenz zwischen einem von traditionellen Werten geprägten laotischen Elternhaus und dem Aufwachsen eines Jugendlichen in Schwetzingen. Seine Botschaft an das begeisterte Publikum lautet: „Jeder kann das Licht am Ende des Tunnels für jemand anderen sein.“ Der Applaus für die beiden Künstler ist gewaltig.
Respekt vor der Aufgabe – und auch Berührungsangst
Gutschalk gibt später zu, dass er großen Respekt vor der Aufgabe hatte, ein Stück über das Thema zu schreiben. „Als ich vor drei Jahren von Ines Steyrleuthner vom Hospiz Viernheim die Anfrage bekommen habe, war ich zuerst nicht sicher, ob ich das kann.“ Mehrere Besuche in der Einrichtung und zahlreiche Gespräche hätten ihm die Berührungsangst genommen. Trotzdem: Ein Spagat musste vollbracht werden. Auf keinen Fall sollte billiger Klamauk entstehen, ebenso wenig ein tränenreiches Trauerspiel. Dieses Kunststück ist ihm gelungen. „Hospiz? Kenn isch nid!“ liefert tatsächlich gute Unterhaltung, aber auch sehr viel mehr: nämlich jede Menge Denkanstöße.
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