Lampertheim. Ohne Ausgrenzung leben und alt werden: Dieses Thema behandelt aktuell die Ausstellung „Besonders habe ich mich immer gefühlt!“, die im Lampertheimer Pflegeheim Agaplesion Dietrich-Bonhoeffer-Haus zu sehen ist. Im Zentrum stehen dabei die Lebenswelten von sieben Lesben, Schwulen und Trans-Personen, die zwischen 64 und 85 Jahren alt sind.
Auf den gezeigten Tafeln sind Lebensläufe, Einschätzungen und Besonderheiten dieser Menschen zu lesen. So heißt es beispielsweise von einer 85 Jahre alten lesbischen Frau: „Mir ist es wichtig, dass ich einfach angenommen werde, so wie ich bin.“ Dafür müsse es eine gesellschaftliche Offenheit für die Vielfalt menschlicher Lebenswelten geben, heißt es weiterhin auf der rosafarbenen Tafel.
Die 70 Jahre alte Sue präsentiert sich ebenfalls in der Ausstellung und zeichnet ihren Weg vom Mann zur Frau nach. „Lange wusste ich nicht, dass es Trans-Menschen gibt, also etwas anderes als Mann und Frau. Ich bin nicht auf der Welt, um so zu sein, wie andere mich gerne hätten.“
Die Ausstellung
- Die Ausstellung "Besonders habe ich mich immer gefühlt!" ist noch bis 25. Oktober im Agaplesion Dietrich-Bonhoeffer-Haus zu sehen. Außerdem gibt es ein Rahmenprogramm.
- Am kommenden Dienstag, 22. Oktober, findet um 15 Uhr ein Bingonachmittag zu queeren Themen statt.
- Am Mittwoch, 23. Oktober, gibt es außerdem einen Filmabend, an den sich eine Fragerunde anschließt. Gezeigt wird zuvor ein Streifen, in dem es darum geht, dass streikende Arbeiter unerwartet Unterstützung von Schwulen und Lesben erhalten.
So habe sie sich vor Jahren geoutet und führe nun ein ganz normales Leben als Frau, wie es auf der Tafel heißt. Um als „normal“ angesehen zu werden, habe sie vor 47 Jahren eine Frau geheiratet und mit ihr zwei Kinder bekommen. Am Familienstand habe sich indes bis heute nichts geändert: „Für meine Frau bin ich ihre Frau, und sie stellt mich auch so vor. Inzwischen akzeptieren mich die Kinder und ihre Familien so, wie ich bin.“
Akzeptanz der sexuellen beziehungsweise geschlechtlichen Orientierung steht im Vordergrund der Ausstellung, die von der Hessischen Landesfachstelle LSBT* im Alter kuratiert wurde. Die Initiative Partnerschaft für Demokratie Lampertheim und die Diakonie Bergstraße haben die Ausstellung nach Lampertheim gebracht.
Wie Elke Kreß von der Landesfachstelle im Alter sagte, sollen mit der Ausstellung die verschiedenen Lebenswelten gezeigt werden. Auch gehe es darum, für Toleranz zu werben. Gerade im Seniorenalter. Denn wer in der Nachkriegszeit geboren wurde, habe oftmals viele Jahre damit zugebracht, die sexuelle Orientierung aufgrund gesellschaftlicher Konventionen zu verleugnen und sich erst spät zu den eigenen Bedürfnissen bekannt. „Viele dieser Menschen fürchten nun, sie müssten sich im Alter wieder verbergen“, betont die Referentin bei der Eröffnung der Ausstellung im Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Daher setze sich die Fachstelle mit Sitz in Frankfurt unter anderem für Fortbildungen ein, bei denen das Pflegepersonal für die Anliegen der Senioren sensibilisiert wird.
Dabei gehe es beispielsweise darum, dass die in früheren Jahren erlebten Abwertungen und Ausgrenzungen in der Gegenwart noch nachwirkten. Das zu wissen sei besonders wichtig, da Älterwerden ohnehin mit tiefgreifenden Veränderungen und Einschränkungen einhergehe. Um das Altern nicht zusätzlich zu erschweren, sei es wichtig, individuelle Lebensläufe sichtbar zu machen und aufzuklären: „Unser Ziel ist es, dass Vielfalt anerkannt wird, Besonderheiten, Erwartungen und Ängste wahrgenommen werden“, bekräftigte Kreß.
Orientierung am christlichen Gebot der Nächstenliebe
Der Leiter der Einrichtung, Henning Krey, betonte, das Pflegeheim stehe konsequent hinter der Ausstellung. „Wir sind der Diversität verpflichtet. In konkreten Fällen, aber auch weil Kollegen aus der ganzen Welt hier arbeiten“, sagte Krey. Man orientiere sich am christlichen Gebot der Nächstenliebe: „Wir sehen den Menschen als das, was er ist - als Geschöpf Gottes.“ Dass etwa die katholische Kirche aber gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht als ebenbürtig mit der Trauung von Frau und Mann betrachtet, daran erinnerte der 76 Jahre alte Hans-Peter bei einer Diskussion zur Eröffnung. Der homosexuelle Mann ist ebenfalls einer der Akteure, deren Lebensgeschichte auf einer der Tafeln nachzulesen ist. Aufgewachsen als Bauernsohn habe er Priester werden wollen und ein bischöfliches Internat besucht.
Den Berufswunsch habe er allerdings nicht verwirklichen können, die katholische Sexualmoral sei mit seinem Leben nicht vereinbar gewesen. „Mit meinem Glauben habe ich nie gebrochen, geblieben ist aber mein Dissens mit der Amtskirche.“ Er kritisiert, dass Schwule und Lesben nicht kirchlich heiraten dürfen und fordert, „dass wir als per se Sündige aus dem Katechismus gestrichen werden“.
Der ebenfalls homosexuelle Senior Dimitrios hat in den 1960er Jahren seine griechische Heimat verlassen. Als schwuler Mann habe er seiner Familie „keine Schande“ machen wollen, berichtete er bei der Ausstellungseröffnung. In den vergangenen Jahrzehnten habe er sich in Deutschland ein Leben aufgebaut, das nicht im Widerspruch zu seiner sexuellen Orientierung steht, ohne Schuldgefühle.
Seit 17 Jahren ist Dimitrios nach eigenen Angaben mit seinem Mann verheiratet. Was den heute 85 Jahre alten Rentner in Zukunft erwartet, das ist offen. Die mühsam erkämpfte Freiheit will er jedenfalls nicht verlieren.
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