Reittherapie

Lampertheim: Wie Pferde bei Problemen helfen können

Wer therapeutische Hilfe benötigt, ist hier genau richtig: In Lampertheim bieten Uta Palm und Ursula Egner-Illius professionelle Reittherapie an.

Von 
Antonia Böhm
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Ursula Egner-Illius (l.) und Uta Palm mit den Pferden Helmut und Merlin. © Berno Nix

Lampertheim. Trubel, Aufregung und lautes Geschrei sucht man hier vergeblich. Stattdessen warten Ruhe, Natur und sieben Pferde auf die Besucher der Reitpädagogik Palm in Lampertheim. Ganz am Ende eines Feldweges befindet sich der Pferdehof von Uta Palm, die hier zusammen mit Ursula Egner-Illius therapeutisches Reiten anbietet. Doch um was geht es bei der Reittherapie überhaupt? Es gehe darum, Menschen jeder Altersgruppe zu unterstützen. Besonders häufig kämen Kinder mit Autismus, Down-Syndrom oder Entwicklungsverzögerungen zu ihnen.

Auch Kinder, die traumatische Erfahrungen gemacht hätten, fänden in der Reittherapie Unterstützung. Zudem würden viele Erwachsene kommen, die unter Traumata oder Depressionen litten. Zu ihrem Konzept gehören jedoch nicht nur Pferde, sondern auch zwei Hunde, sechs Katzen, vier Hühner und vier Ziegen, die den Hof erst komplett machen. „Hier findet man Ruhe und keinen Trubel“, bestätigt auch Uta Palm. Das sei auch wichtig für die kleinen und großen Teilnehmer der Reittherapie.

Reittherapie für unterschiedliche Bedürfnisse

Vor 30 Jahren hat Uta Palm den Hof eröffnet. „Am Anfang war es ein normaler Hof“, erzählt sie, „Doch mit der Zeit kamen immer mehr Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Da habe ich gemerkt: Das ist genau das, was ich will.“ Seitdem hat sie verschiedene Schulungen und Fortbildungen besucht und bietet nun seit über 20 Jahren therapeutisches Reiten an.

Therapeutisches Reiten

  • Therapeutisches Reiten nutzt Pferde, um Menschen mitkörperlichen, seelischen oder sozialen Einschränkungen zu unterstützen.
  • Bei der Pferdetherapie geht es nicht nur ums Reiten, sondern auch um den Kontakt zum Tier, die Pflege, Übungen am Pferd und Arbeiten im Stall.

  • Die Kosten für therapeutisches Reiten werden meist nicht von Krankenkassen übernommen, können aber in bestimmten Fällen von Sozial- oder Jugendämtern gedeckt werden.

Die Grundschullehrerin Ursula Egner-Illius fand ihre Leidenschaft für Reittherapie, als sie vor einigen Jahren selbst reittherapeutische Hilfe in Anspruch nahm. „In den letzten 20 Jahren ist die Nachfrage stark gestiegen“, berichtet Uta Palm. Besonders seit der Corona-Pandemie habe dieser Anstieg jedoch zugenommen: „Ich denke, viele Eltern gehen mit ihren Kindern leider nicht mehr nach draußen. Auch Handys könnten einen Teil dazu beitragen. Aber es gibt nicht die eine Erklärung für dieses Problem“, schildert sie.

Der ehrgeizige Helmut und der fröhliche Merlin

In der Reittherapie gehe es darum, Regeln und Abläufe zu lernen sowie die Motorik der Klienten zu verbessern. Es sei weit mehr als nur das Reiten selbst: Vom Versorgen der Pferde bis hin zum Säubern der Boxen gehört alles dazu. Ein Kind mit Autismus könne zum Beispiel feststellen, dass es bestimmte Aufgaben wie das Putzen der Pferde selbstständig erledigen kann. „Das sind dann Erfolge“, erklärt Ursula Egner-Illius, „Es gibt ein Stück Selbstständigkeit, Lob und Freiheit zurück“. Autismus ist eine schwere neurologische Entwicklungsstörung, die bereits in den ersten Lebensjahren beginnt.

Bei der Reittherapie gehe es jedoch auch viel um Transfer: Ein Kind lerne, Nein zu sagen und das Pferd anzuhalten. Diese Fähigkeiten könne ihm auch in anderen Lebensbereichen helfen. In den Ferien kommen auch zahlreiche Gruppen vom Jugendamt oder aus Kinderheimen auf den Hof, um das reittherapeutische Angebot zu nutzen. Auch die sonderpädagogische Eugen-Neter-Schule aus Mannheim und die Maria-Montessori-Schule aus Weinheim sind regelmäßig zu Gast.

Für die Teilnehmenden werde dann ein passendes Pferd ausgewählt, da sowohl die Kinder als auch die Pferde unterschiedliche Charaktere haben. „Wir haben zum Beispiel die Pferde Rubi und Merlin, die sind liebevoll und fröhlich. Helmut hingegen ist eher ehrgeizig und fein. Pablo wiederum ist sanft und ein richtiger Schmusebär“, erzählt Uta Palm.

Die Anstrengung zahlt sich aus

Ursula Egner-Illius schildert, dass die Arbeit jedoch ziemlich anspruchsvoll sei: „Die Arbeit ist anstrengend, es fordert einen sehr. Wir hören viele unschöne Geschichten der Klienten und zusätzlich müssen auch alle Tiere versorgt werden.“ Doch die harte Arbeit zahle sich aus. „Es gibt dann die Momente, wo es einem unheimlich viel zurückgibt. Und es hilft, wenn man überzeugt ist“, erklärt sie. Sie erinnern sich an ein autistisches Kind, das nur wenige Gefühlsregungen zeigte. Doch auf dem Pferd habe es förmlich gestrahlt. „Da denkt man sich wirklich: Ach wie toll“, bestätigt auch Uta Palm.

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Gaby Guzek
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Bisher übernimmt die Krankenkasse keinen Anteil an den therapeutischen Reitstunden. „Wir würden uns wünschen, dass wir von der Krankenkasse mehr Unterstützung bekommen würden“, berichtet Uta Palm. Es gebe viele, die sich keine Reittherapiestunde leisten können. Generell habe Therapie ein anderes Ansehen als früher. „Da gibt es zum Glück schon ein großes Umdenken“, schildert Uta Palm, „Mittlerweile wird Reittherapie auch oft von Kinderärzten oder Psychotherapeuten empfohlen.“ Wünschenswert wäre nun, dass sich diese Entwicklung auch finanziell widerspiegelt, damit Klienten bei Reitpädagogik Palm weiterhin die benötigte Unterstützung erhalten können.

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