Tierwelt

Lampertheim: Kormorane am Altrhein auf dem Rückzug

Noch vor einigen Jahren sammelten sich jährlich bis zu 300 Paare der illustren Wasservögel am Altrhein in Lampertheim. Mittlerweile sind die Zahlen gesunken.

Von 
Stephen Wolf
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Kormorane sind gefräßige Jäger – ein einzelner Vogel kann täglich etwa ein halbes Kilogramm Fisch verzehren. Ihr Jagdradius beträgt bis zu 30 Kilometer, was ihnen ermöglicht, weite Gebiete nach Beute abzusuchen. © picture-alliance/ dpa

Lampertheim. Es ist ein majestätisches Schauspiel, das sich an einem sonnigen Herbstmorgen abspielt: Auf einem Ast sitzend, späht ein Kormoran aufmerksam auf das Gewässer. Plötzlich breitet er seine Flügel aus, stürzt sich schließlich pfeilschnell in die trübe Brühe. Kurz darauf zappelt ein Fisch im Schnabel des geschickten Tauchers.

Solche Manöver sind regelmäßig am Lampertheimer Altrhein zu beobachten. Doch sie werden seltener, die Zahl der Kormorane sinkt hier seit Jahren, wie Josef Kreuziger von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) sagt. „Trotzdem ist der Altrhein bei Lampertheim nach wie vor eines der bedeutendsten Gebiete für Kormorane in Hessen“, fügt er hinzu.

Noch immer können die flinken Wasservögel hier Fische jagen, wenn auch weniger als früher. Einladend sind auch die sicheren Ruheplätze an Land, denn hier lassen die geschickten Vögel problemlos ihr Gefieder trocknen.

Nahrungsangebot für die Wasservögel sinkt

Mit 105 Paaren gilt das Naturschutzgebiet „Kühkopf-Knoblochsaue“ im Kreis Groß-Gerau aktuell als größte Brutkolonie Hessens, in der Rüdesheimer Aue im Rheingau-Taunus-Kreis hielten sich laut Monitorbericht 2025 insgesamt 99, am Lampertheimer Altrhein immerhin 98 Paare auf. Nach Angaben des Diplom-Biologen Kreuziger konnte sich die Population in Lampertheim wieder etwas stabilisieren, 2024 kamen lediglich 90 Paare. „Wir haben zwar einen relativ hohen Wert. Der liegt aber weit unter den Zahlen, die wir zwischen Anfang der 1990er Jahre und 2006 hatten.“ In manchen Jahren habe man damals mehr als 300 brütende Kormoran-Paare gezählt.

Dass die gefiederten Meistertaucher heute seltener in Lampertheim brüten, hat aus Kreuzigers Sicht mit veränderten Bedingungen zu tun: „Die Wasserstände des Altrheins und der Auengewässer sinken seit Jahren.“ Über die Gründe dafür gibt es verschiedene Meinungen. Manche Fachleute sehen die zunehmende Verschlammung des Altrheins und der angrenzenden Gewässer als Ursache. Was die Existenz von Wassersportvereinen gefährdet, habe auch Auswirkungen auf Flora und Fauna: „Die Bedingungen werden dadurch schlechter, die Region verliert für Vögel an Attraktivität“, sagt Kreuziger.

Flinker Jäger

  • Der Kormoran, ein einst auch in Hessen ausgerotteter Fischjäger , kehrt zurück. Er profitiert vom Artenschutz und vermehrt sich insgesamt wieder – und verärgert Angler. Die Vögel sind hervorragende Jäger, die metertief tauchen , um Fische zu erbeuten. Nach der Jagd sitzen sie mit ausgebreiteten Flügeln am Ufer, um ihr Gefieder zu trocknen.
  • Kormorane sind teilweise Zugvögel. Nicht alle Populationen ziehen in wärmere Regionen. Im Winter kommt ein Teil der Vögel am Altrhein aus Skandinavien . wol

„Auch andere Tiere und bestimmte Pflanzen könnten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten verschwinden“, prognostiziert Klaus Feldhinkel vom Naturschutzbund (Nabu) in Lampertheim. Sicher, die Verschlammung des Altrheins sei ein natürlicher Vorgang, der im Laufe der Zeit ein erneuertes und damit auch ein verändertes Ökosystem befördere. „Gleichzeitig wünschen wir uns natürlich, dass die Tier- und Pflanzenwelt am Altrhein erhalten bleibt. Zumal die Räume insgesamt enger werden“, beschreibt der Naturschützer das Dilemma.

Wasserstände im Rhein sinken

Am Ende hängt die Zukunft des Naturschutzgebietes ohnehin an der finanziellen Situation. Schritte zur Rettung des Altrheins werden seit Jahren diskutiert. Will die Stadt das Gewässer vom Schlamm befreien, bieten sich laut Machbarkeitsstudie nur zwei teure Verfahren an. Kosten für das Ausbaggern lägen jeweils zwischen 13 und 14 Millionen Euro. Hinzu kämen Folgekosten. Eine solche Investition erscheint in Zeiten leerer Kassen eher unwahrscheinlich, lautet der Tenor in der Kommunalpolitik.

Der Ornithologe Peter Petermann engagiert sich ebenfalls für den Nabu. Er sieht vor allem den insgesamt gesunkenen Wasserstand im Rhein als Ursache für die Situation am Altrhein. Tatsächlich waren die Pegel am Rhein in den vergangenen Jahren mehrfach deutlich gesunken und haben zu erheblichen Einschränkungen geführt, vor allem in der Schifffahrt. Besonders im Frühjahr wurden historisch niedrige Pegelstände verzeichnet. „Hauptursachen für die niedrigen Wasserstände sind anhaltende Trockenheit und geringe Niederschläge, aber auch fehlendes Schmelzwasser aus den Alpen“, sagt Petermann. Indes kehrt der einst auch in Hessen beinahe ausgerottete Kormoran in anderen Teilen des Bundeslandes immer öfter zurück. Insgesamt waren in diesem Jahr 18 Kolonien besetzt, in denen 464 Paare brüteten. Damit sind die Wasservögel insgesamt betrachtet wieder so verbreitet, dass sich Angler zunehmend über die Konkurrenz aus der Luft beschweren.

Abschuss der Kormorane soll erleichtert werden

Zwar hatte die damalige Europäische Gemeinschaft die schwarzen Fischjäger schon vor knapp 45 Jahren unter Schutz gestellt. Aber künftig will die schwarz-rote Landesregierung die Tiere wieder auf die Liste der jagdbaren Wildtierarten aufnehmen, was wiederum bei Natur- und Vogelschützern für Widerstand sorgt. Zwar besteht schon seit 2012 die Möglichkeit zum Abschuss der gefiederten Jäger. Das soll nun in der Praxis erleichtert werden. Seit 2012 wurden nach Angaben der zuständigen Unteren Fischereibehörde im Kreis Bergstraße etwa 550 Kormorane abgeschossen, wie der Biologe Josef Kreuziger sagt. Durchschnittlich gab es im Landkreis damit also etwa 50 Abschüsse im Jahr.

Diese konzentrierten sich hauptsächlich auf Gebiete rund um Bensheim, Heppenheim, Lorsch und die Weschnitz im Vorderen Odenwald. Am Lampertheimer Naturschutzgebiet rund um den Altrhein fanden keine Abschüsse statt.

Redaktion

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