Lampertheim. Olaf Schubert zählt unter den deutschen Humoristen ohne Zweifel zu den schrägsten Gestalten. Denn der Mann im karierten Pullunder zählt zu den Comedians, die ihre Pointen bisweilen knochentrocken ins Publikum jagen und ist dafür längst zur Ikone geworden. Der Auftritt des 54-Jährigen in der Lampertheimer Pfeiffer-Halle wurde daher mit großer Begeisterung erwartet – immerhin ist sein Auftritt wegen der Pandemie mehr als eineinhalb Jahre später zu erleben.
Mit „Zeit für Rebellen“ hat der selbst ernannte Betroffenheitslyriker sein aktuelles Programm überschrieben. Nach Lampertheim bringt er seine beiden „Freunde“ Jochen Barkas und Bert Stephan mit - und zeigt bereits in den ersten Sekunden seinen umwerfenden Charme. Denn angesichts des erfreulicherweise restlos ausverkauftes Hauses müssten „ja quasi fast alle Lampertheimeristen und Lampertheimereusen“ anwesend sein, meint er. Welch eine Freude! Da müssen selbst die größten Lokalpatrioten mit Hang zur Genauigkeit beherzt auflachen. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.
Durchs Schuberts Augen erscheint alles lustig in Lampertheim. Das fängt schon bei der großen roten Lampe an, also „dem Gelämp“, das direkt an der Bühne installiert ist. Leuchte dieses „Gelämp“ endlich auf, so Schubert, sei das das unverkennbare Zeichen für absolute Ekstase. Jubel auf Kommando? Bei Schubert funktioniert das jedoch keineswegs ohne entsprechende inhaltliche Grundlage.
Denn nur, weil der Hauptdarsteller des Abends verschroben daherkommt, heißt das keineswegs, dass sich ein Schubert nicht an die drängenden gesellschaftlichen Fragen dieser Zeit wagen würde. Etwa an das dann doch gar (nicht) so opulente Gehalt von Paketzustellern: „Von 1200 Euro im Monat kann man ja wohl gut leben. Halt nicht in Deutschland, aber in der Mongolei. Und zur Arbeit kann man ja wohl pendeln!“ Die rechtsextremen Strömungen in Deutschland, vor allem aber in den neuen Bundesländern, kommentiert er treffend wie bissig: „Es wurde in 30 Jahren nur einmal Begrüßungsgeld gezahlt. Da geht der Arm ja automatisch hoch.“ Und auch in Sachen Bundeswehr ist sich Michael Haubold, wie Schubert eigentlich heißt, diplomatisch gefasst, etwas unsicher, ob die zugesagten 100 Milliarden Euro bei einem russischen Angriff zu absoluter Kampffähigkeit führen werden: „Die einzige Chance zu unserer Rettung wäre, in Polen die Straßenschilder umzudrehen.“
Biss, Mut und Risiko: Daran mangelt es Olaf Schubert nicht. Dass der gelockte Vollzeitphilosoph gestisch, mimisch und letztlich auch im verbalen Vortrag absolut rastlose Ratlosigkeit präsentiert, ganz so, als seien ihm seine Pointen erst Sekunden zuvor eingefallen, trägt dabei zu einem Faszinosum bei, das sich auch in Lampertheim ungebrochen fortsetzt. Genau das trägt auch unverkennbar zum Image des Rebellen bei, der sich schlicht erlaubt, was ihm gefällt.
Während ein Klaps auf den Po einer attraktiven Frau durch seinen Mitmusiker Jochen Barkas eine sexuelle Belästigung sei, würde diese – allein durch ihn – ohne Zweifel „eine Huldigung des Bindegewebes“. Ein Hochmut, der vor dem Fall kommt? Nicht für denjenigen, der zur Erleichterung lüsternen Auslebens kurzerhand das Bundesamt für Männer und Sex (BUMS) schafft und konsequent für Geschlechtergerechtigkeit unter den Umgangsformen der Beleidigungen sorgt. „Wenn schon Bullenschwein, dann bitte auch Bachensau!“
Schubert kostet die ausgelassene Stimmung in Lampertheim sichtlich aus und muss – wie sonst nur selten – tatsächlich selbst über die Wucht seiner eigenen Episoden lachen. Was nebenbei auch dazu beiträgt, dass gesungene Anleitungen zum Sexualunterricht wie „Mirko und Sabine“ nicht nur inhaltlich herrlich schlüpfrig daherkommen, sondern auch akustisch so skurril wirken wie einst „Da Da Da“. Ob das die Perfektion humoristischer Rebellion ist? Der fast schon frenetische Beifall einer am Ende euphorisierten Hans-Pfeiffer-Halle bedeutet: Und wie!
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