Lampertheim/Hofheim. Es war ihr schon immer ein Anliegen, sich um andere zu kümmern, nicht umsonst hat sie eine Ausbildung zur Pädagogin gemacht, leitete zehn Jahre das Katholische Familienzentrum im Lampertheimer Stadtteil Hofheim. „Die Arbeit mit und für die Kinder hat viel Spaß gemacht, ich hatte ein tolles Team, konnte die Einrichtung ausbauen“, erzählt Heike Kissel-Eltrop. Trotzdem suchte sie vor zwei Jahren nach einem neuen Ziel. „Ich wollte noch mal etwas anderes machen bis zur Rente, dachte, ich werde noch wo anders gebraucht.“
Mit dem Thema Gewalt gegen Frauen hatte sich die heute 54-Jährige schon lange beschäftigt - etwa als sie gemeinsam mit Anette Jansen eine Foto-Ausstellung erarbeitete, die die beiden 2022 im Kulturzentrum Altes Haus zeigten. Vor einem Jahr entdeckte sie dann eine Stellenanzeige für das Projekt „Second Stage“, das eine Mitarbeiterin suchte, um in der Region um die rheinhessische Stadt Alzey und den nordpfälzischen Donnersberg-Kreis ab Januar 2024 starten zu können.
Die Frauen gehen erst einmal in die Anonymität
Das Projekt unterstützt ehemalige Frauenhausbewohnerinnen und ihre Kinder beim schwierigen Weg wieder zurück in ein möglichst normales, selbstbestimmtes Leben. Bis zu zwölf Monate können die Frauen dabei in einer Übergangswohnung leben und werden in dieser Zeit bei der Neustrukturierung des Alltags beratend unterstützt. Frauen bei diesem wichtigen Schritt zur Seite stehen: Das wollte Heike Kissel-Eltrop und bewarb sich.
Aktionen gegen Gewalt
- Der 25. November ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen.
- Die stellvertretende Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte in Lampertheim, Nina Hartmann, lädt deshalb an diesem Tag gemeinsam mit Bürgermeister Gottfried Störmer um 11 Uhr zum Hissen der Fahne der UN-Women-Kampagne „Orange the World“ am Lampertheimer Stadthaus ein.
- Die Fahne soll ein weit sichtbares Zeichen gegen Gewalt und für ein gleichberechtigtes, selbstbestimmtes und freies Leben von Mädchen und Frauen sein.
- Am Montag, 25. November, gibt es ebenfalls eine Fahnen-Aktion um 16.30 Uhr vor dem Rathaus in Bürstadt.
- In Viernheim wurde die Fahne bereits am Freitag gehisst und mit der Kunstaktion „Rote Schuhe“ verbunden.
Anfang des Jahres stieg sie dann in das Projekt ein. Fast zeitgleich kam eine Hilfesuchende ins Frauenhaus des Donnersberg-Kreises. Wo es sich genau befindet, ist - wie bei diesen Einrichtungen üblich - geheim. Frauen können dort anonym untertauchen, so dass sie ihre Peiniger nicht finden können.
Das bedeutet aber auch, dass manchmal für den Aufenthalt dort die Kontakte zum sonstigen sozialen Umfeld ebenfalls nahezu gekappt sind. „Das Handy muss beispielsweise ausgeschaltet bleiben, das Auto darf nicht in der Nähe des Frauenhauses geparkt werden. Denn so soll eine Ortung verhindert werden“, erklärt Heike Kissel-Eltrop.
Im Frauenhaus selbst haben Betroffene die Möglichkeit, sich körperlich und psychisch von den Gewalterfahrungen zu erholen - meist zusammen mit ihren Kindern. Dort, im geschützten Raum, treffen sie auf Frauen, die ähnliches erlebt haben. Damit gibt es gegenseitiges Verständnis. „Und die Unterstützung von uns Sozialarbeiterinnen kommt dazu“, so Kissel-Eltrop.
Die Zeit im Frauenhaus ist allerdings nicht unendlich. Irgendwann muss jede Betroffene entscheiden, wie es weitergehen soll. Manche gehen wieder zurück in ihr altes Umfeld, hoffen, dass sich alles zum Besseren wendet. „Meist ein Trugschluss“, bedauert die Hofheimerin.
Bewohnerinnen einer solchen Übergangswohnung.
Andere wollen einen Schnitt machen, endlich auf eigenen Beinen stehen. Doch leicht ist das nicht. Daher bietet „Second Stage“ sogenannte Übergangswohnungen. Für Alzey und den Donnersberg-Kreis gibt es inzwischen zwei. Die hat Heike Kissel-Eltrop mit Hilfe der Baugenossenschaft vor Ort gefunden und sie in der ersten Jahreshälfte 2024 eingerichtet. Die Frau, die zu Anfang ihres neuen Jobs ins Frauenhaus kam, ist nun zusammen mit ihrem kleinen Kind eine der ersten
Hilfe bei sexueller oder häuslicher Gewalt
Egal, ob Sie selbst, Angehörige oder Personen in Ihrem Freundeskreis von häuslicher Gewalt betroffen sind: Es gibt Möglichkeiten für Hilfe. Unter folgenden Telefonnummern und auf folgenden Internetseiten finden Sie Beratung und Unterstützung.
Bundesweit
Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist eine anonyme und kostenfreie Beratung für Betroffene, Angehörige, Freunde und Fachkräfte.
- Telefon: 08000 116 016
- Website: www.hilfetelefon.de
Opfer-Telefon des Weissen Rings
Unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion, Staatsangehörigkeit und politischer Überzeugung erhalten Opfer oder Zeugen von Kriminalität bei uns schnelle und direkte Hilfe.
Bundesweit. Kostenfrei. Anonym. Ein Hilfsangebot des WEISSEN RINGS: 7 Tage die Woche von 7 bis 22 Uhr.
Telefon: 116 006
Website: www.weisser-ring.de/hilfe-fuer-opfer/onlineberatung
In der Region
Frauenhaus des Mannheimer Frauenhaus e. V.
Das Frauenhaus bietet Schutz für Frauen und deren Kinder vor Gewalt und Bedrohung in akuten häuslichen Gewaltsituationen. Die Mitarbeiterinnen beraten Betroffene bei der Lösung persönlicher Probleme und der Verarbeitung der Gewalterfahrungen.
- Telefon: 06 21 74 42 42
- E-Mail: fachbereich-frauen@frauenhaus-fiz.de
- Website: www.frauenhaus-fiz.de
Fraueninformationszentrum des Mannheimer Frauenhaus e. V.
Im Fachinformationszentrum des Mannheimer Frauenhauses werden Frauen zum Wohnungsverweis und Gewaltschutzgesetz nach häuslicher Gewalt, Unterstützung in schwierigen Trennungs- und Scheidungssituationen und bei Stalking beraten.
- Telefon: 0621 37 97 90
- E-Mail: fiz@frauenhaus-fiz.de
- Website: www.frauenhaus-fiz.de/fraueninformationszentrum
Frauen- und Kinderschutzhaus Heckertstift des Caritasverband Mannheim e. V.
Hier finden Frauen und deren Kinder Schutz, die sexuelle, körperliche oder seelische Gewalt erlebt haben oder davon bedroht sind, sowie für Frauen, die von einer Zwangsheirat betroffen oder bedroht sind.
- Telefon: 0621 411068 oder über die kostenlose Hotline 0800 1008121
- E-Mail: heckertstift@caritas-mannheim.de
- Website: www.caritas-mannheim.de
Ehe-, Familien- und Lebensberatung Mannheim
Die Familienberatung Mannheim berät bei körperlicher, psychischer, seelischer oder sexualisierter Gewalt. Zudem finden Betroffene hier Hilfe bei Ehe- bzw. Partnerschaftsproblemen oder Familienkonflikten.
- Telefon: 0621 155333
- E-Mail: info@eheberatung-mannheim.de
- Website: www.eheberatung-mannheim.de
Gewaltambulanz am Uniklinikum Heidelberg (Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin)
Opfer von Gewalt können sich hier kostenlos rechtmedizinisch untersuchen lassen. Die Mitarbeiter dort sichern Spuren bei Gewalttaten. Es besteht keine Pflicht, die Täter anzuzeigen. Die Gewaltambulanz ist 24 Stunden erreichbar.
- Telefon: +49 152 54648393
- Website: www.klinikum.uni-heidelberg.de/gewaltambulanz
Weitere Stellen in der Region auf der Seite der Stadt Mannheim.
„Der erste Schritt zurück in die Normalität ist beispielsweise, dass wieder der eigene Name an der Klingel steht“, erklärt die „Second Stage“- Mitarbeiterin. Das macht ein Stück weit selbstbewusst, mitunter aber auch ängstlich. Die Wohngemeinschaft des Frauenhauses ist nun nicht mehr da - und immer wieder stellt sich die bange Frage: „Schaff ich das alleine?“
Das Telefon bleibt für Hilfesuchende auch nachts an
„In dieser Situation darf ich den Frauen bei regelmäßigen Besuchen zur Seite stehen“, erläutert Heike Kissel-Eltrop ihre neue Aufgabe. Dazu gehört beispielsweise die Hilfe bei Behördengängen, die Unterstützung beim Besuch des Jobcenters, das Begleiten zur Krabbelgruppe oder zur Kita. „Aber auch Ansprechpartnerin zu sein, wenn Unsicherheiten um sich greifen, ist in dieser Phase wichtig“, sagt die Hofheimerin. „Mein Diensthandy lasse ich dafür immer an. Die Frauen sollen mich zur Not selbst nachts erreichen können.“
Ihre vielfältigen Aus- und Weiterbildungen zur Erzieherin, Kunsttherapeutin, Supervisorin und Trauma-Fachberaterin helfen Heike Kissel-Eltrop an ihrem neuen Arbeitsplatz. „Manches hatte ich mir trotzdem einfacher vorgestellt“, gibt sie zu. Das Erlebte an so manchem Arbeitstag, muss auch sie verdauen. Dabei hilft ihr die räumliche Distanz, die Autofahrt zurück ins Ried in ihre „private Welt“.
„Trotzdem bin ich mit ganzem Herzen bei der Sache“, betont Heike Kissel-Eltrop. „Mir ist es eine Ehre, Frauen in Not schützen, ihnen gleichzeitig aber auch neue Perspektiven geben zu können - für sie Mutmacherin zu sein.“ Mit Gewalt dürfe sich niemand abfinden. „Ein Neubeginn“, so sagt sie, „ist immer möglich.“
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