Tierschutz

Haushaltsgummis und Plastikteile gefährden Lampertheimer Störche

In der Spargelstadt und der Region sterben plötzlich Vögel. Tier- und Naturschützer vermuten, dass das mit Müll auf den Feldern zusammenhängt

Von 
Rosi Israel
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Tüten und Plastikschnüre verwenden die Störche zum Bauen ihrer Nester. © Rosi Israel

Lampertheim. Als Klaus Hillerich, der ehrenamtliche Weißstorch-Betreuer, vor einigen Wochen im Vogelpark die Küken beringt, findet er in einem Storchen-Nest eine Handvoll bunte Haushaltsgummis. Dieser Fund treibt ihm die Sorgenfalten auf die Stirn. Er nimmt an, dass es sich um Gewölle handelt. „Die Gummis wurden vermutlich von Störchen heruntergeschluckt und später ausgewürgt, da sie unverdaulich sind.“

Immer wieder entdeckt Hillerich in oder unter Horsten in Lampertheim und Umgebung Artikel aus Latex. „Außerdem verwenden Störche gerne versplisste Plastikschnüre als Nistmaterial“, erzählt er.

Weil die Tiere für die Nahrungssuche über die Felder staksen, nimmt Hillerich an, dass die Gummis und Kunststoffteile von dort stammen. Die Großvögel bevorzugen feuchte Lebensräume. „Dort finden sie ihre Nahrung“, erklärt der Experte. Darum seien sie oft in der Nähe von Beregnungsanlagen auf den Äckern unterwegs. Hillerich sagt: „Wenn dort Gummiringe liegen, werden diese als Regenwürmer angesehen.“ Weil Störche auch weitere Strecken fliegen, könnten die gefährlichen Teile auch aus der Region stammen. Hillerich appelliert an Landwirte und Erntehelfer: „Gummis und Schnüre dürfen nicht liegenbleiben.“

Auf Nachfrage, wie es um die Gesundheit der Weißstörche im Vogelpark steht, antwortet der Erste Vorsitzende Stephan Germann: „Ein Storch lag tot im Nest. Da es für uns nicht erreichbar ist, ist die Todesursache unklar. Gummiringe finden wir häufig um die Nester herum.“

Auch andernorts ein Thema

Die Naturschützerin Anke Diehlmann von der Lampertheimer Nabu-Gruppe ist von besorgten Bürgern ebenfalls auf das Thema angesprochen worden. Sie und der Vogelexperte Dieter Melchior möchten auf die Gefahren von Gummi- und Kunststoffteilchen in der Natur aufmerksam machen.

Diehlmann hat festgestellt, dass sich immer mehr Naturschützer, Ornithologen, Journalisten und Fotografen mit dem Thema beschäftigen. In Tageszeitungen und sozialen Netzwerken würden schockierende Fotos und Texte veröffentlicht. In einem Zeitungsbericht aus der Region Chemnitz ist zu lesen, dass sich in Storchennestern qualvolle Dramen abspielten: „Die Jungvögel verenden mit dem Magen voller Haushaltsgummis.“

Der Ornithologe Kai Schaarschmidt untersuchte Überreste eines Storches und fand fast nur Gummis im Magen. Jens Börner von der dort ansässigen Unteren Naturschutzbehörde denkt, wegen der anhaltenden Trockenheit fehlten Regenwürmer als Nahrungsquelle. Er vermutet, dass die Störche die Gummis von gebündelten Gemüseabfällen auf einer Kompostieranlage gefressen haben.

„Aber welche Quelle kommt für Lampertheim in Frage?“, fragt sich Anke Diehlmann. Die Naturschützerin hat Informationen aus Böhl-Iggelheim. Dortige Naturschützer vermeldeten, dass ein Storch wegen verschluckter Gummis gestorben sei. Eine Naturfreundin teilte ihren Beitrag in Facebook „Was passiert, wenn auf den Feldern Lauch und Co. mit Gummibändern zusammengehalten werden?“ Einige Facebook-Nutzer vermuten: „Die todbringenden Gummis werden einfach liegengelassen.“

Kompostabfälle im Verdacht

Ein Vogelschützer hatte einem Storch den Bauch aufgeschnitten, nachdem das Tier eingeschläfert worden war, um es vor dem qualvollen Tod zu schützen. Eine Unmenge von Gummiringen förderte er zutage, schreibt die Autorin Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim.

Auch Diehlmann sieht Handlungsbedarf. Die Lampertheimerin nahm Kontakt mit anderen Naturschützern auf, wie mit dem Nabu Rüsselsheim. Dort im Gebiet sei festgestellt worden, dass ein Bauer mit Gummis gebündelte Radieschen entsorgt hatte. „Ich möchte die Lampertheimer sensibilisieren, keine Gummis und Plastikteile liegen zu lassen, und darum bitten, die Augen nach einer möglichen Quelle offen zu halten“, sagt Naturschützerin Diehlmann.

Willi Billau, Lampertheimer Landwirt und Vorsitzender des Regionalbauernverbands Starkenburg, kann sich vorstellen, dass gebündelte Kompostabfälle die Ursache sein könnten.

Stefan Böttcher vom gleichnamigen Gartenbaubetrieb in Bürstadt, der zahlreiche Felder in Lampertheim bewirtschaftet, will seinen Betrieb kontrollieren. Die verwendeten Gummibänder sollten nicht bei den Störchen landen und ihnen schaden.

Freie Autorin

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