Lampertheim. Plötzlich sagt eine Frau Treffen ab, reagiert schreckhaft, ist in sich gekehrt oder trägt auch bei bewölktem Wetter eine Sonnenbrille. „All das können Anzeichen für häusliche Gewalt sein“, sagt Sonja Niederhöfer, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Lampertheim. In so einem Fall komme es auch auf die Menschen aus dem Umfeld an. „Nachbarschaft, Kollegenkreis, Familie, Freundinnen und Freunde sind dann aufgerufen, nicht wegzuschauen, sondern vielmehr Hilfe zu organisieren.“
Ansprechpartner informieren
Aus diesem Grund wendet sich die Lampertheimer Veranstaltung zum internationalen Gedenktag „Nein zu Gewalt an Frauen“ nicht nur an Betroffene. „Das Thema geht alle an“, ist Sonja Niederhöfer überzeugt.
Für Freitag, 18. November, hat sie zusammen mit der Frauenbeauftragten aus Bürstadt, Gerasimoula Grigoraki, einen Informationsabend im Lampertheimer Stadthaus organisiert. Dieser beginnt um 18.30 Uhr mit dem Hissen der blauen Fahne von Terre des Femmes, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für Frauenrechte einsetzt.
Die Fahne soll auch in den folgenden Tagen vor dem Gebäude wehen. Denn eigentlich ist der Gedenktag erst am 25. November. Aus terminlichen Gründen wurde er im Ried vorverlegt.
Nach kurzer Ansprache von Bürgermeister Gottfried Störmer soll es am Freitag im Sitzungssaal des Stadthauses mit weiteren Informationen zu den Themen häusliche Gewalt und Ehrgewalt weitergehen. „Dazu werden etliche Ansprechpartner vor Ort sein“, kündigt Niederhöfer im Gespräch mit dieser Redaktion an. Beispielsweise vom Verein Frauenhaus Bergstraße, von der Polizei, von der Lampertheimer kfd (Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands), von der Beratungs- und Interventionsstelle Bergstraße „Häusliche Gewalt gegen Frauen“ und von Mäander, einem gemeinnützigen Träger der Ambulanten Jugendhilfe in Darmstadt.
Um 19 Uhr wird schließlich der Film „Nur eine Frau“ gezeigt. Darin erzählt Regisseurin Sherry Hormann vom Leben und Tod der Berlinerin Hatun Sürücü. Die junge Frau mit kurdischen Wurzeln wurde 2005 Opfer eines sogenannten Ehrenmordes. Einer ihrer Brüder erschoss sie an einer Bushaltestelle in Berlin-Tempelhof, weil er durch ihr freies und selbstständiges Leben die Ehre der Familie beschmutzt sah.
Sind solcherlei Taten vor allem ein Thema in den Metropolen? Mitnichten, meint Hannah Esken. Auch im Kreis Bergstraße gebe es Ehrgewalt, erklärt die Sozialarbeiterin von der Beratungs- und Interventionsstelle „Häusliche Gewalt gegen Frauen“ auf Nachfrage. Allerdings seien ihr bislang solche Fälle weder aus Lampertheim noch aus Bürstadt oder Biblis bekannt.
„Gewalt gegen Frauen und Mädchen gibt es jedoch in allen Schichten“, betonen Esken und Niederhöfer unisono. Schlimm sei, dass viele dieser Übergriffe gerade auch zu Hause stattfänden. „Ausgerechnet daheim, wo sich doch jeder eigentlich besonders sicher fühlen sollte“, so die Lampertheimer Frauenbeauftragte.
Ob die Fälle von häuslicher Gewalt in der Corona-Zeit – vor allem während der Lockdown-Phasen – im Ried gestiegen seien, können die beiden Ansprechpartnerinnen nicht mit Sicherheit sagen.
Der Kommunikationsweg aber habe sich verändert, sagt Sonja Niederhöfer. Weil das Stadthaus in der Pandemie lange geschlossen war, erreichten sie vermehrt Mails, und sie führte mehr Telefonate als zuvor.
Anzeigen und Polizei-Einsätze
Überhaupt aber ließen sich derartige Delikte nur schwer beziffern. Fest stehe jedoch, dass die Polizei in den vergangenen Jahren jeweils zwischen 20 und 26 Mal wegen Fällen von Gewalt in den eigenen vier Wänden in die Lampertheimer Kernstadt beziehungsweise in die Stadtteile gerufen wurde – oder es entsprechende Anzeigen gab. „Die Dunkelziffer“, so betont Sonja Niederhöfer, „liegt allerdings mit Sicherheit sehr viel höher“.
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