Lampertheim. Wenn Kerstin Biehal mit ihrem Bollerwagen durchs Quartier zieht, ist sie in ihrem Element. So wie an diesem Dienstag, als sie eine Kanne Kaffee, Tee, Tassen und Gebäck einpackt, um zur Lampertheimer Tafel zu laufen. Regelmäßig sucht die Sozialpädagogin hier den Kontakt zu den Menschen, die in der östlichen Kernstadt Lampertheims leben und auf Unterstützung angewiesen sind.
Davon gibt es in den Wohngebieten östlich der Bahnlinie vom Europaring bis zum Guldenweg und in dem Areal zwischen Florian-, Neuschloß- und Alte Viernheimer Straße viele. Weil ihr Frust sich zunehmend in besorgniserregenden Wahlergebnissen niederschlug, wurde hier die Gemeinwesenarbeit (GWA) installiert. Kerstin Biehal ist ihr Gesicht. Bis vor Kurzem hatte sie mit Franziska Wolff noch eine Kollegin zur Seite. Die hat sich allerdings beruflich neu orientiert, so dass seit November eine halbe Stelle vakant ist.
Biehal hat für die vielfältigen Aufgaben der Gemeinwesenarbeit, die einem Fass ohne Boden gleicht, ebenfalls nur eine halbe Stelle zur Verfügung. Mit einer zweiten halben Stelle arbeitet sie seit vielen Jahren bei der Jugendberufshilfe. Beides liegt in der Trägerschaft der Regionale Diakonie Bergstraße, und immer geht es darum, denen zu helfen, die Probleme haben, sich zu orientieren, sich zurechtzufinden, ihren Alltag zu meistern, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Eine Aufgabe: an zuständige Stellen vermitteln
Diesen Menschen erste Hilfe anzubieten und weitere zu vermitteln ist ein zentraler Punkt der Gemeinwesenarbeit. Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche – alle sollen erleben, dass sie mit ihren Sorgen und Nöten nicht allein gelassen werden. Sie sollen erfahren, dass es Möglichkeiten gibt, Unterstützung zu erhalten. Das kann schon damit anfangen, den Weg zu zuständigen Stellen zu vermitteln. Denn oft bieten Staat, Kirchen, Vereine, Selbsthilfegruppen oder andere Institutionen Hilfe an – doch ebenso oft wissen die, die sie brauchen, nichts davon.
Diese Form der Unterstützung ist aber nur ein Aspekt der GWA. Mindestens genauso wichtig ist es, gemeinschaftsstiftend zu wirken. Denn ein funktionierendes Gemeinwesen entsteht nicht von allein. Und gerade in Wohngebieten, in denen viele Menschen leben, die existenzielle Sorgen haben und auf Sozialleistungen angewiesen sind, bleibt oft wenig Zeit und Gelegenheit, sich um ein gutes Miteinander zu kümmern. In Wohnblocks leben viele anonym nebeneinander unter einem Dach. Fremde Sprachen und Kulturen stellen hohe Barrieren dar. Begegnungen verlaufen nicht immer harmonisch.
Genau hier setzt die GWA an. Denn es geht darum, Konflikte zu vermeiden, für die Menschen im Quartier eine Nachbarschaft zu schaffen, in der sich alle wohlfühlen. Daran arbeitet Biehal seit dem Frühjahr 2022, als die GWA eingerichtet wurde, und sie ihr Büro im Elsterweg bezogen hat. Und seither stellt die Sozialpädagogin einmal im Jahr im Sozial-, Bildungs- und Kulturausschuss der Stadtverordnetenversammlung vor, was die GWA geleistet hat und welche Pläne es gibt.
2024 legte sie den Fokus wie schon zuvor auf die Begegnung mit den Menschen im Quartier. Dazu zählen die „Tafelrunde“, wie die regelmäßigen Besuche bei der Ausgabestelle heißen, das Programm „Kreuz und quer durchs Quartier“ mit Aktionen an unterschiedlichen, gut frequentierten Orten und das Quartierfest am Tag der Nachbarn im Mai. Das fand in diesem Jahr auf dem Spielplatz Heideweg statt und kam gut an. „Vor allem darüber, dass eine Band kam und Musik machte, haben sich viele Besucher gefreut. Dass das jemand für sie organisiert hat, haben sie als sehr wertschätzend erlebt“, erinnert sich Biehal an diesen Tag.
Neben der Begegnung sind Bildung und Information weitere Themen. So haben Biehal und Wolff die Ausbildung von Gesundheitslosen begleitet, ein Rollatortraining organisiert und den Arbeitskreis Demenz vorgestellt. Außerdem gab es einen Vortrag über Nachbarschaftshilfe.
Um herauszufinden, welche Angebote und Ideen richtig sind, haben Biehal und Wolff auch in diesem Jahr wieder eine Befragung durchgeführt. 521 Haushalte – dieses Mal vor allem in den Hochhäusern – haben sie abgeklappert und wollten von Bewohner wissen, wie es ihnen geht, was sie brauchen, was sie sich wünschen und wie sie selbst sich vielleicht einbringen könnten.
Nichts, wo sich schnell Ergebnisse vorweisen lassen
Die aufsuchende Arbeit ist neben dem Netzwerken zentral für eine funktionierende GWA. „Wir müssen uns noch bekannter machen“, sagt Biehal. Langfristig träumt sie von einem selbst verwalteten Nachbarschaftszentrum. „Das kann gelingen, wenn entsprechende Räume und ausreichend Ressourcen vorhanden sind.“ Grundsätzlich habe die GWA Potenzial für mindestens 1,5 Stellen. Biehal hat viele Ideen, wie es gelingen kann, sie im besten Falle überflüssig zu machen. Bis dahin brauche es einen langen Atem. Gemeinwesenarbeit sei nichts, wo schnell Ergebnisse vorgezeigt werden können. Es sei für sie einer der anspruchsvollsten Jobs überhaupt, aber es mache Spaß, auf Augenhöhe mit den Menschen zu arbeiten.
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