Lebensberatung

Familien in Südhessen überfordert: Unkomplizierte Hilfe gefragt

Es ist ein Alarmsignal: Auch nach Corona bleiben die Fallzahlen der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Lampertheim hoch. Wieso das so ist, wurde bei der Vorstellung des Jahresberichts angesprochen.

Von 
Stephen Wolf
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Der Umgang mit Trennungsängsten und Fragen zur Erziehung der Kinder gehören zu den Themen, um die es in der Beratungsstelle oftmals geht. © dpa

Lampertheim. Die Fallzahlen der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche bleiben weiterhin auf einem hohen Niveau. Das teilte Frank Occhionero, Leiter der Einrichtung, bei der Vorstellung des Jahresberichts 2023 in Lampertheim mit. Seinen Angaben zufolge ließen sich im vergangenen Jahr 808 Menschen beziehungsweise Familien von den Fachleuten bei Problemen helfen. Damit bleibe die Zahl der Klienten auch nach dem Ende der Corona-Pandemie hoch.

Gesellschaftliche Entwicklungen fordern den Familien einiges ab

Aufgrund der Nachwirkungen der Pandemie registrierte die Beratungsstelle im Jahr 2022 bereits einen Anstieg auf 804 Fälle. Das waren etwa 30 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor: 2021 hatten sich 619 Erwachsene, Kinder und Jugendliche an die Beratungsstelle gewandt. Anders als zunächst angenommen, sanken die Zahlen nach der Pandemie 2023 allerdings nicht. Und das, obwohl die schwierige Zeit der sozialen Isolation bereits vorüber war. „Wir vermuten, dass die Zahlen auch weiterhin ähnlich hoch bleiben“, sagte Occhionero vergangene Woche in Lampertheim.

Frank Occhionero (v.l.), Matthias Schimpf und Kai Kuhnert © Stephen Wolf

Das legten Fallzahlen nahe, die man bereits in den ersten Monaten dieses Jahres erreicht habe. „Corona hat womöglich etwas beschleunigt, was ohnehin schon da war“, fügte der Psychologe als mögliche Begründung hinzu. „Denn schon länger - und auch zunehmend - fordern vielerlei gesellschaftliche Entwicklungen den Familien Ressourcen ab.“ Zu nennen seien beispielsweise die oft schwierige Organisation der Kinderbetreuung, zunehmende Unterschiede mit Blick auf gesellschaftliche Werte sowie finanzielle Probleme. Auch die Digitalisierung - Stichwort soziale Netzwerke - sowie Veränderungen in der Arbeitswelt und zunehmende Vereinzelung sorgten für Belastungen. Gerade in der Beratungsstelle erlebe man, wie sich das auf Familien, vor allem auf Kinder und Jugendliche, auswirke.

Doch was sagen die Zahlen aus dem vergangenen Jahr außerdem? Der größte Teil der Hilfesuchenden kommt mit 96 Prozent aus der Riedregion. Konkret stammen die meisten Klienten aus Lampertheim und stellen etwa 44 Prozent. Aus Viernheim - wo es eine Außenstelle gibt - kommen etwa 28 Prozent der Menschen, aus Bürstadt 13 Prozent und aus Biblis acht Prozent.

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Interessant ist der Blick auf die Statistik auch, wenn es um konkrete Anliegen geht. Bei den beiden Hauptthemen geht es den Angaben zufolge um Erziehungsfragen der Eltern sowie um den Bereich „Trennungen, Scheidung und Verlust“. Während 298 Eltern mit Blick auf das Thema Erziehung um Rat baten, kamen 228 Klienten unterschiedlicher Altersgruppen aufgrund von Verlust- und Trennungsängsten in die Beratungsstelle. Dabei falle auf, so Occhionero, dass bei zahlreichen Müttern und Vätern eine gewisse Verunsicherung im Umgang mit dem Nachwuchs herrsche. Etwa wenn es um klare Positionen im täglichen Umgang geht. Das sei ein Problem, da Mädchen und Jungen auf Orientierung angewiesen seien, die normalerweise Eltern vermittelten.

Neben Schwierigkeiten, die zum Beispiel durch Konflikte und Überlastung im Familienalltag entstehen, spielen heute auch Ängste - etwa aufgrund des sich ändernden Klimas oder wegen des Kriegs in der Ukraine - eine große Rolle. „Das wirkt sich auf den Alltag etlicher Familien negativ aus“, sagte Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf (Grüne), der zur Vorstellung des Jahresberichts nach Lampertheim gekommen war und die Bedeutung der Beratungsstelle würdigte. „Vor allem möchte ich betonen, dass es sich um ein Hilfsangebot handelt, auf das Menschen in Not in allen Lebenslagen recht einfach zugreifen können“, fügte Schimpf hinzu. Der Kreis beteilige sich finanziell an der Beratungsstelle, da gesellschaftliche Verantwortung zur Selbstbeschreibung gehöre. Kai Kuhnert, Leiter des Kreis-Jugendamts, hob die Grundprinzipien der Einrichtung hervor. Etwa zählten Vertraulichkeit und Schweigepflicht sowie Gebührenfreiheit und Freiwilligkeit der Teilnahme zu den wichtigen Voraussetzungen für gute Arbeit. Fachleute der Beratungsstelle sind auch in Kindertagesstätten aktiv. So haben sie im vergangenen Jahr insgesamt 36 Einrichtungen in Biblis, Bürstadt, Lampertheim und Viernheim beraten.

Neben Erziehungsfragen stehen indes auch andere Aspekte auf der Agenda der Mitarbeitenden. So ist auch die Ehe-, Familien und Lebensberatung des Diakonischen Werks Bergstraße ein wichtiger Teil der Einrichtung. Wie es im Jahresbericht heißt, widmeten sich die Mitarbeiter 2023 insgesamt 47 Ehe- und Paarberatungen, außerdem 27 Lebensberatungen und fünf Familienberatungen. Genau genommen handelt es sich also um zwei Beratungsstellen unter einem Dach. Die Ehe- und Lebensberatung wird von der Kirche sowie aus Spenden finanziert, für die Beratung von Eltern, Kindern und Jugendlichen kommt der Kreis auf.

Rufnummer: 06206/ 910 411

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