Lampertheim. Die durch den Krieg in der Ukraine drohende Energiekrise sorgt dafür, dass Länder, Kommunen und Firmen verstärkt Gas und Strom einsparen müssen. Frank Kaus, Geschäftsführer des Unternehmens Energieried, spricht im Interview mit dieser Redaktion darüber, wie sich die Situation entwickeln könnte.
Herr Kaus, die Gaspreise steigen stetig. Die Frage wird drängender, wie sich möglichst viel Energie einsparen lässt. Das sorgt für Verunsicherung. Melden sich viele Kunden bei Ihnen?
Frank Kaus: Abgesehen von einigen gewerblichen Verbrauchern gab es bisher keine Nachfragen hinsichtlich der künftigen Verfügbarkeit von Erdgas. Verunsicherung besteht allerdings mit Blick auf die weitere Preisentwicklung. Auch interessieren sich die Menschen für mögliche Alternativen zum Erdgas, das zur Beheizung von Bestandsgebäuden genutzt wird.
Ist es möglich, dass wir im Winter in kalten Wohnungen sitzen?
Kaus: Geschützte Verbraucher wie etwa private Haushalte, Krankenhäuser und Pflegeheime sind nach dem Energiewirtschaftsgesetz zunächst nicht betroffen. Erst nachdem der Gasbezug nicht geschützter Kunden vollständig angepasst oder die Anpassung verlangt wurde, ist der Gasbezug von systemrelevanten Gaskraftwerken einzuschränken; geschützte Kunden sind zuletzt zu kürzen. Mittlerweile hat hierzu eine Diskussion in der Politik und der Industrie begonnen, ob nicht auch die privaten Haushalte ihren Beitrag zur Energieeinsparung leisten müssen, um den wirtschaftlichen Schaden – bei einem weiteren Ausbleiben von Gaslieferungen – für den Industriestandort Deutschland zu begrenzen.
In letzter Konsequenz könnte also auch in privaten Haushalten das große Bibbern einsetzen?
Kaus: Nur in extremen Situationen, wenn ein Gaslieferstopp und ein langer und kalter Winter zusammenwirken, kann auch die Versorgung der Haushalte schwierig werden. Ob die Gas-Pipeline Nord Stream 1 nach den Wartungsarbeiten wieder in Betrieb genommen wird, ist unsicher. Davon abgesehen könnte Russland jederzeit einen Gasstopp für Deutschland verfügen.
Welche Bereiche wären besonders betroffen, wenn die Gasversorgung nicht mehr gewährleistet wäre?
Kaus: Im Falle einer Gasmangellage wären zuerst die nicht geschützten Großverbraucher aus Industrie und Gewerbe von einer Leistungsmessung betroffen. Diese Verbraucher müssten dann von Energieried dazu aufgefordert werden, je nach Ausmaß der Gasmangellage entweder auf alternative Brennstoffe wie etwa Heizöl auszuweichen oder den Gasverbrauch durch Anpassung der Produktionsprozesse zu reduzieren. Im Extremfall muss die Produktion komplett eingestellt werden.
Damit nicht genug. Viele Städte und Gemeinden sind noch immer vom Erdgas abhängig. Womit müssen wir in den kommenden Monaten rechnen?
Kaus: Die Kommunen haben damit begonnen, in bestimmten öffentlichen Einrichtungen wie etwa in Turnhallen, Bibliotheken aber auch in Schwimmhallen den Erdgasverbrauch zu reduzieren, indem der Sollwert der Raumtemperatur gesenkt wird, beziehungsweise die Warmwassererzeugung ausgeschaltet wird.
Haben Sie bei Energieried eigentlich einen Krisenstab aufgebaut?
Kaus: Nachdem das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im März die Frühwarnstufe Gas ausgerufen hat, haben wir von Energieried in der Tat einen Krisenstab einberufen. Zeitgleich wurde mit den Großverbrauchern aus Industrie und Gewerbe im Versorgungsgebiet Kontakt aufgenommen. In Abhängigkeit des Verbrauchsverhaltens und in enger Abstimmung mit den Großverbrauchern wurde die Reihenfolge einer möglichen Reduzierung oder gar die komplette Einstellung des Gasverbrauchs für den Fall einer Mangellage inzwischen festgelegt. Die Gespräche verliefen sachlich und konstruktiv. Den großen Verbrauchern ist die besondere Situation bewusst. Es wurde früh damit begonnen, sich auf einen möglicherweise drohenden Gasmangel einzustellen.
Wie können Verbraucher dazu beitragen, Gas zu sparen?
Kaus: Der Appell, Energie zu sparen, sollte zwischenzeitlich auch im letzten Winkel unseres Landes angekommen sein. Auch wenn für die Entwicklung der Preise noch keine seriöse Vorausschau möglich ist, viele Wissenschaftler und Branchenkenner gehen davon aus, dass uns hohe Energiepreise noch lange begleiten werden. Bürger sollten also im eigenen Interesse motiviert sein, den Verbrauch fossiler Energieträger zu reduzieren. Jede eingesparte Kilowattstunde Erdgas macht Deutschland unabhängiger von russischen Gaslieferungen. Auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gibt es übrigens Tipps zur Einsparung von Gas in privaten Haushalten.
Wie kann eine Firma, sagen wir beispielsweise die Energieried, kurzfristig Energie einsparen?
Kaus: Der neue Firmensitz der Energieried am Wilhelm-Herz-Ring in Lampertheim wird mit Hilfe einer Wärmepumpe in Verbindung mit Luft-Solar-Absorbern und eines sogenannten Eisspeichers beheizt oder gekühlt. Erdgas wird nur noch von einer Brennwerttherme zur Warmwassererzeugung einiger Duschen benötigt. Das Gerät wurde bereits ausgeschaltet und nur noch für die sogenannten Hygienespülungen kurzzeitig eingeschaltet.
Im März gaben Energieried und die Bensheimer GGEW bekannt, Gespräche über eine Fusion führen zu wollen. Beide Versorger könnten gemeinsam zu einem der größten Energieversorger in Hessen werden. In diesem Fall würden sie künftig 180 000 Einwohner versorgen. Können Sie etwas zum Stand der Gespräche sagen?
Kaus: Die Gespräche werden gemäß den inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben der Aufsichtsräte beider Versorgungsunternehmen geführt. Bisher verlief der gesamte Prozess in einer offenen, transparenten und konstruktiven Weise. Die detaillierten Analysen sind sehr zeitaufwendig und die Ergebnisse sollen im September den beiden Aufsichtsräten der GGEW und der Energieried vorgestellt werden. Anschließend werden die Ergebnisse in die politischen Gremien kommuniziert.
Welchen Einfluss hat die durch den Ukraine-Krieg hervorgerufene Versorgungskrise in Deutschland auf die Gespräche? Womöglich sind größere Investitionen notwendig?
Kaus: Die aktuelle Situation bestätigt die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit, um auf die anstehenden Aufgaben und Herausforderungen angemessen reagieren zu können. Im Mittelpunkt stehen immer unsere Anstrengungen, die Kunden sicher versorgen zu können. In Krisenzeiten hat diese Fokussierung einen besonders hohen Stellenwert. Größere Investitionen stehen derzeit nicht an.
Energieried und GGEW
Der 59 Jahre alte Ingenieur Frank Kaus ist seit 2002 alleiniger Geschäftsführer der heutigen Energieried.
Die Bensheimer GGEW ist seit 2002 an den Stadtwerken Lampertheim und nach dem Zusammenschluss der Stadtwerke Lampertheim und Bürstadt an der heutigen Energieried beteiligt. Die Stadt Lampertheim hält über die Beteiligungsgesellschaft einen Anteil von 4,08 Prozent an der GGEW. wol
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