Gespräch

Energieberater Peter Hensel sieht die Krise als Chance

Die hohen Energiekosten zwingen viele Leute zum Umdenken. Doch schon während der Pandemie hat der Lampertheimer Energieberater Peter Hensel einen Anstieg bei den Anfragen für eine energetische Sanierung festgestellt

Von 
Susanne Wassmuth-Gumbel
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Neue Fenster und eine zusätzliche Dämmschicht sind Teil der energetischen Sanierung am Haus am Römer. Sie sollen helfen, Energie zu sparen. © Berno Nix

Mit Energiesparen kennt Peter Hensel sich aus. Seit vielen Jahren arbeitet der 60-Jährige als selbstständiger Energieberater. Seine Firma EnergyEffizienz berät Privatleute ebenso wie Städte und Gemeinden, wo und wie sich der Energieverbrauch reduzieren lässt. Von Anfragen werden die Energieberater derzeit überrannt. Doch auch schon vor dem Ukrainekrieg, der Bevölkerung, Wirtschaft und öffentliche Hand zu einem drastischen Umdenken beim Gasverbrauch zwingt, war der Bedarf nach Unterstützung hinsichtlich energetischer Sanierung hoch. „Städte und Gemeinden greifen in sehr hohem Maß auf uns Energieberater zurück“, sagt Peter Hensel. Das sei auch richtig, weil die Kommunen eine Vorbildfunktion hätten. „Sie können nicht vom Bürger etwas verlangen, was sie selbst nicht leisten“, meint der Berater. Der „Südhessen Morgen“ hat mit ihm über die aktuelle Situation gesprochen.

Hat die drohende Gaskrise den Ausschlag gegeben, dass die Nachfrage so groß ist?

Peter Hensel: Es ist immer die Summe der Dinge, nie eine Sache alleine. Die Nachfrage nach Energieberatung war schon vorher hoch. In der Pandemie haben die Leute zu Hause gesessen und hatten viel Zeit, sich zu überlegen, welche Maßnahmen beziehungsweise Investitionen am und im Gebäude sinnvoll wären. Da ging es weniger ums Energiesparen als um die vorhandenen finanziellen Mittel wertsteigernd ins Gebäude zu investieren. Aktuell wissen wir nicht, wie wir die ganzen Anfragen bewerkstelligen sollen.

Woran liegt das?

Hensel: Unter anderem daran, dass die Bundesanstalt für Ausfuhrkontrolle (BAfA), die für Förderungen energetischer Maßnahmen zuständig ist, die Finanzierung des sogenannten individuellen Sanierungsfahrplans geändert hat. Inzwischen übernimmt sie 80 Prozent der Kosten für die Erstellung eines solchen Sanierungsfahrplans, der Kunde zahlt nur noch 20 Prozent, etwa 350 bis 550 Euro je nach Aufwand. Zusätzlich gibt es für energetische Maßnahmen an der Gebäudehülle fünf Prozent Förderung on top. Das sollte die Nachfrage erhöhen und das hat auch gewaltig funktioniert.

Was steht in seinem solchen Sanierungsfahrplan?

Hensel: Darin wird zunächst der Ist-Zustand eines Gebäudes erfasst und dann ein Katalog erstellt, mit welchen Maßnahmen das Gebäude in ein energieeffizientes umgerüstet werden kann.

Was hat die aktuelle Situation mit dem Krieg in der Ukraine dazu beigetragen?

Hensel: Das ist vielleicht das einzig Gute an der jetzigen Zeit: Die Leute machen sich mehr Gedanken. Man hat erkannt, dass nicht alles selbstverständlich ist und nur gemeinsam Veränderungen erzielt werden können. Und klar: Seit Putin den Krieg begonnen hat, hat sich das extrem verschärft. In dem Moment, wo es um den eigenen Geldbeutel geht, überlegt jeder einzelne, wo er etwas einsparen kann. Dies entwickelt sich zur Win-win-Situation für den Geldbeutel und die Natur. Ich denke, das Thema ist bei vielen angekommen und wir befinden uns mitten in einem Transformationsvorgang.

Welche Rolle haben die Energieberatungen dabei?

Hensel: Unsere Aufgabe ist es, den Menschen die Angst zu nehmen, die Veränderungen oft erst einmal auslösen. Wir versuchen, dem Kunden zu signalisieren, dass es zwar eine Veränderung ist, aber nicht eine zum Schlechteren, sondern eine zum Guten.

Berät andere, wie sie Energie effizient nutzen können: Peter Hensel. © Berno Nix

Im Moment ist die Angst tatsächlich groß, dass viele Menschen im Winter frieren könnten. Wo sehen Sie da das Positive?

Hensel: Es ist schwer, etwas Positives abzuleiten, wenn man Menschen frieren sehen muss. Aber bildlich gesehen werden wir näher zusammenrücken, und das wird uns über diese schwere Zeit helfen. Weiterhin können sich viele Faktoren positiv wandeln. Wenn ich weniger Energie verbrauche, belaste ich die Umwelt weniger. Es können Ressourcen zurückgehalten werden, die dann vielleicht in Zukunft noch unsere Kinder und Enkelkinder nutzen können. Wir waren lange sehr gedankenlos: Energie war einfach immer da und immer günstig. Jetzt ist weniger verfügbar, und sie ist sehr teuer geworden. Jede CO2-Tonne, die ich nicht ausstoße, ist eine, mit der ich der Natur, der Umwelt etwas Gutes tue. Transformation bringt mehr Vor- als Nachteile. Der Klimawandel in seiner jetzigen Form wurde schon vor Jahrzehnten erkannt. Doch wir haben 40 Jahre verschlafen. Dabei war schon damals klar: Wenn wir nichts tun, kommt es zum Kollaps. Den haben wir jetzt.

Warum wollte das damals niemand hören?

Hensel: Der Mensch geht immer den Weg des geringsten Widerstandes. Für die Politik war das lange kein Thema. Deswegen: Hut ab vor der Fridays-for-Future-Bewegung. Diese Jugendlichen haben gesagt: Wir nehmen unsere Zukunft jetzt selbst in die Hand, wir verlassen uns nicht mehr auf die Politiker. Mit Fridays for Future hat das Umdenken Fahrt aufgenommen. Erst jetzt und viel zu spät hat die Politik reagiert und eigentlich nur, weil das die nächste Generation Wähler ist.

Wie bewerten Sie die Bemühungen der Lampertheimer Politik und Verwaltung in Sachen Klimaschutz?

Hensel: Lampertheim übernimmt da keine Vorreiterrolle, leider. Die Stadt setzt das um, was viele andere Kommunen auch tun. Sie schauen, wie sie das ein oder andere Thema besetzen können. Die Lampertheimer Baugenossenschaft aber zum Beispiel, die geht genau in die richtige Richtung. Deren Ansatz ist genial – egal ob bei ihren Neubauten oder den Altbauten. Für die ist es ein Muss, energetisch wertvolle Objekte umzusetzen. Sie nehmen auch das ökologische Faustpfand in die Hand. Wenn man sich beispielsweise den Neubau der Baugenossenschaft in Neuschloß anschaut: Die Gebäudehülle ist auf höchstem effizientem Niveau. Auf dem begrünten Flachdach gibt es eine Photovoltaikanlage, mehr kann man eigentlich nicht erwarten. Als I-Tüpfelchen sind noch Bienenstöcke aufgebaut. Wäre fantastisch, wenn die Baugenossenschaft mit ihrem Elan noch andere mitreißen könnte.

Stattdessen wird die Baugenossenschaft durch eine Reduzierung der städtischen Fördermittel in ihren Neubauvorhaben ausgebremst …

Hensel: Das tut unheimlich weh. Die Baugenossenschaft hat in den vergangenen Jahren für alle ihre knapp 40 Objekte, die vor 1990 gebaut wurden, Sanierungsfahrpläne erstellen lassen. Das hat eine absolute Vorbildfunktion. Nicht nur, dass sie zukünftig genau wissen, wo man weitere Schwerpunkte in der energetischen Gebäudeoptimierung setzen kann, die Fördermittel erhöhen sich bei jeder Sanierungsmaßnahme.

Bringen die Förderprogramme etwas, die die Stadt aufgelegt hat, um den Klimaschutz in Lampertheim zu verbessern?

Hensel: Ja, das ist ein Schritt in die richtige Richtung! Wichtig ist, dass nicht nur Projekte gefördert werden, die ohnehin eine Förderung bekommen. Hier liegt der Schwerpunkt. Zum Beispiel die Lampertheimer Programme zur Fassadenbegrünung oder Renaturierung der Vorgärten sind wichtige Signale, wenn man den Stellenwert des Artenschutzes miteinbezieht.

Was können Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen jetzt tun?

Hensel: Klar ist, schnell geht gar nichts. Zum einen haben alle energetischen Förderanträge eine lange Bearbeitungszeit, hinzu kommt, dass Handwerker ausgebucht und Materialien knapp sind. Es kann schon bis zu einem Jahr dauern, bis irgendwelche energetischen Maßnahmen umgesetzt werden können. Gerade auch, weil die Nachfrage so enorm groß ist. Doch wir müssen diesen Weg gehen, jetzt dringender denn je.

Haben Sie konkrete Tipps fürs Energiesparen?

Hensel: Es ist wichtig, dass die Menschen erkennen, dass sie Energie sparen können, ohne Lebensqualität einbüßen zu müssen. Es müssen nicht alle Räume geheizt werden, damit man im Winter im ganzen Haus im T-Shirt herumlaufen kann. Die ältere Generation kennt es noch: Früher wurde die guud Stubb beheizt und der Rest war halt kalt. Da war ein Schlafanzug noch ein Schlafanzug. Bei der Anschaffung von Geräten sollte man auf die Energieeffizienzklasse achten. Das ist besonders wichtig bei allen elektrischen Geräten, weil die sehr viel Energie verbrauchen. Ein riesiges Einsparpotenzial gerade in den Sommermonaten hat die Heizungsanlage im Keller. Dort wird sie gerne vergessen. Hier geht es nicht nur um die Winter- und Sommereinstellung, sondern das Nutzerverhalten und die täglichen Abläufe. Jede Heizung ist nur so klug wie der Typ, der vorne dran steht! Auch das richtige Lüften ist wichtig. Viele denken, wenn sie nicht oder wenig lüften, spare das Energie. Das stimmt aber nicht. Jetzt im Sommer kann auch eine Solardusche im Garten helfen, Energie zu sparen. Wenn man genau hinschaut, findet man tausend Dinge, wo man sparen kann. Viele Jahre war es halt einfach nicht wichtig.

Redaktion Susanne Wassmuth-Gumbel ist stellvertretende Teamleiterin des Südhessen Morgen.

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