Adventsfenster - Ortsteile bis 1983 zwischen Hessen und Baden-Württemberg aufgeteilt / Skurrile Situationen auf der Viernheimer Straße

Die Grenze ging mitten durch Hüttenfeld

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ksm
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Früher war dies ein Fenster in Baden-Württemberg. Heute gehören die Häuser in der Viernheimer Straße alle zum hessischen Hüttenfeld. © Kevin Schollmaier

Hüttenfeld. Berlin hatte seine Mauer, Hüttenfeld die Viernheimer Straße mit all ihren Fenstern. Die hessisch-badische Grenze ging bis 1983 mitten durch Hüttenfeld und trennte die Ortschaft nicht nur in zwei Städte, sondern auch in zwei Bundesländer. Während das überwiegende westliche Gebiet als Stadtteil Lampertheim zugeordnet war, gehörte der östliche Zipfel als „Rennhof“ mitsamt Schloss und Hofgut zum fünf Kilometer entfernten Hemsbach.

Besonders kurios: Die Landesgrenze durchschnitt nicht nur die Ortschaft, sondern auch eine Straße in ihrer Mitte. Wer auf der einen Seite der Viernheimer Straße den Gehweg nutzte, der wandelte in Hessen. Wer auf der gegenüberliegenden Seite wohnte, war schon in Baden-Württemberg zuhause und konnte durch sein Fenster ins Nachbarbundesland blicken.

Nun hatte in Hüttenfeld wirklich niemand die Absicht, eine Mauer zu bauen. Auch benötigten die die Bürger von Rennhof keine Luftbrücke aus Baden-Württemberg. Dennoch führte die Teilung regelmäßig zu skurrilen Situationen. Für die Viernheimer Straße etwa, die das Schloss mit dem heutigen Sportplatz verbindet, kamen immer zwei Postboten – für jede Seite ein eigener. Kinder der badischen Straßenseite durften auch nicht in Hüttenfeld zur Schule gehen, sondern mussten nach Hemsbach. Weil sich die Grenze nicht an neuen Bebauungen, sondern an alten Flurstücken orientierte, machte sie auch nicht vor Gebäuden wie der Kirche oder vor Scheunen Halt.

Knapp 40 Jahre nach der Grenzverlegung ranken sich viele Geschichten um den Grenzverlauf. So sollen Pfarrer und Organist im evangelischen Gotteshaus in Baden-Württemberg gepredigt und musiziert haben, während die Gemeinde in Hessen saß. Noch heute sind die Hüttenfelder überzeugt: In einem Kuhstall mit Fenstern hätten die Kühe aufgrund der Grenzlage immer in Hessen gefressen. Ihr Geschäft hätte sie dann aber auf der anderen Seite verrichtet. Geändert hat sich das erst 1983 mit einem Staatsvertrag zwischen den Bundesländern. Die Bürger Rennhofs hatten diesen Wunsch zwei Jahre vorher auf einer Bürgerversammlung geäußert. ksm

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