Lampertheim. Seit dem 16. März sind auch in Lampertheim die Kindertageseinrichtungen wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Es gibt eine Notbetreuung für die Kinder, deren Mutter oder Vater in systemrelevanten Berufen arbeiten oder alleinerziehend sind. Der „Südhessen Morgen“ hat mit Ute Guthier, Leiterin der kommunalen Kindertagesstätte (Kita) Guldenweg, über die aktuelle Situation gesprochen.
Frau Guthier, was hat sich in Ihrer Kita in den vergangenen Wochen verändert?
Ute Guthier: Aufgrund der Lage und Größe der Einrichtung waren wir in Kooperation mit dem Leitungsteam der Krippe Zauberwald die von Beginn an eine Notgruppe anbieten durften. Das waren am Anfang ganz wenige Kinder. Inzwischen kommen bis zu 20 Kinder in unsere Kita. Eine fünfte Gruppe könnten wir noch öffnen, wenn der Bedarf weiter steigt.
Wie ist der Tagesablauf?
Guthier: Normalerweise arbeiten wir mit einem offenen Konzept. Das geht jetzt natürlich nicht. Immer fünf feste Kinder bilden mit festen Erzieherinnen eine Gruppe, die nicht mit den anderen Gruppen in Kontakt kommt. Das Frühstücksbüfett, das sonst für alle angeboten wird, gibt es nicht. Jedes Kind bringt sich was zum Frühstück mit. Dann wird in der Kleingruppe zusammen gegessen. Aufgrund der geringen Kinderzahl können wir momentan sehr individuell mit den Kindern arbeiten und auf deren Wünsche und Bedürfnisse eingehen. Das tut den Kindern gut. So können wir die schwierige Zeit gut meistern.
Wie hat sich der Bedarf entwickelt?
Guthier: Am Anfang waren die Eltern sehr vorsichtig, zum Teil auch ängstlich. Die Zahl der Kinder ist aber allmählich gestiegen, weil die Regelungen, wer die Notbetreuung in Anspruch nehmen darf, immer weitergefasst wurden. Anfangs mussten beide Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten, dann nur noch ein Elternteil. Auch die Berufsgruppen, die als wichtig für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur gelten, wurden mit der Zeit erweitert. Inzwischen dürfen auch alle Alleinerziehenden ihre Kinder bringen.
Wie viele Eltern nutzen das Angebot?
Guthier: Längst nicht alle. Die Eltern haben die Situation insgesamt sehr gut gemeistert und viele wechseln sich mit der Betreuung der Kinder zu Hause ab. Doch ich merke, dass es den Eltern zunehmend schwerfällt, die Mehrfachbelastung aus Beruf, Kinderbetreuung, Schule und Haushalt zu stemmen. Die Anfragen, ob das Kind kommen darf, nehmen zu. Dabei muss ich aber sagen, sind alle Eltern sehr höflich und bedacht. Viele fragen inzwischen auch nach, weil sie feststellen, dass ihrem Kind der Umgang mit den anderen Kindern fehlt. Das ist gerade in Familien der Fall, die nur ein Kind haben.
Wie kommen die Kinder mit der Situation zurecht?
Guthier: Ich habe festgestellt, dass sie keine Angst vor dem Virus haben. Wir haben ein Bilderbuch zu dem Thema, das wir mit ihnen anschauen. Und wir sprechen mit ihnen über die Situation, auch darüber, warum sie ihre Großeltern nicht treffen dürfen. Vielen fehlen die sozial-emotionalen Kontakte. Die größeren Kinder, die Fünf- bis Sechsjährigen, können die Erklärungen gut verstehen, die Krippenkinder noch nicht. Generell macht diese Krise etwas mit den Familien, auch weil vielen Kindern die Auslastung fehlt, die sie normalerweise im Alltag haben. Ich habe aber auch von Eltern gehört, dass sie diese Zeit als eine wertvolle Zeit mit den Kindern erfahren und durchaus genießen. Diese positive Sicht auf die Krise geht aber langsam zu Ende.
Eine Rückkehr in die Normalität für alle wird es so schnell nicht geben. Wie können Sie den Familien weiter helfen?
Guthier: In dieser Krise zeigt sich einmal mehr, dass Kitas nicht nur Betreuungseinrichtungen sind, sondern vor allem auch Bildungsstätten. Die Förderung und das gemeinschaftliche Lernen fehlen den Kindern. Da sind viele Eltern dankbar für unser neues Angebot „Kita@Home“, über das die städtischen Einrichtungen Anregungen für Spiele, Experimente und Basteleien ins Internet stellen.
Was wäre bei einer weiteren Öffnung der Kitas aus Ihrer Sicht wichtig?
Guthier: Es wäre wichtig, die Vorschulkinder als erste wieder zurückzuholen. Gerade in dem letzten halben Jahr ihrer Kindergartenzeit werden sie besonders auf den Übergang in die Grundschule vorbereitet. Für sie fällt jetzt Vieles weg: Verkehrserziehung, erste Schulbesuche, besondere Förderung im mathematischen, sprachlichen oder motorischen Bereich. Manche Eltern von sogenannten Kann-Kindern, die im Sommer noch nicht in die Schule gehen müssten, überlegen jetzt, ob sie die Einschulung doch verschieben.
Nach wie vor gilt in den Kitas ein Betretungsverbot, selbst Eltern dürfen die Gebäude nicht betreten. Fühlen Sie sich und ihr Team ausreichend vor Ansteckung geschützt?
Guthier: Ja, ich habe keine Angst, mich bei der Arbeit anzustecken. Es arbeitet auch keine Erzieherin, die zu einer Risikogruppe gehört, mit den Kindern. Diese Kolleginnen erledigen andere Aufgaben, zum Beispiel erstellen sie das Angebot von Kita@Home. Wenn wieder mehr Kinder kämen, würden manche lieber mit Mund-Nase-Bedeckung arbeiten. Das müsste man dann akzeptieren. Wir versuchen, für eine bestmögliche Sicherheit zu sorgen.
Wie können Sie sich eine Öffnung vorstellen?
Guthier: Nur schrittweise. Wir überlegen momentan, wie wir das organisieren könnten. Zum Beispiel indem wir Gruppen teilen und mit einer Hälfte morgens raus gehen und nachmittags drin arbeiten und mit der anderen Hälfte umgedreht.
Was wünschen Sie sich?
Guthier: Dass unser Alltag bald wiederkehrt und die Kinder wieder in Gemeinschaft spielen können. Es wäre schön, alle vor den Sommerferien wiederzusehen. Außerdem wünsche ich mir, dass die gute Kooperation zwischen den Einrichtungen in Lampertheim fortgesetzt wird und dass der Zusammenhalt, die Wertschätzung und die Achtsamkeit, die wir in den vergangenen Wochen erfahren durften, weiter gelebt werden – auch bei der Bezahlung. Aber das gilt für viele andere Berufe, die derzeit ebenfalls alles geben und dabei keine Angst vor der Krankheit haben dürfen.
Ute Guthier
Ute Guthier leitet die Kita Guldenweg seit 28 Jahren.
Sie ist gelernte Erzieherin und hat sich zur Familienpädagogin weitergebildet. Außerdem hat sie verschiedene andere Fortbildungen absolviert.
Guthier ist 55 Jahre alt, Mutter zweier erwachsener Kinder und Großmutter. swa
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