Kulturgut Schallplatte

Bei diesem Lampertheimer dreht sich alles um Vinyl

Auf seiner Internetseite führt Alfred Malejka kenntnisreich in das Universum des analogen Tonträgers ein. Auf „good-vinyl“ können selbst Audiopuristen und Retro-Nerds noch einiges lernen.

Von 
Stephen Wolf
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Schallplattensammler und Experte Alfred Malejka präsentiert ein Schmuckstück aus seiner Kollektion. © Berno Nix

Lampertheim. Wer will, kann heute Musik überall hören: Streamingdienste im Netz machen‘s möglich. Trotzdem, die Liebe zur Schallplatte ist auch 2025 überraschend groß. Der sperrige Vinyl-Tonträger, der aus naheliegenden Gründen in den eigenen vier Wänden oder im Club abgespielt wird, galt Anfang des Jahrhunderts als verstaubtes Auslaufmodell. Ein Irrtum. Selbst junge Hörer entdecken wieder alte LPs und Singles als hippe Sammelobjekte. Womöglich hat Alfred Malejka einen kleinen Anteil an dieser Renaissance.

Auf seiner Internet-Seite „good-vinyl“ beackert der 69 Jahre alte Lampertheimer seit mittlerweile neun Jahren sämtliche Themenfelder rund um den analogen Tonträger. „Eigentlich habe ich damals eher zaghaft mit der Seite angefangen. Nach und nach kamen aber immer mehr Rückfragen von Vinyl-Fans“, erinnert sich der frühere IT-Ingenieur. Malejka, der mit seiner Ehefrau in Lampertheims Kernstadt lebt, bekommt mittlerweile täglich Anfragen aus dem deutschsprachigen Raum.

Nicht selten melden sich deutsche Auswanderer, die in den USA oder in Australien leben. In der Regel, so sagt der Macher von „good-vinyl“, werden seine Seiten mehr als 30 000 im Monat aufgerufen. Manche Vinyl-Fans haben Fragen zu technischen Problemen. Andere wollen wissen, wie viel ihre Kollektion wert ist. „Auffällig oft melden sich Frauen und fragen, was sie mit der Plattensammlung ihres verstorbenen Ehemanns machen sollen“, fügt der Südhesse hinzu. Klingt nach einem Klischee? Ist es aber nicht. Die meisten Vinyl-Enthusiasten, die sich bei Malejka melden, sind Männer. „Ich schätze, der Anteil liegt bei etwa 80 Prozent“, sagt der Lampertheimer.

Erstaunliche Detailfreude

Dass er sich in der Szene einen Namen gemacht hat, dürfte auch an seinem großzügigen Umgang mit der knappen Ressource Zeit liegen. So kann es beispielsweise passieren, dass der Vinyl-Fan um Rat gefragt wird, daraufhin eine gründliche Recherche auf eigene Faust startet. Als Beispiel nennt er eine Anfrage, die aus München bei ihm ankam. Dabei sei es um den Wert zweier LPs der populären britischen Band Queen gegangen, die in den 1980er Jahren verschiedene Alben in der bayerischen Landeshauptstadt aufgenommen hatte. „Der Besitzer hatte damals beruflich in dem Tonstudio zu tun und bekam diese Platten. Unterschrieben waren sie jeweils von allen Bandmitgliedern“, erzählt der Mann im karierten Hemd.

Dann nahm der Lampertheimer die Spur auf. Zunächst ließ er sich die Echtheit der Autogramme durch den „International Queen Fan Club“ im Vereinigten Königreich bestätigen. Da es im fernen Ipswich außerdem einen Kaufinteressenten gab, vermittelte der Südhesse den Kontakt. Die Scheiben wechselten schließlich für einen fünfstelligen Betrag den Besitzer.

Die Masse streamt Musik

  • Der Gesamtumsatz bei Musikverkäufen in Deutschland ist im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Das gab der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) jüngst in Berlin bekannt. Insgesamt brachte der Verkauf von digitaler Musik und Tonträgern einen Umsatz von rund 2,38 Milliarden Euro ein und stieg damit im Vergleich zu 2023 um 7,8 Prozent an.
  • Der Verkauf digitaler Musik etwa aus Streaming und Downloads machte dabei mit 84,1 Prozent den größten Teil aus. Laut BVMI übersprang dieser Bereich beim Umsatz erstmals die Zwei-Milliarden-Euro-Marke. Allein das Streaming legte demnach um 12,6 Prozent zu. Die Verkaufszahlen wurden vom BVMI und von Gfk Entertainment zusammengetragen.
  • Physische Tonträger waren im Vergleich zum Vorjahreszeitraum weniger nachgefragt und fielen um 7,4 Prozent. Sie erlösten 379 Millionen Euro , was einem Anteil von 15,9 Prozent am Gesamtumsatz 2024 entsprach. Dabei stieg der Verkauf von Vinyl um 9,4 Prozent. Aktuell hat die Schallplatte mit einem Anteil von 40,5 Prozent am physischen Markt die CD in Deutschland noch nicht eingeholt. dpa/wol

Die Detailfülle auf Malejkas Internet-Seite ist erstaunlich. Allein das dort aufgeführte „Platten-Lexikon“ bietet allgemeine und historische Informationen zum Thema Vinyl. Fakten zur Elektroakustik findet man dort ebenso, wie etwa Erörterungen zu Abspielgeschwindigkeiten oder Mono- und Stereo-Abmischungen. Kurzum, der Platten-Fan erfährt hier eine Menge. Lautsprecher, Plattenspieler oder Tonabnehmer werden ebenfalls besprochen, das Vinyl-Universum ist vielseitig. So ist auf „good-vinyl“ auch eine Rubrik zum Thema „Pflege & Reparatur“ oder eine Auflistung sämtlicher Plattenläden in Deutschland zu finden.

Hier überprüft Alfred Malejka er eine Platte aus seiner Sammlung auf Kratzer. © Berno Nix

Es liegt auf der Hand, dass der in Mannheim geborene Vinyl-Fan auch selbst enthusiastischer Plattensammler ist. Dabei hatte er sich jahrelang nicht mehr mit dem Thema auseinandergesetzt. Als er vor Jahren seinen Keller entrümpelte, habe dort plötzlich seine alte Plattensammlung gestanden. „Die passten damals noch in eine Kiste“, sagt Malejka und blickt nachdenklich auf seine heutige Kollektion. Damals sei das alte Gefühl wieder entbrannt. Sperrig, oftmals teuer und empfindlicher als andere Tonträger, muss das zumeist schwarze Vinyl pfleglich behandelt werden. „Platten klingen auf einer guten Anlage jedenfalls deutlich besser als CDs“, ist der sportlich wirkende Sammler überzeugt. Womöglich wirkt Malejka auch so agil, weil er regelmäßig Plattenbörsen, Flohmärkte oder Plattenläden aufsucht? Klar ist jedenfalls, der Musikgeschmack des Sammlers ist breit gefächert.

Plattencover mit grünem Schaumstoff

So kreisen auf seinem Plattenteller nicht nur Scheiben klassischer Pop- und Rockbands wie beispielsweise der Beatles, der Rolling Stones oder der Talking Heads. Vor allem deutsche Krautrockbands, wie Nine Days Wonder, Can oder Kin Ping Meh, die Anfang der 70er Jahre mit sämtlichen Konventionen der Rockmusik brachen, haben es dem Lampertheimer angetan. „Mir macht es Spaß, unbekannte Bands zu entdecken, die jenseits des Mainstreams agiert haben“, betont er. Deren Vinyl-Scheiben seien besonders schwer zu finden, da sie oftmals nur in geringer Auflage produziert wurden.

„Heute konzentriere ich mich vor allem auf seltene Platten und Raritäten“, beschreibt der frühere IT-Fachmann sein Beuteschema. Dabei gehe es natürlich um die Musik, aber auch um die künstlerische Gestaltung der Plattenhüllen. Wie zum Beweis zieht der Vinyl-Experte die Platte „Nine Days Wonder“ der gleichnamigen Krautrockband aus dem Regal. Deren Hülle ist mit grünem Schaumstoff beschichtet und deshalb besonders originell. Moment mal, die Platte wurde 1971 veröffentlicht, hält sich Schaumstoff etwa so lange? „Nein, das ist eine Neuauflage. Aber ich wollte die Platte unbedingt haben“, gesteht Alfred Malejka. Zwar lege er Wert auf Originalpressungen. „Aber bei den ursprünglichen Ausgaben ist der Schaumstoff längst porös und zerbröselt.“

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