Lampertheimer Wald

Aufforsten und Abholzen

Naturschützer kritisieren, im Lampertheimer Wald würden zu viele Bäume gefällt. Das Forstamt widerspricht.

Von 
Stephen Wolf
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Lampertheim/Viernheim. Fallen im Lampertheimer Wald zu viele Bäume für die Holzwirtschaft? Aus Sicht von Volker Ziesling ist das der Fall. Der 64 Jahre alte Initiator der Bürgerinitiative „Waldwende jetzt“ kritisiert die Produktion von Holz in den Wäldern der Rheinebene. So seien die Forste nicht nur durch den Klimawandel bedroht, sondern auch aufgrund einer „unangemessenen“ Land- und Forstwirtschaft: Anders als in Mittelgebirgen seien die Wälder in der Rheinebene akut vom Klimawandel bedroht.

„Im Lampertheimer Wald müsste dessen Fortbestand höchste Priorität haben, die Holzproduktion sollte eingestellt werden“, fordert der Aktivist, der im rheinland-pfälzischen Speyer lebt und ausgebildeter Diplom-Forstwirt ist.

Zu viele Schneisen?

Mit dem vermeintlichen Kahlschlag würden zahlreiche Schneisen entstehen, die zu viel Licht in den Baumbestand eindringen lassen. Starke Sonneneinstrahlung und Wärme mache vielen Bäumen schwer zu schaffen und fördere die Ausbreitung invasiver Pflanzenarten. „Zudem verändert sich das Wald-Innenklima“, wie Sabine Hodges aus Hüttenfeld ergänzt. Wie Ziesling, so kritisiert auch die Naturschützerin aus Hüttenfeld das Forstamt und damit den Landesbetrieb HessenForst.

Vermeintlich unnötiges Abholzen gesunder Bäume führe zu einer gefährlichen Kettenreaktion, die in Zeiten des Klimawandels den Bestand des Waldes gefährde. „Schwere Forstmaschinen, die zum Transport von Holz eingesetzt werden, verdichten zudem den Waldboden und schädigen das Wurzelwerk von Bäumen“, sagt Hodges bei einer gemeinsamen Exkursion mit Volker Ziesling.

Dabei seien gerade die Forste bedeutsam für die Regulierung des Klimas, weil sie Kohlendioxid (CO2) binden. Außerdem spielten sie eine wichtige Rolle für Bodenbildung, Wasserreinigung und Naherholung, fügt Ziesling hinzu. Diese Kritik untermauern er und Hodges bei einem Besuch im Bannwald unweit der Landesstraße 3111. Hier wurde 2022 – angeblich zu Unrecht – ein Erlen-Eschen-Sumpfwald gerodet.

Der Holzeinschlag zwischen Hüttenfelder Gemarkung und Viernheim sei der Grund dafür, dass eine benachbarte Gruppe von Buchen ungeschützt der Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Daher habe die Rinde der Bäume gelitten. Tatsächlich sind Schäden deutlich an dicken Buchenstämmen zu sehen. Dabei haben ausgeprägte Trockenperioden bereits in den vergangenen Jahren dem Wald im hessischen Ried zugesetzt. Wer aufmerksam im Gebiet zwischen Lampertheim und Viernheim unterwegs ist, wird verkümmerte Baumkronen ebenso entdecken wie zerbröselnde Rinde an Eichen oder Buchen.

Abgesehen von Folgen des Klimawandels lässt sich der seit Jahren diskutierte Niedergang auch durch das abgesunkene Grundwasser erklären. Das wird seit Jahren abgepumpt, um Haushalte und die Landwirtschaft zu versorgen. Davon zeugen etwa alte Eichen, die noch in anderen Verhältnissen groß geworden sind als heutige Bäume. So sei das Grundwasser im Lampertheimer Wald heutzutage erst in einer Tiefe zwischen vier und fünf Metern zu finden. Zu tief für die alten Lebensadern der Bäume, heißt es vom Forstamt.

Ausgerechnet die von Ziesling und Hodges kritisierten Fachleute sind jedoch auch zuständig für die Mammutaufgabe, das 8000 Hektar große Waldgebiet für künftige Generationen zu erhalten. So ließen die Förster im vergangenen Jahr 130 000 Bäumchen in dem südhessischen Staatswald pflanzen. Mit dem Anbau junger Bäume will man etwa herausfinden, welche Gehölze widerstandsfähig genug sind, um Wassermangel und Hitze zu überstehen. Keine Frage, der Wald ist in Gefahr.

Müsste aber die Holzwirtschaft unter solchen Vorzeichen nicht tatsächlich eingestellt werden? Ralf Schepp, Leiter des Forstamtes Lampertheim verneint: „Gerade in einem Wald, der durch Klimawandel und Grundwasserabsenkung stark geschädigt ist, muss Holzwirtschaft stattfinden“, antwortet der Forstwirt. Dies sei außerdem notwendig, um den Rohstoff Holz zu gewinnen, der ansonsten mit viel Aufwand aus dem Ausland importiert werden müsste. Zum anderen wolle man auf diese Weise einen Wechsel zu klimastabilen Baumarten erreichen.

Auf der anderen Seite biete der Holzeinschlag die Chance, neue Arten von widerstandsfähigen Bäumen anzupflanzen. „Aus meiner Sicht ist es grundsätzlich zu bevorzugen, Holz aus der Nähe – also mit geringem Transportweg und hohen Auflagen bezüglich Naturschutz und Nachhaltigkeit – zu nutzen, als für unseren Bedarf den Regenwald oder die Tundra weiterhin auszubeuten“, argumentiert Schepp. Im vergangenen Jahr seien 20 000 Festmeter Holz geerntet worden, geplant waren jedoch 25 000 Festmeter Holz, wie er hinzufügt. Mit Blick auf die Rodung des Erlen-Eschen-Sumpfwaldes sagt er, dort seien zuvor nahezu alle diese Bäume wegen des Absterbens von Trieben zugrunde gegangen. „Infolgedessen fielen immer häufiger ganze Bäume teilweise mit grüner Krone auf den stark frequentierten Forstweg und den angrenzenden Entwässerungsgraben. Der muss aber aus Gründen des Hochwasserschutzes intakt gehalten werden, wie auch die angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen“, so der Forstamtsleiter.

Durch das Absterben der Eschen habe es eine Beschattung der angrenzenden Buchen schon längere Zeit nicht mehr gegeben. „Die Trockenschäden in den Buchenkronen beziehungsweise im angrenzenden Bestand wurden unter anderem durch Drohnenfotos dokumentiert, da dieser Vorwurf zu erwarten war“, fügt Schepp hinzu. Er wolle nicht ausschließen, dass es auch zu Fehlentscheidungen hinsichtlich des Holzeinschlages kommen kann. Eine pauschale Antwort zu geben, sei schwierig. Mit Sicherheit sagen könne man aber, dass die Abholzung des bereits genannten Erlen-Eschen-Sumpfwaldes bei Hüttenfeld auch aus heutiger Sicht keine Fehlentscheidung war. Das Absterben der Eschentriebe im angrenzenden Waldgebiet schreite indes voran, vermutlich noch in diesem Winter seien weitere Einschläge geplant, um Schaden abzuwenden.

Nachhaltigkeit als Argument

Grundsätzlich würden nur beschädigte Bäume gefällt, um entweder eine Entwertung zu vermeiden, oder aber auch, um die Verkehrssicherheit herzustellen. „Regulärer Einschlag, insbesondere in älteren Buchenbeständen, findet überhaupt nicht statt“, versichert Ralf Schepp. Gleichwohl gebe es Fällungen in Gebieten mit jüngeren Eichenbeständen. Dies müsse jedoch aus Gründen der Nachhaltigkeit auch in Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH) sein. „Und das widerspricht selbstverständlich nicht den Erhaltungszielen“, beteuert Schepp.

Auch die von Hodges und Ziesling kritisierte Bodenverdichtung auf forstwirtschaftlicher Wegen ist aus Sicht von Schepp weniger dramatisch als allgemein angenommen. So würden mittlerweile breitere Niederdruckreifen den Waldboden entlasten. Auch die bisherige Breite der sogenannten Rückegassen von vier Metern werde weiterhin bestehen. „Dass die Artenvielfalt insgesamt durch die Rückegassen leiden soll, ist meiner Ansicht nach bisher nicht belegt“, sagt der Forstamtschef.

Redaktion

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