Es ist Herbst geworden. Archäologen kehren von den Grabungsstätten, die meistens im Freien liegen, an ihre Schreibtische zurück. Die Zeit der genaueren Auswertung von Funden beginnt. Auch für Sarah Roth. Seit gut einem Jahr ist die Gebietsreferentin für Vor- und Frühgeschichte beim Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart auch für die archäologische Betreuung von Ladenburg zuständig. Im Stadtteil Rosenhof unterhält das LAD sogar eine Außenstelle. Wegen neuer, spannender Funde ist Roth in den vergangenen Monaten öfter vom Dienstsitz Karlsruhe in die alte Römerstadt gefahren.
Sind doch beim Abbruch eines Hauses für ein Neubauvorhaben in der Südstadt möglicherweise aufschlussreiche und gut erhaltene Architekturteile zum Vorschein gekommen. Sind es Reste eines Tempels oder einer Hafenanlage, was frühere Ausgräber an dieser Stelle im Südzipfel von Lopodunum, wie die Stadt in der Antike hieß, vermutet haben? Oder handelt es sich doch eher um den Werkplatz eines römischen Steinmetzes von vor rund 2000 Jahren? Letzteres ist Roths Beitrag zu dieser Diskussion. Blickfang unter ihren Funden ist der obere Abschluss einer Säule mit 40 Zentimetern Durchmesser im typischen Baustil jener Zeit. Dieses sogenannte Kompositkapitell wird aus symmetrisch angeordneten Akanthusblättern gebildet.
„Ein unglaubliches Stück“
Roth ist begeistert: „Das ist ein unglaubliches Stück und ein absolutes Highlight, weil es sich – trotz gewisser Beschädigungen, die man auf den zweiten Blick erkennen kann –, über die Jahre so gut erhalten hat und man auf Anhieb sieht, wie grazil und fein das gearbeitet ist.“ Dieses besondere Objekt hat Roth selbst mit ausgegraben. „Da konnte ich nicht sofort wieder zurück ins Büro, so viel Freude hat das gemacht“, erzählt die auch für Baden-Baden, Pforzheim, Heidelberg und die Kreise Rastatt, Karlsruhe sowie Neckar-Odenwald zuständige und damit vielbeschäftigte Fachfrau mit leuchtenden Augen.
Für sie ist noch ein weiterer, jedoch fürs Laienauge zunächst weniger spektakulärer Säulenkopf von großer Bedeutung: Roth zeigt auf ein Werkstück, das der Steinmetz angefangen, aber nicht abgeschlossen, sondern aufgegeben habe. „Das ist extrem selten“, sagt Roth. Dieses unfertige Bauteil belege ihre Idee, „hier kein fertiges Gebäude zu haben, in das diese Architekturteile verbaut waren und das dann zusammengestürzt ist, sondern dass es sich um den Werkplatz eines Steinmetzes handelt“. Darauf weise auch die Unterschiedlichkeit des aufgefundenen Materials hin: „Das ist eher ein Sammelsurium“, analysiert Roth. Es handele sich vielleicht um Material, das fertiggestellt und noch nicht ausgeliefert oder beim Bearbeiten kaputt gegangen ist. Und, so Roth, „solche Stücke könnten später als Recyclingmaterial zur Fundamentierung der römischen Stadtmauer gedient haben, die sich hier auch durch alle Nachbargrundstücke zieht“.
Termin beim Heimatbund
- Sarah Roth, die Gebietsreferentin für Vor- und Frühgeschichte am Landesamt für Denkmalpflege, sieht „Ladenburg, was die römische Zeit betrifft, zusammen mit Rottweil auf Platz 1 in Baden-Württemberg.“
- Die gebürtige Karlsruherin studierte bis zum Masterabschluss 2018 in Heidelberg, Tübingen und Freiburg, wo sie promovierte, mit dem Schwerpunkt Provinzialrömische Archäologie.
- Bei der Hauptversammlung des Ladenburger Geschichts- und Traditionsvereins Heimatbund am Sonntag, 21. Januar, ab 15 Uhr im Domhof spricht Roth über Ausgrabungen und Erkenntnisse der vergangenen zwei Jahre in Ladenburg.
Die Fundstelle wirkt auf Roth, als ob man für die Fundamentierung Steinabfall, nicht mehr benötigte Bauteile und andere Überreste älterer Bauten wiederverwenden wollte, um möglichst schnell die Befestigung zu errichten, die ja in ihrem Verlauf unterschiedlich qualitätvoll gebaut worden war. Noch sei einiges ungewiss, doch auf jeden Fall müssen all diese Stücke vor dem Bau der ersten Stadtmauer, die vermutlich Anfang des dritten Jahrhunderts entstand, gefertigt worden sein. Anhand der Form von Kapitellen und Vergleichsstücken will Roth im Herbst und Winter Genaueres zur Datierung herausbekommen.
Schon jetzt ist klar: „Dass es so viele und auch noch so gut erhaltene Fundstücke sind, das ist auf alle Fälle etwas Besonderes“, sagt Roth. Sie hat deshalb eine Archäologie-Studentin der Universität Freiburg dafür gewonnen, als Abschlussarbeit die Grabung auf dem Nachbargrundstück von 1998 wissenschaftlich auszuwerten. Dort hatte Roths Vorgängerin Britta Rabold Reste der Stadtmauer und weitere römische Bebauung freigelegt. Es ist freilich nicht die einzige Stelle in der Stadt, wo Archäologen schon fündig geworden sind: Bei Kanalarbeiten zwischen Sebastianskapelle und Alter Wehrmauer wurde 2020/21 das komplette Türgewände eines römischen Kellers freigelegt (diese Redaktion berichtete). Für Roth ist das Besondere „nicht der Materialwert, sondern, dass Schwelle, beide Seitensteine und Sturz seit römischer Zeit vollständig und an ihrem antiken Platz erhalten sind, denn normalerweise kommen solche Blöcke im Lauf der Jahrhunderte durch Steinraub weg.“ Auf Nachfrage betont sie: „Diese Steinquader werden in Ladenburg bleiben, und wir sind auf der Suche nach einem geeigneten Aufstellungsort.“
Ein Puzzle mit Leerstellen
Bei diesen Grabungen in der Altstadt sind nicht nur weitere Teile der zivilen römischen Stadt entdeckt, sondern auch Bereiche des noch älteren Militärkastells angeschnitten worden. „Das schließen wir aus Verfärbungen des Bodens an dieser Stelle, die charakteristisch sind für Jauchegruben bei Reiterkastellen“, erklärt Roth und schwärmt: „Absolut faszinierend, wie groß und vielfältig das römische Ladenburg war.“ Der archäologische Stadtplan, den sie in den kommenden Jahren aktualisieren will, sei wie ein „gigantisches Puzzle aus vielen Funden, aber auch Leerstellen, die es noch gibt.“
Manche Bauherrschaft mag da die Stirn runzeln. Denn wer auf geschichtsträchtigem Grund baut, muss sich nach dem im Denkmalschutzgesetz verankerten Verursacherprinzip der Verantwortung fürs historische Erbe stellen. Roth kann zumindest private Häuslebauer beruhigen: „Wir haben die Zumutbarkeit im Blick.“ Es sei in der Regel den Ausgräbern nur ein Bagger mitsamt Maschinist zu stellen, die zum Aushub der Baugrube sowieso benötigt würden. So müsse eine junge Familie, die baue, keine Sorge haben, durch das LAD finanziell belastet zu werden. Für Roth wäre es „gerade in Ladenburg tragisch, wenn sich Leute aufgrund falscher Annahmen nicht rechtzeitig bei uns melden würden“.
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