Pop - Die Fantastischen Vier lassen sich von 10 000 Zuschauern am Neckar in Ladenburg feiern / Ideale Open-Air-Bedingungen

Partysause beim „G4-Gipfel“

Von 
Jpk
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Grandioser Auftritt der Fantastischen Vier und ihrer Begleitband (v.l.): Smudo, dahinter (verdeckt) Schlagzeuger Flo Dauner, Bassist Markus Kössler, Thomas D, And.Ypsilon, Tasteninstrumentalist Lillo Scrimali, Michi Beck und Gitarrist Markus Birkle begeistern in Ladenburg. © Bernhard Zinke

Ladenburg. Optimaler kann ein Freiluftkonzert kaum verlaufen: Das Wetter in der schönen Neckarkulisse rund um die Ladenburger Festwiese bleibt angenehm sommerlich; vereinzelte Regentropfen wirken eher erfrischend als störend. Produzent DJ Thomilla rollt seinen alten Mitstreitern von den Fantastischen Vier eine Stunde lang musikalisch den roten Teppich aus, mit Wohlfühl-Hip-Hop aus drei Jahrzehnten von De La Soul bis Marteria. Parallel dazu füllt sich das Open-Air-Gelände immer mehr, tiefenentspannt suchen sich die letzten der 10 000 Zuschauer ihre Plätze.

Auf Anhieb Hochspannung

Kurz nach 20 Uhr ist aber schlagartig Hochspannung statt Entspannung angesagt: Die Deutsch-Rap-Pioniere Smudo, Michi Beck, Thomas D und And.Ypsilon stürmen mit ihrer exzellenten Live-Band die Bühne. Und setzen dank der aktuellen Single „Tunnel“ die Schlagzahl gleich hoch an. „Ladenburg, Ihr seht gut aus“, schäkert Thomas D routiniert mit den auf Anhieb begeisterten Fans aller Altersstufen (bei deutlichem Ü40-Schwerpunkt). „Heute“ knüpft nahtlos an. Schon beim dritten Song „Danke“ zeigen Schlagzeuger Flo Dauner und Lillo Scrimali am Keyboard mit perfekt dosierter musikalischer Feinkost, warum sie als führende Mitglieder der Live-Band von „The Voice Of Germany“ die eigentlichen Stars der populären TV-Castingshow sind.

Nach „Yeah Yeah Yeah“ fällt „Name drauf“ etwas ab. Obwohl der Schweizer Funksänger Seven den Refrain vom Band und als Teil der standesgemäß opulenten Bühnenprojektionen schmettert. „Der Junge ist ein bisschen schüchtern und lässt sich nur hinter der Bühne filmen“, witzelt Michi Beck, „Hauptsache, Ihr seid alle da beim G4-Gipfel.“

Der verwandelt sich mit den Klassikern „Der Picknicker“, „Was geht“ und der durchschlagenden Jubiläumsnummer „25“ auf Basis des The-Catch-Hits „25 Years“ in eine echte Partysause. Bei der auch in den hintersten Reihen ausgelassen getanzt und mitgesungen wird. Wie reibungslos die Show (bis auf den kurzen Ausfall eines Großbildschirms im Rückraum) läuft, ist erstaunlich: Schließlich haben die Fantas auf ihrer Open-Air-Tour erst ein offizielles Konzert in Bad Segeberg vor fast zwei Wochen gespielt – und kamen in Ladenburg am Nachmittag aus allen Himmelsrichtungen zusammen.

Im 29. Berufsjahr hat übrigens nur noch der 49-jährige Thomas D die fantastische Vier vor dem Komma (was vermutlich nicht allein seinen unverschämt definierten Oberkörper erklärt). Den ihren halten seine Bandkollegen jeweils bedeckt, die allesamt den 50. Geburtstag schon hinter sich haben. Das tut ihrer Agilität auf der Bühne allerdings keinen Abbruch.

Die Vier geben zwei Stunden lang fantastisch Vollgas, auch körperlich. Selbst der gern im Hintergrund agierende Soundtüftler And.Ypsilon steht etwas mehr im Rampenlicht als gewohnt. Lediglich Smudo, nominell der Zweitjüngste der Deutsch-Rap-Superhelden, sieht am schwülen Beginn des Konzerts ein wenig so aus, als würde ihn ein Kreislaufkollaps demnächst in die Arme der Sanitäter treiben. Aber allerspätestens bei der Kombination aus Hochgeschwindigkeitssprechgesang und Ausdruckstanz bei „Smudo in Zukunft“ wischt er alle Zweifel an seiner Fitness weg.

Ernste Töne bei „Endzeitstimmung“

Der Spaß, den die Stuttgarter offensichtlich auf der Bühne haben, ist absolut ansteckend. Vor allem, wenn sie sich im Stil alter Ehepaare necken. Oder beim verspielten „Pipis und Popos“ mit Helium und Megafon herumalbern. Dabei schlagen die Stuttgarter auf ihrem hochgelobten neuen Album „Captain Fantastic“ ungewohnt ernste, politische Töne an. „Die G7 benehmen sich wie Kindergartenkinder, 15 Prozent wählen AfD, alles geht den Bach runter“, fasst Michi Beck die gefühlte Lage zusammen (um sich mit der Frage „Welcher Bach ist das hier eigentlich? Der Neckar?“ dem Spott seiner Kollegen auszusetzen). Dann rockt das grandiose „Endzeitstimmung“ mitreißend gegen Intoleranz, Populismus und das egozentrische Gefühl, in einem der reichsten Länder der Welt irgendwie abgehängt zu sein.

Auch der aktuelle Hit „Zusammen“ räumt genau so ab wie die Live-Favoriten „Tag am Meer“ und Thomas-Ds Philosophieexkurs „Krieger“. Hier macht Deutschpop-Star Clueso virtuell mit. Auch der muss sich in Abwesenheit Frotzeleien gefallen lassen: „Ja, wo ist sie denn, die kleine Clueso?“ Aber das ist nur die raffinierte Überleitung zum Fanta-4-Überhit „Sie ist weg“, den die generell recht textsicheren Fans enthusiastisch in den Sommerabendhimmel singen.

Jetzt herrscht Abräumeralarm pur, denn die Abkürzungsorgie „MFG“ setzt noch einen drauf; das hart rockende „Ernten was wir säen“ und „Populär“ leiten nahtlos zur Zugabe über. Da fügen sich die neuen Lieder „Captain Fantasic“ und „Hitisn“ perfekt ein, neben einer erwachsen arrangierten Version ihres lange ungeliebten großen Hits „Die da!?!“ und der traditionellen Schlussnummer „Troy“. Der perfekte Open-Air-Abend hätte noch ein paar Zuschauer mehr verdient (wie zuletzt an gleicher Stelle bei Andreas Gabalier oder Xavier Naidoo). Aber mehr als 10 000 Zuschauer hatten die „F4“ auf eigene Rechnung in der Metropolregion noch nie – obwohl im Oktober 1992 ein Konzert im Heidelberger Schwimmbad Musik Club ihren bundesweiten Durchbruch markierte.

Info: Fotostrecke zum Konzert unter: morgenweb.de/kultur

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Das Programm auf der Festwiese

  • Hauptteil: 1. Tunnel (2018), 2. Heute (2014), 3. Danke (2010), 4. Yeah Yeah Yeah (2007), 5. Name drauf (2015), 6. Der Picknicker (1997), 7. Was geht (1995), 8.25 (2014), 9. Ichisichisichisich (2007), 10. Einfach sein (2007), 11. Smudo in Zukunft (2010), 12. Typisch ich (2014), 13. Endzeitstimmung (2018), 14. Pipis und Popos (2004), 15. Mehr nehmen (2007), 16. Tag am Meer (1993), 17. Krieger (1995), 18. Zusammen (2018), 19. Sie ist weg (1995), 20. MfG (1999), 21. Ernten was wir säen (2007), 22. Populär (1995).
  • Zugabe: 23. Captain Fantastic (2018), 24. Hitisn (2018), 25. Die da !?! (1992), 26. Troy (2004).
  • Weitere Open-Air-Konzerte: 23. Juni St. Wendel, 13. Juli Rosenheim Sommerfestival (ausverkauft), 14. Juli Locarno Moon & Stars, 19. Juli Füssen Barockgarten, 20. Juli Bonn Kunst!Rasen (ausverkauft), 21. Juli Kassel Auestadion, 22. Juli Jazz Open Stuttgart. Karten: eventim.de
  • „Captain Fantastic“-Herbsttournee: 19. Dezember Würzburg, S. Oliver Arena, 22./23. Dezember Stuttgart, Hanns-Martin-Schleyer-Halle, 17. Januar Frankfurt, Festhalle.

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