Bildung

Neues Buch: Impulse aus der Ladenburger Draußenschule

Das Konzept der Draußenschule in Ladenburg hat bundesweit Beachtung gefunden. Jetzt hat Gründerin Carolin Rückert gemeinsam mit Co-Autor Matthias Kerr ein Buch darüber geschrieben. Im Interview sprechen sie darüber

Von 
Peter Jaschke
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Carolin Rückert und Matthias Kerr stellen ihr Buch „Natürlich lernen – Schule neu denken“ am Dienstag, 11. Juni, um 15 Uhr an der Draußenschule vor. © Peter Jaschke

Seit dem Schuljahr 2021/22 gibt es die Draußenschule in Ladenburg. Viele Medien haben seitdem deutschlandweit über das Konzept nach dänischem Vorbild berichtet. Der Münchner Kösel-Verlag ist an die Gründerin und Schulleiterin Carolin Rückert mit der Frage herangetreten, ob sie ein Buch über ihre Erfahrungen schreiben wolle. Sie hat ja gesagt, und am 26. Juni soll es erscheinen. Der Titel heißt: „Natürlich lernen – Schule neu denken“. Bei den Landesliteraturtagen in Ladenburg stellt sie es zusammen mit Co-Autor Matthias Kerr am Dienstag, 11. Juni, um 15 Uhr erstmals öffentlich vor. Natürlich an der Draußenschule im Waldpark.

Frau Rückert, wie fällt Ihre Bilanz nach beinahe drei Schuljahren aus?

Carolin Rückert: Es läuft sehr gut. Wir haben weiterhin zahlreiche Eltern und Kinder, die sich für Schulplätze bewerben. Aber auch bei Pädagogen reißt das Interesse nicht ab: Wir bekommen immer wieder Initiativbewerbungen von Kräften aus dem Regelschulsystem. Es gibt inzwischen viele Kooperationen, beispielsweise mit der PH Heidelberg, dem Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte Mannheim sowie der Forscherstation der Klaus-Tschira-Stiftung. Wir haben ein schönes Netzwerk, auch mit der Stadt und Vereinen, sodass ich sagen kann: Das Konzept Schule zu öffnen, haben wir gut hinbekommen.

Warum war es Ihnen bei all der Arbeit wichtig, das Buch zu schreiben?

Rückert: Was die anfänglich wirklich immense Arbeitsbelastung betrifft, muss ich sagen, dass langsam Routine reinkommt. Es ist im dritten Schuljahr seit der Gründung zwar immer noch viel zu tun, aber es verteilt sich inzwischen auf mehrere Schultern. Als der Verlag den Vorschlag gemacht hat, über unser Konzept ein Buch zu schreiben, war ich dennoch erst zwiegespalten. Ein Fachbuch aus rein pädagogischer Sicht hätte ich mir besser vorstellen können. Es sollte aber ein Buch sein, das auch die Elternperspektive beleuchtet. Und so kam Matthias Kerr ins Boot, denn für mich alleine wäre das Projekt ein bisschen zu groß gewesen.

Was zeichnet ihn als idealen Co-Autor aus?

Rückert: Er ist als Papa eines Kindes, das unsere Schule besucht, die richtige Ergänzung zu mir als derjenigen, die seit 20 Jahren im Bildungswesen drin ist: Er bringt also die Elternsicht ein, wobei ich ja auch ein Kind an der Draußenschule habe. Außerdem hat Matthias als Wissenschaftler Erfahrung im Schreiben, und wir kennen uns von gemeinsamen Fortbildungen her.

Herr Kerr, was war ihr roter Faden beim Mitverfassen?

Matthias Kerr: Ein Hauptpunkt für mich war, die Wahrnehmung von Schule zu hinterfragen. Schule ist ein Lebensraum, und unsere Kinder verbringen unheimlich viel Zeit dort. Da müssen noch ganz andere Aspekte eine Bedeutung bekommen als nur das Funktionieren müssen. Für mich als Vater hatte anfangs die Sorge im Vordergrund gestanden, dass Schule zu viel Anpassung fordert von meinem Kind. Dabei gilt es doch, Kinder in ihren natürlicheren Lernprozessen zu unterstützen.

Rückert: Wir wollen Schule anders. Schule soll kindergerechter und lebensnaher werden. Und für Pädagogen ein Umfeld bieten, in dem man mit Freude seiner Berufung nachgeht. Seit dem Pisa-Schock sind die meisten Schulen einem permanenten Wandel unterworfen. Aber an der grundsätzlichen Schieflage hat sich kaum etwas geändert: Schule ist zu einem Dauerthema geworden, weil sie ohne elterliche Mithilfe heute kaum noch zu bewältigen ist.

Sollten alle Kinder besser Draußenschulen besuchen?

Rückert: Wir haben nichts dagegen, dass sich das Konzept verbreitet, aber unser Buch ist auf keinen Fall als Werbeschrift gedacht - schon allein weil wir mehr Anfragen als Plätze haben. Es ist aber auch keine Abrechnung mit dem öffentlichen Schulsystem, sondern eher eine Bestandsaufnahme. Wir versuchen Brücken zu bauen und wollen Denkanstöße geben.

Welche Impulse kann die Draußenschule geben?

Rückert: Schule sollte kein geschlossener Raum sein, wo man das Kind abgibt, nachmittags wieder zurückbekommt und darüber schimpft, was alles schief läuft. Eigentlich ist unsere Botschaft an die Eltern: Bringt Euch ein, interessiert euch für die Schule. Seid ein Teil der Schule - über Kuchenverkauf und Sportfest hinaus. Dafür sollten die aber auch Schulen offen sein.

Kerr: Als Elternteil sehe ich für mich den Auftrag mitzugestalten. In dem Moment, wo die Schule den Raum dafür anbieten, sich aktiv einzubringen und Teil der Schule zu sein, verändert sich die Art und Weise, wie Eltern und Lehrer miteinander ins Gespräch gehen.

Rückert (lachend): In den meisten Fällen jedenfalls.

Will die Mehrzahl der Eltern überhaupt mehr Kommunikation mit der Schule?

Rückert: Wenn nicht, drückt das eine gewisse Resignation aus, weil Schule mittlerweile so ein rotes Tuch ist, und genau dem wollen wir entgegen wirken. Wir sind überzeugt, dass es nicht von oben kommen wird, sondern von der elterlichen Basis ausgehen muss, damit sich etwas bewegt.

Schule und Buch

Derzeit besuchen 33 Kinder die private Grundschule am Reinhold-Schulz-Waldpark.

Gründerin und Schulleiterin ist die Pädagogin und zweifache Mutter Carolin Rückert (Ladenburg).

Matthias Kerr (Sandhausen) hat Philosophie studiert, ist Doktorand, Artgerecht-Coach und Hochschuldozent sowie Vater eines Draußenschulkinds.

Ihr gemeinsames Buch („Natürlich lernen – Schule neu denken: Was Eltern für eine kindgerechte und lebensnahe Schulzeit tun können“) erscheint am 26. Juni mit 256 Seiten im Kösel-Verlag und kostet 12,99 Euro (E-Book) oder 20 Euro (Hardcover). pj

Freier Autor Peter Jaschke ist freier Mitarbeiter seit 1997 und macht überwiegend regionale Berichterstattung, nimmt aber auch Sport- und Kultur-Termine wahr.

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