Ladenburg. Für einen Moment sieht es fast so aus, als würde sich ein echter Biber anhören, was der Biologe mit Doktortitel alles über diese faszinierende, einheimische Tierart weiß. Doch ist es freilich nur die lebensgroße Nachbildung eines Halbwüchsigen, die Ulrich Weinhold als Biberbeauftragter des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe mitgebracht hat. Vor dem Römerstadion in Ladenburg trifft er sich mit 25 Interessierten. Ohne Corona-Auflagen wären es noch viel mehr Teilnehmende gewesen. Deshalb soll es im Januar eine weitere städtische Biberführung geben.
„Das Interesse ist überwältigend“, freut sich die im Rathaus für die Grünpflege zuständige Iris Lipowski über die Resonanz. Mit Rundgängen durchs Biberrevier in der Bachlandschaft am Sportzentrum – eine Strecke von mindestens drei Revieren mit jeweils fünf- bis siebenköpfigen Familien im Stadtgebiet – soll Verständnis für ökologische Zusammenhänge geweckt werden. Denn immer mehr angenagte sowie umlegte Bäume, vor allem Weiden, und aufgestaute Wasserläufe irritieren naturliebende Spaziergänger und führen sogar zu Beschwerden (diese Redaktion berichtete mehrfach).
Um es vorwegzunehmen: Die Öffentlichkeitsarbeit wirkt. „Diese Führung hat mein negatives Bild vom Biber revidiert“, sagt Teilnehmerin Anja Schick. „Ich hatte gedacht, dass der Biber eine teure Angelegenheit für die Stadt wird, fand es aber interessant zu lernen, dass die meisten Bäume nicht kaputt sind, sondern nachwachsen, und dass Platz geschaffen wird für neue Arten“, erklärt die Ladenburgerin. Ihr Mann findet die Führung „sehr spannend“.
Ein genialer Wasserbauer
Das Lob gilt auch Alexander Spangenberg. Der Ladenburger Grünen-Stadtrat ist einer von 15 ehrenamtlichen Biberberatern im RP und stellt die einst als „Fastenspeise“ begehrte und wegen ihres wärmenden Fells beinahe ausgerottete Art als „genialen Wasserbauer“ vor: Infolge der Staudämme, die Biber errichten, um sich im aufgestauten Wasser besser fortbewegen zu können, erhöhe sich die Artenvielfalt. Ein Beispiel: „Dass das Storchenpaar, das seit Jahren regelmäßig in Neubotzheim nistet, im Sommer erstmals drei statt zwei Junge hatte, liegt eindeutig am besseren Nahrungsangebot an Fröschen, seit der Biber in der Nähe ist“, sagt Spangenberg und fügt hinzu: „Weidenbäume sind von Natur aus an Biber angepasst und müssten sonst vom Bauhof verjüngt werden.“ Bisher habe man das Bibermanagement auch mit Hilfe von Landwirten „sehr gut auf Reihe bekommen“. Im vergangenen Jahr habe das lediglich 7000 Euro an Material gekostet, um Dämme, die übrigens Hochwasserspitzen verzögern helfen, an sensiblen Stellen mit Bypässen zu präparieren. Dadurch sollen künftig Fußgängerfurten passierbar bleiben.
Eine Frau wendet ein: „Die Dynamik der Entwicklung hat wahnsinnig zugenommen.“ So erscheint es ihr dringend geboten, wenigstens wertvolle Bäume mit Drahthosen vor Verbiss zu schützen. Diese Maßnahme betont auch Weinhold. Er macht aber deutlich: „Der Biber ist da und wird nicht mehr weggehen.“ Deshalb sei das Zusammenleben von Mensch und Biber zu managen.
Notwendiger Lernprozess
Und zwar umso intensiver, je näher das Tier mit dem schuppigen Kellenschwanz der Stadt kommt. Die beim Grünprojekt 2005 am Römerstadion geschaffene Auenlandschaft ist für Zwei- und Vierbeiner gleichermaßen attraktiv. Dämme abzubauen wäre vergebliche Mühe: „Dann denkt der Biber nur, er hat schlecht gebaut, und errichtet neue“, so Weinhold. Würde man die als Vorräte dienenden Baumstämme schnell abräumen, würde der Nager sofort neue umlegen. Und brächte man die Tiere fort, wären spätestens im nächsten Jahr neue nachgewandert. „Es wird aber nie eine Überpopulation an Bibern geben, weil sie sich nicht stark vermehren“, versichert Weinhold. Sein Fazit: „Was wir hier sehen, ist der natürliche Zustand, und das zu akzeptieren, ist ein notwendiger Lernprozess.“
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