Ladenburg. Seit Kurzem ist Egon Lackner 94. Doch noch immer kommt der freie Architekt, ehrenamtliche Stadtbildpfleger und Ehrenvorsitzende des örtlichen Geschichtsvereins Heimatbund scheinbar locker zu Fuß vor Ort, wenn es um historische Ladenburger Gebäude geht. Neulich ist es wieder soweit: Rudolf Klee hat an den Sandsteinwänden der Torfahrt seiner historischen Hofanlage rätselhafte Zeichen entdeckt.
„Jetzt wohne ich seit 42 Jahren hier und sehe das zum ersten Mal“, staunt Klee schmunzelnd über sich selbst. Der pensionierte Lehrer, bis heute klavierspielende Jazzer und Künstler hatte vorm Haus auf Mitmusiker gewartet, als er die eingravierten Symbole erblickte: Rechts und links der Hofeinfahrt sind die fast runenartigen Markierungen je nach Blickwinkel mehr oder weniger gut zu erkennen, wenn man außerdem weiß, wo sie sich befinden. Klee hat in Fachbüchern für Zeichen und Symbole nachgeschlagen. Er nimmt an, dass es sich um Steinmetzzeichen handelt, anhand derer sich die alte Anlage zwischen Cronberger Gasse und Färbergasse im Herzen der Altstadt vielleicht genauer datieren lasse als bisher aufs 16. und 17. Jahrhundert.
„Da muss man aber aufpassen, ob das nicht von anderswo stammt“, dämpft der erfahrene Altbaudetektiv den Optimismus des zehn Jahre Jüngeren. Lackner kennt sich aus: Der Altstadtrat gehörte zur legendären sechsköpfigen Planungsgruppe 67, die ab 1967 als Vertragspartner der Stadt unter anderem für die Entwicklung des Rahmenplans zur Altstadtsanierung zuständig war. „Ich war schon länger nicht mehr hier“, freut sich Lackner, als er die Anlage an der ersten mittelalterlichen Stadtmauer aus dem neunten Jahrhundert betritt. Den heute als Gerberstiege bekannten Treppenweg gibt es erst seit 1979. Um diesen als „Gang durch die Jahrhunderte“ zu ermöglichen, hatte zunächst die Stadt das Anwesen gekauft.
Alte Steinmetzzeichen
- Als „Signaturen der Werkleute“ bezeichnet die Deutsche Stiftung Denkmalschutz auf verwendeten Bausteinen eingehauene Steinmetzzeichen.
- Es kommen einfache oder komplexere Formen vor, wie etwa Wellenlinien, Dreiecke, Winkel, Pfeile sowie runenartige Zeichen oder Buchstaben.
- Forschende gehen inzwischen davon aus, dass die seit dem hohen Mittelalter auftretenden Zeichen kein Geheimcode waren, sondern eine Abrechnungshilfe auf der Baustelle.
- Jeder Steinmetz hatte sein eigenes Zeichen, mit dem er sein Werk wie mit einer steinernen Signatur kennzeichnete, um so die geleistete Arbeit zu dokumentieren.
- Art und Form der Markierungen ermöglicht eine zeitliche Einordnung, denn die gängigen Typen wandelten sich laut Deutscher Stiftung Denkmalschutz.
„Das hat Jürgen Borkowski ganz toll gestaltet“, schwärmt Klee von der Arbeit eines weiteren Architekten der Planungsgruppe 67, die in der Römerstadt das Gespür für deren mittelalterliche Substanz weckte. „Von der Stadtmauer, die beim Umbau zum Vorschein kam, wusste vorher kein Mensch“, erzählt Klee.
„Das war alles zugebaut hier“, bestätigt Lackner, der sich gut daran erinnert, als Klee und seine inzwischen verstorbene Frau Gudrun als Neubesitzer mit ihrem Sohn die ehemalige Scheune des früheren Feuerwehrkommandanten und Landwirts Georg Wolf mitsamt Wohnhaus und Nebengebäude bezogen. „Der ältere Anlagenteil ist nach der großen Stadterweiterung im hohen Mittelalter entstanden, und der jüngere erinnert daran, dass Ladenburg bis weit ins 19. Jahrhundert hinein von Landwirtschaft geprägt war“, weiß Lackner und macht Klee ein Kompliment: „Man kann nur froh sein, wenn sich Leute finden, die sich so mit den Häusern beschäftigen wie Sie.“
Kann ein Leser weiterhelfen?
Klee berichtet, dass ihm bisweilen geraten worden sei, Wohnungen aus der längst denkmalgeschützten Scheune zu machen und diese zu vermieten oder zu verkaufen. „Aber ich doch nicht“, sagt er kopfschüttelnd und fährt fort: „Wir haben immer versucht, alles zu erhalten.“ Damals gab es Fördermittel für die drei Jahre zuvor bundespreisgekrönte „erhaltende Erneuerung des Altstadtkerns“. Bis heute laufen Bewohner und Besucher bei Klee teilweise auf jahrhundertalten Steinplatten und atmen Geschichte auf Schritt und Tritt.
In der ehemaligen Bauernstube wollen Lackner und Klee das Geheimnis der beiden identischen Steinmetzzeichen lösen. Doch es gelingt ihnen nicht recht. Immerhin stellt Lackner fest, dass es trotz großer Ähnlichkeit wegen eines fehlenden Querbalkens kein Zeichen der Dombauhütte Mainz sein kann, was Klee vermutet hatte. „Es ist ein schönes Zeichen, aber ich kann es nicht datieren“, sagt Lackner. Er will sich bemühen, noch etwas in Erfahrung zu bringen, und hofft zugleich, dass ein Leser weiterhelfen kann.
An diesem Nachmittag gerät das Thema in den Hintergrund. Beim Rundgang durch die weitläufige Anlage führt Klee in sein Atelier. Spontan greift er in die Tasten seines Digitalflügels. Lackner erwähnt seufzend seine verwaiste Geige. Er kommt kaum dazu, sie zu spielen – auch weil ihn die Geschichte alter Häuser Tag und Nacht umtreibt. Selbst mit 94 noch.
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