Kundgebung

"Ladenburg bleibt bunt": 1300 Menschen setzen Zeichen gegen rechts

Der Marktplatz war proppenvoll: Hunderte Ladenburger haben gegen rechtes Gedankengut protestiert. Was bei der laut Bürgermeister Stefan Schmutz "vermutlich größten Demo der Geschichte der Stadt" alles geboten war

Von 
Peter Jaschke
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Regenbogenfahnen und selbstgebastelte Pappschilder in der Menschenmenge auf dem Marktplatz sollen zeigen: Ladenburg bleibt bunt. © Christoph Blüthner

Ladenburg. „Wir hatten auf eine sehr gute Beteiligung gehofft, doch das ist genial“, freut sich Jürgen Frank als Versammlungsleiter. Denn in Ladenburg sind am Samstag rund 1300 Menschen aufgestanden, um zu zeigen, dass es für sie keine Alternative zu Demokratie und Menschenrechten gibt (wie berichteten bereits online). „Wir setzen ein Zeichen gegen Ausgrenzung“, sagt Frank vom Vorstandsteam der örtlichen Grünen. Die Abgeordneten Alexander Föhr (CDU), Fadime Tuncer (Grüne) und Sebastian Cuny (SPD) sowie Stadt- und Kreisräte stehen bei der friedlichen Demonstration mit ganz vorne.

Das Motto lautet „Nie wieder ist jetzt“. Musik und gute Stimmung wollen darüber nicht hinweg täuschen: Die Formel „Nie wieder“, die da zitiert wird, lässt sich unter anderem zurückführen auf die Befreiung von Konzentrationslagern 1945 und ist mit dem Gedenken an alle Opfer des Nationalsozialismus verbunden. Viele Demonstrierende sind entsetzt, dass Mitglieder der Partei AFD und des Vereins „Werteunion“ bei Treffen dabei waren, als es um kürzlich bekannt gewordene Pläne Rechtsradikaler ging, massenhaft Menschen mit Migrationsgeschichte auszuweisen.

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Treffpunkt am „Ort der Menschenrechte“ in Ladenburg

„Haben wir denn nichts gelernt?“ Das steht auf dem Plakat von Claudia Kockrow (Schriesheim). „Ich habe Angst, dass wieder Menschen ausgegrenzt werden, wie wir es schon mal hatten, und deshalb müssen wir wach bleiben“, sagt die Ärztin. Mit der Aussage „Ladenburg bleibt bunt“ auf einem Karton ist Karola Liebrich dabei. Die Vorsitzende des Garango-Vereins, der seit 1983 die Freundschaft mit Ladenburgs westafrikanischer Partnerregion pflegt, findet: „Wir leben Vielfalt und müssen jetzt Flagge zeigen.“

Treffpunkt für alle ist der „Ort der Menschenrechte“. Die 2022 geschaffene Kunstinstallation wirkt wie geschaffen für diese Kundgebung. Denn auf 16 Stelen ist die gesamte Menschenrechtscharta von 1948 nachzulesen. Artikel 9 betrifft den Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Ausweisung. Er verurteilt das, wovon Rechtsradikale dieser Tage träumen.

„Die absurden und menschenverachtenden Pläne der AFD und Gleichgesinnter haben uns tief erschreckt“, sagt Irene Niethammer vom Integrationshilfeverein Ladenburg Int.Akt nach dem Umzug bei der Kundgebung auf dem Marktplatz. Eine Lehrerin wie Sabine Weil denkt dabei auch an die vielen Kinder aus Familien mit Migrationsgeschichte an den Schulen in Ladenburg, die ihr zujubeln, als sie sagt: „Ihr gehört zu uns.“ Hauptorganisator Frank weist auf das am Rande des Platzes befindliche Mahnmal für die 1940 auf offener Straße deportierten jüdischen Mitbürger hin und sagt unter lautstarkem Beifall: „Wenn wir das sehen und an die Pläne Rechtsextremer denken, sagen wir: Nie wieder ist jetzt.“

Bürgermeister Stefan Schmutz: "Vermutlich größte Demo in der Geschichte der Stadt"

Für Bürgermeister Stefan Schmutz ist es „vermutlich die größte Demo in der Geschichte der Stadt“. Er betont, dass es bei diesem Thema „keine Neutralität und Gleichgültigkeit“ geben dürfe. In der Stadt lebten Menschen aus 94 Nationen friedlich zusammen. „Wir stehen fest an der Seite von ihnen allen, ganz gleich welcher Herkunft - und wir sind die Mehrheit, die nicht zulässt, dass das Rad der Geschichte zurückgedreht werden soll“, betont Schmutz unter großem Applaus. Joachim Loose vom Sportverein ASV klettert von seinem Rollstuhl aus auf den Anhänger und sagt unter anderem: „Ich habe den Traum, dass Menschen einfach Menschen sind - egal welcher Hautfarbe, Herkunft, Religion und sexueller Ausrichtung.“ Erneut Riesenjubel.

Diese Aussage ist auch explizit auf ein Schild geschrieben. Es gehört der Vorsitzenden des Ladenburger Garango-Vereins, Karola Liebrich. © Christoph Blüthner

„Zusammenleben ist eigentlich nicht schwer, wenn man die Brille der Menschlichkeit aufsetzt und nie wieder absetzt.“ Das sagt die afrodeutsche Schulamtsdirektorin in Mannheim und Autorin Florence Brokowski-Shekete. Viel Beifall hört ebenso die 16-jährige Schülersprecherin des Carl-Benz-Gymnasiums, Juli Döhring, für ihre Rede. „Es ist unsere Pflicht, einander wertzuschätzen“, sagt sie darin. „Demokratie ist wichtig, deshalb geht wählen“, ruft Victor Lehrian (Jugendgemeinderat) den vielen jungen Leuten auf dem Platz zu. „Ladenburg ist und bleibt für immer bunt“, finden Raphael Schadwinkel und Ensar Kaayalp (Merian-Realschule).

Alle singen am Ende gemeinsam gegen rechts

Für „Vielfalt und Respekt“ spricht sich Sefa Arisoy (17) von der Türkisch-Islamischen Gemeinde aus. Weitere Vertreter von Religionsgemeinschaften, darunter Ertan Kurt von der Alevitischen Gemeinde Rhein-Neckar, kommen zu Wort. Der katholische Pfarrer Matthias Stößer sagt: „Die AfD spaltet und steht einer offenen Gesellschaft entgegen.“ Mit den Musikern Thomas Pilz und Joachim Junghans singen alle auf dem Platz den Protestsongklassiker „We Shall Overcome“ (Wir werden es überwinden). Denn das ist die große Hoffnung.

Freier Autor Peter Jaschke ist freier Mitarbeiter seit 1997 und macht überwiegend regionale Berichterstattung, nimmt aber auch Sport- und Kultur-Termine wahr.

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