Stuttgart. Der Ministerpräsident war ihnen wichtiger als das Mittagessen. Beharrlich warteten die 16 Kinder und Jugendlichen vor der Landespressekonferenz im Stuttgarter Landtag auf Winfried Kretschmann, während ihre Pizza im Abgeordnetenhaus kalt wurde. Geplant war das Treffen mit dem Grünen Regierungschef nicht. Aber der kommunalpolitische Nachwuchs ließ sich die Gelegenheit beim Landtagsbesuch auf Einladung der Abgeordneten Fadime Tuncer nicht entgehen. Neun Mitglieder von Jugendgemeinderäten und sieben, die es vielleicht einmal werden wollen, übten sich in politischer Langmut.
Und sie wurden am Ende belohnt. Ministerpräsident Kretschmann und Sozialminister Manne Lucha, der in Baden-Württemberg für die Jugendgemeinderäte zuständig ist, hielten für einen kurzen Austausch inne. Die Landespolitiker zeigten sich sichtlich beeindruckt vom Interesse und dem Engagement der aufgeweckten Jugendlichen. „Klasse, dass Ihr Euch für die Belange von Kindern und Jugendlichen einsetzt“, lobten Tuncer und ihre Kollegen. „Die Demokratie braucht junge Menschen, die sich informieren, für ihre Anliegen kämpfen und für die Gemeinschaft einsetzen“, sagte die Landtagsabgeordnete aus Schriesheim.
Die Jugendgemeinderäte bringen zahlreiche Fragen mit nach Stuttgart
Bei der Stuttgart-Reise reihte sich ein Höhepunkt an den anderen. Im leeren Plenarsaal saßen die Jugendlichen aus Schriesheim, Edingen-Neckarhausen, Heddesheim, Hirschberg und Seckenheim auf den Plätzen der Abgeordneten, während Tuncer ihnen die Abläufe im Parlament erklärte und ihre Themen Integration, Gedenkstätten und Kriminalprävention erläuterte. Auch gute Fragen hatten die Kinder reichlich. Was ist ein Ständiger Ausschuss? Was ist Ihre Meinung zur Kritik am Bildungssystem in Baden-Württemberg? Was ist das Erfüllende an Ihrem Beruf? Sind die Sitzungen langweilig?
Diese Sitzung war es jedenfalls nicht: die Jugendlichen probierten das Rednerpult aus, schwangen die Glocke der Landtagspräsidentin und inspizierten die Schrauben und Drehknäufe, mit denen die Bestuhlung ruckzuck auseinandergenommen werden kann. Die Mechanik im Plenarsaal hatte es dem 13-jährigen Lars aus Hirschberg besonders angetan. Von der gläsernen 60er-Jahre-Nüchternheit des Landtagsgebäudes war er jedoch enttäuscht: „Ich hatte es mir so prachtvoll vorgestellt wie Schloss Bellevue.“
Im Abgeordnetenhaus trafen die Jugendlichen auf den Umwelt-Staatssekretär Andre Baumann und den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz, dessen politische Karriere einst im Jugendgemeinderat von Kirchheim unter Teck begonnen hat. Auch sie tauschten sich mit dem politischen Nachwuchs aus. „Echt cool, dass wir hier so viele bekannte Leute treffen“, freute sich die 15-jährige Hanna von der Merian-Realschule in Ladenburg. „Und dass sich alle Zeit für uns nehmen“, ergänzte Pia (16) vom Kurpfalz-Gymnasium Schriesheim.
Die Visionen der Jugendlichen aus der Region sind vielfältig
Beim Mittagessen mit Fadime Tuncer berichteten die Schriesheimer Jugendgemeinderäte Mathis und Constantin von ihren Ideen: „Wir wollen auf dem Push-Gelände regelmäßige Kinoabende veranstalten, einen Wanderweg für Kinder anlegen lassen und hätten gerne einen zusätzlichen Bolzplatz und einen Bike Trail.“ Mit Pauline, Jona und David sind die Schriesheimer „der einzige Jugendgemeinderat in ganz Baden-Württemberg, der offiziell eine eigene Kindervertretung hat“, sagte JGR-Pressesprecher Michel. In Heddesheim hat das Jugendvertretungsgremium, dem Emma von der Karl-Drais-Gemeinschaftsschule angehört, einen Pumptrack initiiert. Nach Ladenburg, Hirschberg und Schriesheim ist dies die vierte Anlage an Neckar und Bergstraße, die auf Betreiben von Jugendlichen entsteht.
Auch für die anderen Jungen und Mädchen waren die Erfahrungen der Abgeordneten inspirierend. So können sich der Zehntklässler Janne und die Mechatronik-Auszubildende Martha aus Edingen-Neckarhausen vorstellen, für eine Jugendvertretung zu kandidieren, „wenn ich es neben der Ausbildung zeitlich schaffe“, so die 16-jährige. Mehrere Jugendliche sind auf Initiative der neuen Jugendreferentin der Gemeinde Edingen-Neckarhausen, Sharmila Pushpakanthan, in den Landtag mitgereist. Die ehemalige Ladenburger Schulsozialarbeiterin eruiert gerade, welche Form der Jugendbeteiligung an ihrer neuen Wirkungsstätte künftig umsetzbar wäre. Bei früheren Wahlen zum Jugendgemeinderat war die Wahlbeteiligung jeweils unter zehn Prozent, am Schluss fanden sich keine Kandidaten mehr.
Zum krönenden Abschluss stiegen die aktuellen und potenziellen Jugendvertreter noch im „Haus der Geschichte Baden-Württemberg“ die Empore zur Demokratie-Führung hoch. „Echt gut gemacht“, fand der 16-jährige Maxim aus Heddesheim. Und Hanna bemerkte klug zu den Dutzenden Flugblättern, die von der Decke schwebten: „Das sind die sozialen Medien von damals“.
Der politische Nachwuchs zog am Ende des ereignisreichen Tages durchweg positive Bilanz. „Es war von allem was dabei“, sagte Lars. Und Michel, Mika und Pia waren sich einig: „Das Beste waren die Menschen, so freundlich, sympathisch und familiär.“
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