Vorlesestunde

In der Ladenburger Stadtbibliothek spricht Yeti Jo jetzt auch Russisch

In der Stadtbibliothek Ladenburg lesen Ehrenamtliche zukünftig Kindern auf Deutsch und einer zweiten Sprache vor. Ziel ist die Integration durch Zugang zu Sprache und Bildung

Von 
Susanne Merz
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Die Lehramtsstudentin Valeria Scafaru liest den Kindern zum Projektstart das Buch Yeti Jo auf Deutsch und auf Russisch in der Stadtbibliothek Ladenburg vor. Die Kinder hören gespannt zu. © Susanne Merz

Ladenburg. Ein Bücherregal, an dem viele Flaggen hängen: die französische, die türkische, die ukrainische, die deutsche. Dahinter verbirgt sich ein neues Projekt der Stadtbibliothek Ladenburg. In Zukunft lesen ehrenamtliche Helfer Kindern – mit und ohne Migrationshintergrund – Geschichten in zwei Sprachen vor. Auf Deutsch und in einer weiteren Sprache. Zum Startschuss des Projekts ist Bürgermeister Stefan Schmutz gekommen und betont, die Wichtigkeit, „Kindern Anlässe und Möglichkeiten zu bieten, die Sprache zu lernen“.

Auch Analphabeten müssen sich nicht schämen

Dafür wurden Bücher angeschafft, die jeweils auf Deutsch und einer weiteren Sprache geschrieben sind. Dazu gehören bisher Kurdisch, Russisch, Ukrainisch, Französisch, Spanisch, Englisch und Türkisch. Einige Roma Kinder aus dem Osten der Ukraine sind mit ihrer Mutter und Großmutter gekommen. Sie sitzen auf den Decken und Kissen, die auf dem Boden vorbereitet wurden. Valeria Scafaru liest ihnen die Geschichte vom Yeti Jo, der die Kälte und den Schnee liebt, auf Russisch und auf Deutsch vor. Die Familie spricht nur Russisch, wie viele Menschen aus dem östlichen Teil der Ukraine. Scafaru selbst kommt aus Moldau, ist aber in Italien aufgewachsen. Sie ist seit drei Jahren in Deutschland, spricht fünf Sprachen und studiert Lehramt.

Die Kinder hören ihr gespannt zu. Sie scheinen sich wohlzufühlen in der ruhigen Atmosphäre der Bibliothek. Als Scafaru fertig ist, applaudieren die Zuhörer. „Nach dem Vorlesen nehmen wir thematisch noch mal Bezug zum Vorgelesenen. Das kann durch singen, malen oder basteln sein“, sagt Bibliothekspädagogin Linda Jäger. Heute dürfen die Kinder einen Yeti ausmalen. Geplant sind zunächst im Oktober und November fünf Termine für Vorlesestunden jeweils auf Deutsch und Französisch, Ukrainisch, Rumänisch, Türkisch oder Englisch. Auf Deutsch gibt es bereits alle vier Wochen eine Lesung für Kinder.

Entwickelt haben das Projekt Jäger und Parul Schreier, Integrationsbeauftragte der Stadt Ladenburg. „Wir betreiben Sprachförderung seit vielen Jahren und möchten den Zugang zum Bildungssystem ermöglichen“, sagt Schreier. Denn es gebe auch viele Eltern, die selbst gar nicht lesen und schreiben könnten. Durch Vorlesestunden könnten sie ihren Kindern ermöglichen, Geschichten zu hören. Und so müsste sich auch niemand schämen. Der Zugang zur Sprache sei über Geschichten spannend für die Kinder: „Geschichten geben so viel mehr als einfach nur Grammatik, Texte und Vokabeln.“

Sie selbst habe Sprachen studiert und Comics in der Zielsprache gelesen und die Übersetzung verwendet, wenn das ewige Suchen von Vokabeln ihr zu viel geworden sei. Auch Jäger hat schon Erfahrungen mit zweisprachigen Büchern gesammelt. Bei einer früheren Arbeitstelle habe sie deutsch-türkische Bücher herausgegeben. „Ich habe dann beobachtet, wie die Eltern mit Hilfe der zweisprachigen Bücher direkt versucht haben, die Sprache zu lernen“, berichtet Jäger.

Einzigartiges Projekt zwischen Neckar und Bergstraße

Die Bücher zu beschaffen, sei nicht einfach gewesen: „Es gibt nur einen Verlag, der zweisprachige Kinderbücher produziert. Wir haben den Druck der Bücher teilweise in Auftrag gegeben. Es sind auf Rumänisch und Kurdisch auch tatsächlich die einzigen zweisprachigen Bücher, die es überhaupt gibt.“ Bezahlt habe die Bücher die Stadt Ladenburg mit einem Extra-Budget von der Stelle für Integration. Alle Vorlesestunden sind für die Teilnehmer kostenlos. Die Vorleser arbeiten alle ehrenamtlich.

Die Stadtbibliothek Ladenburg ist die einzige im Umkreis, die zweisprachige Vorlesestunden anbietet. In der Stadtbibliothek Schriesheim wird einmal im Monat auf Französisch vorgelesen. Die Veranstaltung richtet sich aber eher an Kinder mit französischen Wurzeln, damit sie auch Kontakt zu ihrer Muttersprache haben.

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