Kunst

Holzkünstler Jochen Liebrich verschönert Ladenburgs Straßen

Landschaftskunst von Jochen Liebrich verbreitet sich weiter. Rund 80 Objekte hat der Ladenburger Künstler seit 2016 aus Baumstümpfen geschnitzt. Was ihn motiviert.

Von 
Peter Jaschke
Lesedauer: 

Ladenburg. Er hat es wieder getan. Im Gras sind noch Sägespäne zu sehen. Gut zwei Meter darüber thronen neue Kunstwerke von Jochen Liebrich aus Ladenburg. Mit der Kettensäge geschnitzt aus den Stümpfen zweier Bäume. Die Ahorne hatten sowieso gefällt werden müssen, weil sie unrettbar an einem Pilz erkrankt waren. Nun ist stattdessen eine bemalte Holzfigur in Wanderkleidung zu sehen, die den Blick durchs Fernglas auf einen kapitalen Geweihträger vor einem schneebedeckten Berggipfel richtet. Die mit mehreren Metern Abstand nebeneinander stehenden Motive beziehen sich auf den Standort des Ensembles am Ladenburger Stadtrand in der Hirschberger Allee.

„Das verschönert unsere Straße“, findet Angelika Reiser. Weitere Eigentümer äußern sich begeistert. Vor dem Wohnhaus mit 28 Parteien hat Liebrich seinen jüngsten Coup gelandet. Es war gelungen, seine Ideen und die der Hausgemeinschaft deckungsgleich zu bringen. Beinahe wie über Nacht war entlang des öffentlichen Gehwegs im Stadtteil Weihergärten eine weitere kleine Sehenswürdigkeit entstanden, die einen schmunzelnd staunen lässt.

Räumliches Vorstellungsvermögen und Gefühl wichtig

Rund 80 Skulpturen hat der 1962 geborene und in Essen aufgewachsene Künstler seit 2016 geschaffen. In seiner Wahlheimatstadt Ladenburg ebenso wie in der Umgebung. Aber auch in Berlin und an der Ostsee. Dazu später mehr. Überall erheitern die oft drolligen Motive. Immer wieder fragt man sich, wie sich so Filigranes mit Motorsägen anfertigen lässt. Auch Liebrich verwendet diese Geräte zunächst nur zum Brennholz machen im Wald.

Sicherheit und Geschick sind beim Umgang mit Kettensägen das eine. Doch das andere sind räumliches Vorstellungsvermögen und Gefühl. Das braucht es, um aus einem Rohkörper erkennbare Figuren mitsamt Antlitz zu formen. Dabei hilft Liebrich ein besonderes Talent: „Schon mit 18 habe ich mir mein Geld mit Gitarren bauen verdient“, sagt er. Sein Vater war früh gestorben und die Familie nicht auf Rosen gebettet.

Ich wollte mal ausprobieren, was die Kettensäge noch so alles kann.
Jochen Liebrich

Außerdem sei es ein schöner Ausgleich zur Schule gewesen, etwas mit den Händen zu machen. „Das wurde nach anfänglichem Möbel restaurieren immer filigraner, und dann wollte ich Gitarre spielen, hatte aber kein Geld eine zu kaufen und habe mir halt selbst eine gebaut“, erzählt Liebrich.

Erste Versuche waren Kletterelemente für Kinder

Nach dem Abitur entscheidet er sich zwar für eine kaufmännische Ausbildung bei Siemens und macht Karriere in der Industrie. Doch begleitet ihn die Arbeit mit Holz als „wunderschönes Hobby“ sein ganzes Leben. „Das blieb immer erhalten“, sagt Liebrich strahlend. Nach beruflichen Stationen in Frankfurt, Berlin und Mannheim zieht er 2010 nach Ladenburg um.

Wenige Jahre vor dem beruflichen Ruhestand kommt ihm die Idee: „Ich wollte mal ausprobieren, was die Kettensäge noch so alles kann.“ Zwei riesige Platanenstümpfe auf dem Hegehof im Stadtteil Neuzeilsheim erscheinen ihm dafür wie gemacht. „Da habe ich so eine Art Kletterelemente für Kinder reingeschnitzt“, berichtet Liebrich von seinen ersten Versuchen.

Ab Anfang 2016 beginnt Liebrich Tierfiguren zu seinem Markenzeichen zu entwickeln: Der Autor dieser Zeilen ertappt den Künstler damals auf frischer Tat, als dieser mit Erlaubnis der Stadt am Ladenburger Wasserspielplatz Murmeltiere schnitzt – seinen öffentlichen Erstling. Es folgen die Schildkröte am Kandelbach beim Waldpark, die Tennisspielerin vorm Römerstadion und später Aufträge in der Region. „So ist es immer weiter gewachsen“, sagt Liebrich.

Bereits im vierten Jahr erfreut sich der von ihm geschaffene Tierratepfad des Heimatbunds großer Beliebtheit. Auch am Ladenburger Grabfeld „Unter Bäumen“, wo die Bestattung von Mensch und Tier möglich ist, haucht Liebrich Totholz neues Leben ein. Das dortige Kreuzschnabel-Vogelpaar entsteht in Zusammenarbeit mit dem für seine windkinetischen Objekte bekannten Ladenburger Bildhauer Hans-Michael Kissel, der Liebrich zum Freund wird.

In wenigen Wochen ist er im Neckarhäuser Schlosspark aktiv

Wird seine Landschaftskunst einmal so weit verbreitet sein wie es Kissels Werke sind? Jedenfalls gibt’s neben Liebrichs früherem Seckenheimer Bären auch einen Berliner Artgenossen von ihm. Liebrich ist als Tourist in der Hauptstadt unterwegs und hat „zufällig eine Kettensäge dabei“, als ihm Baumstümpfe ins Auge fallen. Vor dem Haupteingang des botanischen Gartens sägt er vier Stunden lang in der Nähe eines Polizeiquartiers. Nachdem diese Figur später entfernt worden war, sorgt Liebrich für Nachwuchs: „Mein neuer Berliner Bär steht in der Clayallee 52.“

Ist so auch ein Liebrich-Eichhörnchen an die Ostseeküste gekommen? „Das ist tatsächlich bei meinem Sohn im Garten entstanden“, lässt sich Liebrich entlocken. Gerne erinnert er sich daran: „Als die ersten Enkeltöchter kamen, haben die gefragt, ob ich da nicht auch mal was schnitzen könnte.“

Egal wo: Am liebsten hat es Liebrich immer, „wenn sich erst alle einig werden, was ich wo an Baumstümpfen sägen darf, und dann davon begeistert sind“. So soll es in wenigen Wochen auch im Neckarhäuser Schlosspark wieder sein. Liebrich kann es einfach nicht lassen. Zum Glück, möchte man sagen. Denn „das sind Kleinigkeiten, die einen Ort liebenswert machen“, sagt Vera D. aus der Hirschberger Allee.

Freier Autor Peter Jaschke ist freier Mitarbeiter seit 1997 und macht überwiegend regionale Berichterstattung, nimmt aber auch Sport- und Kultur-Termine wahr.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke