Es summt und brummt in der Luft. „Ja, die ersten Insekten kommen schon gucken“, freut sich Michael Janke auf der Bacherlebnisstation der BUND-Ortsgruppe an der Heidelberger Straße 60 in Ladenburg. Dort ist der Lebensturm, den der „MM“ im frühen Planungsstadium mitsamt Initiator Janke vergangenen Juli vorgestellt hatte, inzwischen weitgehend umgesetzt. Vier Meter hoch ist die „kleine, aber feine Naturschutzmaßnahme, die Lebensraum bietet für Insekten, Kleinsäuger, Vögel und Eidechsen“. So erklärt Janke das von ihm angeregte Projekt, das bereits vor der geplanten Eröffnung im April viele Vorbeikommende bestaunen.
Damit kommt der seit September jeden zweiten Samstag weiter gewachsene Turm für den Sportwissenschaftler und Geschäftsführer einer Fernakademie bereits einem wichtigen Ziel näher: Soll doch die von der Straße aus gut sichtbare Gemeinschaftsaktion nach einem bundesweit bekannten Vorbild in den Moselweinbergen, wo inzwischen mehr als 100 Lebenstürme stehen, andere dazu inspirieren, ähnliche Tierhochhäuser zu bauen. „Das ist der große visionäre Plan, dass auch hier mehrere entstehen“, erklärt Janke. Er will Vereine, Nachbarschaften, Wohnprojekte und sogar Unternehmen anregen. Um die Idee populärer zu machen, hält Jankes Team die Kosten möglichst niedrig. Sie wollen zeigen, dass ein solches Projekt bei gebührender Eigenleistung auch erschwinglich ist. Für seine mittlerweile fünfköpfige Arbeitsgruppe, zu der neben ihm auch Uwe Bayer, Andreas Lux, Peter Petersen und Ulli Weisbrodt gehören, sei das seit September laufende Projekt gut stemmbar gewesen, nachdem allzu ehrgeizige Zeitpläne aufgegeben worden seien.
Hitzeverträgliche Pflanzen
Für gröbere Arbeiten hätten anfangs bis zu 15 Personen mitangepackt. Mit Material, Maschinen und Knowhow – etwa bei statischen Fragen – haben städtischer Bauhof, Schreiner Sascha Freigang, Pflanzenhandel Huben, Zimmerermeister Christian Vögele und Gärtnermeister Markus Wolf das Projekt unterstützt. Die tragenden Eckpfosten bestehen aus witterungsfestem und langlebigem Robinienholz. Ausrangierte Einwegpaletten bilden Etagenböden. Auf dem Dach wachsen hitzeverträgliche Pflanzen in einem sandreichen Magerboden. „Es gibt viele andere Möglichkeiten, ähnliche Leuchttürme entstehen zu lassen, die das Thema sichtbar machen“, betont Janke. Ihn und die BUND-Arbeitsgruppe bedrückt es, dass die Zahl der Insekten in Deutschland um drei Viertel abgenommen habe. Deshalb hält Janke ein Umdenken für angebracht.
„Das sind alles unglaublich reichhaltige Lebensräume für alles, was krabbelt, kriecht und sich windet“, sagt Janke und zeigt auf den neben Streuobstwiese und Schafweide empor gewachsenen Turm. An diesem sonnigen Märzmorgen sieht Ulli Weisbrodt bedrohte Wildbienen und verschiedene Hummelarten um die künftige Tier-WG herum schwirren. Der Lehrer für Biologie, Geografie und NWT (Naturwissenschaft und Technik) am Mannheimer Ludwig-Frank-Gymnasium (LFG) wohnt mit seiner Familie in Neckarhausen. „Die naturpädagogische Bachstation war ein starker Pull-Faktor für mich, aktiv zu werden“, erklärt Weisbrodt schmunzelnd.
Zum jüngsten Arbeitseinsatz begleitet ihn sein Sohn. Ben ist zwölf und hat zuhause im Garten bereits eine Höhle für Erdhummeln angelegt. „Das hat Spaß gemacht“, sagt Ben, der sich ebenso wie seine jüngere Schwester für Naturschutz begeistert, wie der Vater berichtet. Auf der Bachstation greift der Junge nun zum Akkubohrer. Ein Teil der Insektenhotelgänge wird nämlich in Hartholz-, ein anderer in Weichholzstücke gebohrt und jeweils nach allen vier Windrichtungen ausgerichtet. „Die Idee ist, zu beobachten, was besser angenommen wird und warum“, so Janke. Kinder sollen hier forschen und Antworten finden können. Spannend sei auch, mehr darüber zu erfahren, ob am Turm brütende Vögel die unterm selben Dach wohnenden Insekten auf der Stelle dezimieren. „Das wissen selbst die Spezialisten von der Mosel nicht genau, und dazu gibt es auch keine Forschung“, erklärt Janke. „Wir wollen das so gestalten, dass man mit Schulklassen herkommen kann“, sagt LFG-Lehrer Weisbrodt.
Mit ihm zusammen möchte Janke ein Konzept entwickeln, um neben Schulen auch Kitas einbinden zu können. Denn „was man über Kinder- und Jugendarbeit an Bewusstsein schafft, hat den größten Effekt“, so Janke. „Viele kennen Lebenstürme noch gar nicht“, berichtet er. Gartenzaungespräche über das Anschauungsobjekt führt der gebürtige Stralsunder gerne. Er möchte „Naturschutz in die Köpfe bringen“. Erfreut stellt er immer wieder fest: „Der Lebensturm weckt Sympathie für die Sache, weil er fasziniert oder beeindruckt.“ Deshalb soll draußen noch eine Informationstafel befestigt werden.
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