Ladenburg - Mit Lesehund Marlow lernen Kinder Bücher lieben / Schulleiterin schätzt ehrenamtlichen Einsatz von Heidi Wieland

Der Stempel im Lesepass lässt die Schüler strahlen

Von 
Peter Jaschke
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Lesehund Marlow bei der Arbeit: Der Bearded Collie von Heidi Wieland (Mitte) hört an der Dalberg und an der Astrid-Lindgren-Schule sechs- bis achtjährigen Kindern beim Vorlesen zu und fördert damit die Freude an Büchern.

© Jaschke

Marlow kann natürlich nicht lesen. Aber er hilft beim Lesen üben. Erst- und Zweitklässler freuen sich riesig über das besondere Vergnügen, Marlow etwas vorlesen zu dürfen. Der Bearded Collie, von dem diese Geschichte handelt, ist nämlich ein Lesehund. Ein ganz braver noch dazu: Alle Kinder an der Dalberg- und der Astrid-Lindgren-Grundschule in Ladenburg lieben deshalb den viereinhalbjährigen Vierbeiner mit dem lustigen Wuschelfell, der zusammen mit seinem Frauchen Heidi Wieland regelmäßig zu Besuch kommt.

Obwohl freilich nicht alle in den Genuss kommen können, ihm auch vorzulesen: Sobald Marlow auf dem Pausenhof der Dalberg-Grundschule (DGS) erscheint, herrscht dort sofort großes Hallo. "Marlow", ruft es aus allen Ecken. Der Hund wedelt mit dem Schwanz und bellt fröhlich: Er freut sich darauf, von vielen Kinderhänden gestreichelt und geknuddelt zu werden. Keinen Moment lang wirkt er genervt oder irritiert von dem Trubel um ihn herum.

"Ich habe ihn von klein auf an Kindergewusel gewöhnt und bin immer mit ihm auf den Spielplatz gegangen, damit er diese Geräusche als selbstverständlich annimmt", erzählt Heidi Wieland. Die Ladenburgerin ist Mitarbeiterin des ehrenamtlichen Projekts zur Leseförderung. Es wurde 2008 nach einem US-amerikanischen Patent von Kimberly Ann Grobholz in München gegründet. Dort liest Wieland in der Zeitung davon und nimmt sofort Kontakt auf.

Die gelernte Arzthelferin und Medizinisch-Technische Radiologie-Assistentin macht ihren zweiten Hund von Kindesbeinen an mit seiner künftigen Aufgabe vertraut. Dazu dient auch eine Grundschulung mit dem Ladenburger Hundetrainer Jürgen Link. Inzwischen engagiert sich die verheiratete Mutter zweier längst erwachsener Söhne bereits im vierten Schuljahr auf diese sinnvolle Art und Weise an beiden örtlichen Grundschulen.

"Ich weiß, was von den Kindern heute gefordert wird und welcher Druck auf vielen Eltern lastet", sagt die erfahrene und geschulte Lesehund-Halterin. Ihr vierbeiniger Partner liegt bei den rund 20-minütigen Vorleserunden auf seiner roten Marlow-Decke - und hört zu. Oft nickt er dabei ein, aber das macht nichts: "Dadurch kommen auch die Kinder noch besser zur Ruhe", sagt Wieland. Sie lässt die Mädchen und Jungen geeignete Geschichten aus dem "Lesebaum"-Buchprogramm so lesen, wie sie es wollen und können: in deren ganz persönlichem Tempo. Sie korrigiert nicht und greift allenfalls ein, um zu helfen.

Positive Wirkung belegt

"Ich führe nur den Hund", sagt Wieland bescheiden, baut aber auch zu jedem Kind Kontakt auf. In dieser Atmosphäre nehmen Sechs- bis Achtjährige erfolgreich an dem Projekt teil. "Es geht darum, stressfrei die Freude am Lesen zu erhöhen", sagt Klassenlehrerin Daniela Siebenhaller und betont: "Ich stelle bei Lesehund-Schülern Fortschritte fest." Die positiven Wirkungen von Hunden in der Pädagogik wurden in wissenschaftlichen Studien gut belegt. Zu diesem Schluss kam jetzt auch eine Semesterarbeit über das Ladenburger Projekt an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.

Um den Wert tiergestützter Pädagogik weiß auch Dalberg-Rektorin Kirsten Lather. "Wir schätzen deshalb den Einsatz von Heidi sehr", sagt die geschäftsführende Leiterin aller Schulen in der Stadt. "Es ist vor allem Arbeit für den Hund", erklärt Wieland. Aus diesem Grund bekommt Marlow zum Abschluss stets ein paar "Leckerlis" aus der Hand der Lesekinder, die sich ebenfalls eine Belohnung verdienen: Der neue Hunde-Stempel im Lese-Pass lässt alle strahlen. Das sind die Momente, in denen Heidi Wieland immer erkennt: "Das ist eine wunderbare Sache, in die ich gerne Herzblut stecke."

Das Lesehund-Projekt

Die Pädagogin und Tierheilpraktikerin Kimberly Ann Grobholz hat das deutsche Lesehund-Projekt nach dem US-amerikanischen Vorbild von "Reading Education Assistance Dog" (R.E.A.D.) 2008 in München gegründet.

In Nordamerika und Kanada gibt es über tausend Teams von Ehrenamtlichen mit Tieren, die wie Heidi Wieland und Marlow in Ladenburg regelmäßig Schulen besuchen.

Lesehunde können Kindern helfen, die Freude am Lesen zu entdecken und selbstsicherer zu werden. Dies belegen wissenschaftliche Studien.

Schirmherr des deutschen Lesehund-Projekts ist der in München geborene Sänger, Dichter und Komponist Konstantin Wecker.

Infos im Internet: www.lesehund.de; E-Mail-Kontakt Ladenburger Projekt: lesehund-rhein-neckar@web.de. pj

Freier Autor Peter Jaschke ist freier Mitarbeiter seit 1997 und macht überwiegend regionale Berichterstattung, nimmt aber auch Sport- und Kultur-Termine wahr.

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