Herr Schmutz, Ladenburg wächst seit Jahren. Wie sehen Sie die Entwicklung? Sind Sie im Plan?
Stefan Schmutz: Zum Ende des Jahres steht Ladenburg bei 12 800 Einwohnern, elf Prozent mehr als vor fünf Jahren. Im ersten Halbjahr 2024 werden wir voraussichtlich die 13 000 überschreiten. Was wir feststellen, ist, dass die Dynamik in der Baukonjunktur etwas nachgelassen hat. Ladenburg ist aber unverändert ein hoch attraktiver Wohnort.
Das Wachstum stellt die Stadt vor Herausforderungen, zum Beispiel in der Kinderbetreuung. Wie ist die derzeitige Situation?
Schmutz: Wir laufen seit sechs Jahren dem Bedarf an Betreuungsplätzen hinterher. Aber 2024 hat dies ein Ende: Wir werden Ende Januar die Kita in der Nordstadt eröffnen, im September folgt die Einrichtung in der Weststadt. Zudem betreiben wir das Provisorium im Brenngässel weiter und sind aktuell dabei, die Angebote der Kindertagespflege auszuweiten. Daher erwarten wir im kommenden Jahr eine erhebliche Entspannung.
Zur Person: Stefan Schmutz
- Geboren: 13. Januar 1978 in Mannheim.
- Studium der Politik- und Erziehungswissenschaften, Universität Mannheim.
- Berufliche Laufbahn: 2010 Leiter Abteilung Bildungsplanung und Schulentwicklung, Mannheim. 2013 parlamentarischer Berater der SPD-Fraktion im Landtag. 2016 Abteilungsleiter Qualitätsentwicklung Tageseinrichtungen für Kinder, Mannheim. Seit 2017 Bürgermeister von Ladenburg.
Sie sehen die Umsetzbarkeit des Rechtsanspruchs auf Ganztagesbetreuung für Schulkinder ab 2026 kritisch. Wie geht es damit weiter?
Schmutz: Das Land hat uns lange warten lassen. Jetzt gibt es erste Signale - zum Beispiel neue Zeitmodelle oder Entscheidungsbefugnisse im Bereich Ganztagsschule. Im Januar wird uns vorgestellt, wie das Ganze im Detail aussieht. Anträge auf Fördermittel sollen dann im März gestellt werden können. Diese werden aber voraussichtlich nicht nach Bedarf priorisiert, sondern nur danach, wer zuerst den Antrag gestellt hat.
Sie betonten den Unterschied zwischen Ganztagsschule und Ganztagesbetreuung. Warum?
Schmutz: Die Ganztagsschule ist kostenlos, die Ganztagsbetreuung nicht. Wenn uns Pisa-Studien eines lehren, dann ist es, nicht den Geldbeutel der Eltern über die Förderung von Kindern entscheiden zu lassen. Daher bin ich für die Ganztagsschule, die man sehr gut gemeinsam mit den Schulen und Eltern vor Ort entwickeln kann.
Wann könnte die Machbarkeitsstudie zu einer Mensa fertig sein?
Schmutz: Wir rechnen 2024 mit den Ergebnissen der Studie, die uns dann eine Orientierung gibt, was möglich ist und was nicht. Dann kommt aber erst die Grundsatzdiskussion, was wir uns leisten können.
Verstehen Sie die Ungeduld bei Eltern und Schülern?
Schmutz: Ich bin überzeugt von dem Konzept, das die Eltern vorgelegt haben. Das hat Qualität, es ist fundiert. Man muss dazu sagen, dass die Diskussion bereits älter ist als Themen wie die Flüchtlingskrise, die Kernsanierung der Werkrealschule oder der Bau der neuen Dreifeldsporthalle. Das alles sind aber Pflichtaufgaben, und man ist gezwungen die Prioritäten anzupassen.
Wird die Sanierung der Werkrealschule Unterer Neckar bis Ende des Schuljahres 2023/2024 fertig und die Container auf der Wiese am Gymnasium abgebaut?
Schmutz: Ich wünsche mir, dass wir unser Versprechen einhalten können, das Gebäude im September wieder an die Schulgemeinschaft zu übergeben. Wir setzen alles daran, dass es klappt. Aber es ist eine riesige Herausforderung.
Viele Kommunen beklagen, Sie seien von der Zahl der Geflüchteten überfordert. Auch Ladenburg?
Schmutz: Der Druck ist enorm hoch. Wir haben es in den vergangenen Jahren nur mit der Unterstützung der Bürgerinnen und Bürgern geschafft. Die Zahl, die wir bisher aufgenommen haben, werden wir in Zukunft nicht wiederholen können. Meine Forderung an Bund und Land ist, uns nur die Menschen zuzuweisen, die eine Bleibeperspektive haben. Es ergibt doch keinen Sinn, Menschen zu sagen, dass sie sich integrieren müssen, wenn sie gar nicht wissen, ob sie das überhaupt dürfen.
Wie ist der Stand bei einem neuen Gemeindezentrum des Türkisch-Islamischen Kulturvereins?
Schmutz: Die aktuellen Räumlichkeiten sind beengt. Der Verein sucht seit vielen Jahren nach besseren Alternativen. Wie alle meine Vorgänger unterstütze ich den Verein bei dieser Suche. Wichtig ist, nicht Erwartungen zu wecken, die nicht erfüllt werden können, sondern gemeinsam konkrete Lösungsansätze zu entwickeln.
Ladenburg hat eine neue Archivleitung. Wo sehen Sie deren vordringlichsten Aufgaben?
Schmutz: Zum einen geht es hier um die Zusammenarbeit von Verwaltung und Archiv, also die Aufbewahrung wichtiger Dokumente. Zum anderen wollen wir die neuere Stadtgeschichte zugänglich machen und ansprechbar für die Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern sein.
Wie kommt Ladenburg mit dem Klimaschutz voran?
Schmutz: Klimaschutz geht alle an, die Kommune, die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft. Wir müssen als Kommune mit gutem Beispiel vorangehen. Positive Beispiele sind die neue Sporthalle und die Sanierung des Freibads, die zu Referenzprojekten werden können. Plan ist, die Pumpen im Freibad mit Strom aus der Photovoltaikanlage auf dem Hallendach zu versorgen.
Wie geht’s mit der vom Bund geförderten Freibadsanierung weiter?
Schmutz: Wir werden das Jahr 2024 für die Planungen nutzen und wollen im September 2025 in die Umsetzung gehen. Im Sommer des Folgejahres soll die Maßnahme abgeschlossen sein.
Was gibt es Neues vom Grünen Boulevard in der Nordstadt?
Schmutz: Er wird schrittweise umgesetzt. Wir beginnen an den jeweiligen Enden, weil wir hier Planungssicherheit haben, was die Wohnbebauung angeht. Im südlichen Teil wird es den Eidechsenspielplatz geben. Im nördlichen Bereich ist eine Multifunktionsspielfläche geplant. Beides soll 2024 umgesetzt werden.
Wann rechnen Sie mit der Einweihung der Dreifeldsporthalle im Römerstadion?
Schmutz: Anfang des Jahres werden wir die Baustelle einrichten, im Frühjahr steht der Spatenstich an. Der Bauzeitenplan sieht eine Eröffnung im September 2025 vor.
Hält die 1972 eröffnete Lobdengauhalle so lange durch, bevor sie dann saniert werden kann?
Schmutz: Sie hat bisher so lange durchgehalten, dann wird sie die zwei Jahre auch noch schaffen. Spannend wird die Frage, wie es möglich sein kann, die Halle im Bestand zu sanieren. Das halte ich persönlich mit Blick auf die nachhaltige Nutzung der vorhandenen Bausubstanz für die beste Variante. Aber ein Vorhaben wie dieses stemmt man nicht mal einfach so. Hierfür werden wir auf Fördermittel des Landes und des Bundes angewiesen sein.
All diese Vorhaben kosten Geld: Wie schätzen Sie die finanzielle Lage der Stadt ein?
Schmutz: Die Rahmenbedingungen haben sich verschlechtert. Mit dem Tarifabschluss und der erhöhten Kreisumlage haben wir knapp zwei Millionen Euro an strukturellen Mehrausgaben. Dazu kommen 2024 Sondereffekte, weshalb sich nicht die Frage stellt, ob es ein negatives Ergebnis gibt, sondern wie hoch es ausfällt. Eine einzige Maßnahme wird nicht helfen, den Haushalt mittelfristig zu entlasten. Es braucht eine Paketlösung, also weniger Ausgaben, mehr Einnahmen und die Generierung von Zuschüssen.
Ladenburg hat noch mehr Zukunftsthemen vor der Brust. Zum Beispiel die Entwicklung des ABB-Areals. Dafür bekommt die Stadt Hilfe durch ein vom Bund gefördertes Raumordnungsverfahren.
Schmutz: Das Programm ist ein Glücksfall und gibt wichtige Impulse. Dieser Entwicklungsprozess geht aber weit über die Fragestellung des Modellprojekts hinaus. Die Entwicklung dieser Flächen in zentraler Lage ist ein ganzheitliches Thema der Stadtentwicklung für die nächsten zehn Jahre.
Ein weiteres Zukunftsthema ist der großflächige Glasfaserausbau. Ladenburg steht in Gesprächen mit einem Anbieter. Wann könnte hier überall Glasfaser liegen?
Schmutz: Es gibt zwei Anbieter, die UGG (Unsere Grüne Glasfaser) und die Deutsche Giganetz. Anfang 2024 werden wir uns für einen entscheiden. Dann folgen Planung und vielleicht eine Vermarktungsphase. Mein Ziel ist, dass wir 2025 in den stadtweiten Ausbau einsteigen. Wegen des historischen Untergrunds gilt: Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Und nun noch ein Blick in die nahe Zukunft: Wie blicken Sie auf die Kommunalwahlen im Juni?
Schmutz: Ich freue mich über jeden, der bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, insbesondere in den kommenden fünf Jahren mit vielen wichtigen Weichenstellungen.
Wie sehen Sie den Rückzug der Freien Wähler?
Schmutz: Mich hat es überrascht. Die Lücke ist da, es ist in der Verantwortung der Wählerinnen und Wähler, sich neu zu positionieren.
Wann steht die Entscheidung an, ob Sie 2025 noch einmal als Ladenburger Bürgermeister antreten?
Schmutz: Meine Familie und ich wollen Anfang des nächsten Jahres diese Entscheidung treffen.
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