Mit dem Termin ihres vierten Studioalbums hatten Bukahara Pech: „Canaries In A Coalmine“ erschien 2020 fast auf den Tag genau zur Verkündigung des ersten Lockdowns. Statt auf Tournee ging es ins Home-Office. Nur im Sommer 2020 konnten die vier Kölner mit internationalen Wurzeln einige Freiluft-Konzerte realisieren. Die geplante Hallentour liegt weiter auf Eis und ist für den Herbst geplant – am 28. November auch in der Heidelberger Halle 02. Aber auch im Sommer sind Bukahara Open-Air unterwegs und gastieren am 29. Juli ab 20 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr) auf der Festwiese Ladenburg für ein Picknick-Konzert. Wir sprachen mit Sänger, Schlagzeuger und Gitarrist Soufian Zoghlami.
Herr Zoghlami, aufgrund Ihrer unterschiedlichen Biografien wird Bukahara häufig als „bunte Multikulti-Truppe“ beschrieben. Finden Sie den Begriff passend?
Soufian Zoghlami: Nein, den Begriff mag eigentlich keiner von uns. Abgesehen davon, dass er in den letzten Jahren vermehrt von den Rechten benutzt wird, klingt es so, als wäre eine Gruppe, in der Menschen verschiedene Backgrounds haben, etwas total Besonderes. Dabei leben wir in einer Gesellschaft, in der das völlig alltäglich ist. So ein Wort wie Multikulti vereinfacht und verfremdet. Dass bei uns Musik aus verschiedenen Ländern einfließt und diese teilweise mit unseren Biografien zusammenhängt, spiegelt nur die Realität wider.
Gilt das auch für Ihren Sound, der oft als Weltmusik bezeichnet wird?
Zoghlami: Auch wenn die Bezeichnung Weltmusik eigentlich sehr schön ist, meint sie leider alles, was nicht aus Westeuropa oder Nordamerika kommt, was der Sache aber nicht gerecht wird. Ich weiß nicht, wie man unsere Musik kategorisieren sollte, aber das Bild einer exotischen Weltmusik oder einer kulturspezifischen Ethno-Musik macht Schubladen auf, in denen wir lieber nicht landen wollen.
Ihr Bassist Ahmed Eid ist in Syrien geboren und in Palästina aufgewachsen, und Sie selbst haben teils tunesische Wurzeln. Was bedeutet der Begriff Heimat für Sie?
Zoghlami: Wieder so ein Wort, das sehr schön, aber auch sehr problematisch sein kann. In vielen literarischen Werken aus der Romantik entsteht eine Vorstellung von Heimat als Gegenentwurf zur damals schon industrialisierten und globalisierten Welt. Die Sehnsucht danach kann ich absolut nachvollziehen. Aber wenn man von Heimat spricht, stellt sich für mich automatisch die Frage, wer dazugehört, da der Begriff in den letzten Jahren leider immer öfter als Ausdruck von „Wir gegen die“ an Popularität gewonnen hat.
Wie haben Sie überhaupt als Band zusammengefunden?
Zoghlami: Wir studierten gemeinsam Jazz an der Musikhochschule Köln. Da sich so ein Musikstudium zum großen Teil in einer akademischen Seifenblase abspielt, fehlte uns der Bezug zum Leben, um uns herum. Als wir anfingen, auf kleinen Partys zu spielen, merkten wir schnell, was Musik alles bewirken kann, wenn man den geschützten Raum verlässt. Die meisten anderen Studierenden hatten Ziele, die sich in der kleinen Jazzwelt befanden. Wir wollten aber Abenteuer erleben und da draußen etwas mitgestalten.
Ihr aktuelles und viertes Studio-Album „Canaries In A Coalmine“ ist praktisch parallel zum ersten Corona-Lockdown veröffentlicht worden. Wie sehr hat Sie dieses Ereignis überrascht?
Zoghlami: Als das Album nach mehren Monaten Arbeit endlich fertig war, haben wir uns alle auf die Release-Tour gefreut. Denn anders als bei den vorherigen Alben, haben wir die Songs nicht zuvor auf der Bühne entwickelt, sondern wurden von uns direkt für das Album geschrieben. Leider konnte nur noch das erste Konzert stattfinden, dann begann der Lockdown. Wir haben das bis zum Schluss so nicht erwartet, und es traf uns sehr überraschend. Aber gerade, weil anschließend kaum noch Konzerte stattfinden konnten, haben wir doch so viel gutes Feedback bekommen, wie bei keinem anderen Album davor.
Was bedeutet Ihnen Erfolg?
Zoghlami: Erfolg heißt auf der einen Seite, dass die Leute sich für unsere Musik interessieren, dass die Shows voll sind und unsere Alben gehört werden. Auf der anderen Seite würde ich es als Erfolg verbuchen, wenn Menschen sich mit unserer Musik identifizieren können, wenn wir Leute zusammenbringen, ihnen Mut machen, für eine offene und tolerante Gesellschaft einzustehen und vielleicht sogar dem einen oder anderen einen neuen Impuls geben.
Lassen sich aus der Corona-Krise Ihrer Meinung nach auch Chancen auf gesellschaftliche Veränderungen in diese Richtung ableiten?
Zoghlami: Möglich, aber ich könnte mir auch gut vorstellen, dass die meisten schnell in ihre alten Gewohnheiten und Sicherheiten zurück wollen. Man merkt doch, dass die gegenwärtigen Umstände starke Gefühle wie Angst und Wut hervorrufen. Diese Gefühle haben enorme Kräfte für gesellschaftliche Veränderungen – zum Guten, wie zum Schlechten. Je länger so ein Ausnahmezustand dauert, desto mehr kochen solche Gefühle hoch. Im besten Fall entstehen daraus Kräfte, die für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen. Im schlimmsten Fall könnte in großen Teilen der Gesellschaft ein neues Narrativ entstehen, welches die demokratischen Grundprinzipien in diesem Land angreift.
Sie sind seit rund zwölf Jahren ohne Besetzungswechsel als Quartett zusammen. Wie wichtig ist die Kontinuität für Ihren Sound?
Zoghlami: Auf der Bühne ging es uns immer darum, was vier Musiker ohne elektronische Unterstützung kreieren können. So haben wir uns einen ganz eigenen Sound geschaffen, in dem wir die Stile vermengen und trotzdem nicht wie eine zufällige Playlist klingen.
Die Konzertreihe in Ladenburg
Das Auftaktkonzert der Reihe Picknick-Konzerte auf der Ladenburger Festwiese am 29. Juli, 20 Uhr (Einlass: 18.30 Uhr) ist ausverkauft. Kapazität: jeweils 1200.
Auch für die Auftritte von Milky Chance am 30. Juli und Provinz (6. August) gibt es seit Wochen keine Tickets mehr.
Karten sind noch verfügbar für die Konzerte der Popakademikerin Alice Merton („No Roots“) am Samstag, 31. Juli, und Joris („Nur die Musik“) am Mittwoch, 4. Juli.
Außerdem spielen: Giant Rooks (5. August), u.a. Lilly Among Clouds und Paul Gerlinger beim Maifeld Derby Special am 7. August sowie Deine Freunde (8. August).
Karten auf der Veranstalter-Homepage delta-konzerte.de. jpk
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