Ladenburg

Bürgermeister Stefan Schmutz über die Herausforderungen im kommenden Jahr / Neubaugebiete, Mensa-Petition und der Bau der Sporthalle „Die Gesellschaft zusammenhalten“

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Stephanie Kuntermann
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Der Bagger auf der Baustelle macht hier erst einmal Pause, doch in diesem Jahr sollen die Arbeiten im Baugebiet Nordstadt-Kurzgewann Fahrt aufnehmen. © Keiper

Während die Neubaugebiete Fortschritte machen, dürfte die Integration ihrer künftigen Bewohner in die Stadtgesellschaft eine der wichtigsten Aufgaben in den nächsten Jahren werden. Das erklärt Bürgermeister Stefan Schmutz im Jahresgespräch mit dieser Zeitung.

Herr Schmutz, Sie sind jetzt seit zweieinhalb Jahren Bürgermeister in Ladenburg. Wie empfinden Sie den Kontakt zu den Menschen hier?

Stefan Schmutz: Ich nehme ihn sehr offen, direkt und positiv wahr. Regelmäßig werde ich „auf der Gass“ angesprochen. Bewährt hat sich auch die Bürgersprechstunde, die immer noch stark nachgefragt wird.

Im April wurde das Bürgerbüro eingeweiht. Wie bewerten Sie seine Arbeit?

Schmutz: Wir hatten vor der Eröffnung gesagt, dass wir das Konzept ein Jahr lang testen und dann Bilanz ziehen wollen. Derzeit werden Daten gesammelt, aber schon jetzt ist klar, dass es sich bewährt hat. Lange Wartezeiten gibt es dank der Online-Termin-Buchung nicht mehr und auch die Beschäftigten fühlen sich wohl. Perspektivisch wollen wir das Angebot weiter optimieren und das Online-Angebot ausweiten.

Worin sehen Sie die Herausforderungen für die nächsten Jahre?

Schmutz: Wir stehen vor großen Aufgaben. Die Einwohnerzahl wird um 20 Prozent wachsen und dies bedeutet, dass auch die Infrastruktur beispielsweise im Bereich der Grundschulen und der Kleinkindbetreuung mitwachsen muss. Die Astrid-Lindgren-Schule wird erweitert, bis zu den Sommerferien soll alles fertig sein und in der Kleinkindbetreuung gibt es ab Februar erste zusätzliche Angebote.

Wie geht es mit der geplanten Sporthalle weiter?

Schmutz: Ein Fachbüro soll mit der Erstellung eines Leistungsverzeichnisses beauftragt werden. Hierfür ist es wichtig, dass es im Vorfeld ein Nutzungskonzept gibt, das dem Fachbüro als Grundlage dient. Das Verzeichnis ist dann die Basis für die Ausschreibung der Architektenleistungen. Die Kosten werden wir sicherlich deckeln. In der mittelfristigen Finanzplanung sind derzeit sieben Millionen Euro vorgesehen. Wenn alles passt, ist die Halle 2023 fertig.

Ladenburgs Wahrzeichen, der Wasserturm, wurde zurückgekauft und geräumt. Was ist nun geplant?

Schmutz: Die Voruntersuchungen sind abgeschlossen und erste Vorarbeiten im Dezember geplant. Dann wird ein Bauzaun gestellt, auf dem Bilder und Informationen rund um den Wasserturm aufgebracht sind. Voraussichtlich 2021 werden die Arbeiten beendet und das Wahrzeichen für die Öffentlichkeit wieder zugänglich, beispielsweise bei Stadtführungen oder kleineren Veranstaltungen.

Ein zentrales Thema sind die Baugebiete...

Schmutz: An den Martinshöfen stehen die Abschlussarbeiten an und die Erschließung im Matzgarten sollen fertig werden. Bei der Nordstadt wollen wir im ersten Halbjahr mit der Vergabe des Geschosswohnungsbaus beginnen.

Stichwort bezahlbares Wohnen...

Schmutz: Mindestens 25 Prozent der städtischen Wohnflächen der Nordstadt sind mietpreisgedämpft zu errichten, d. h. ein Quadratmeterpreis von 8,50 Euro wird auf 20 Jahre festgeschrieben. Eine entsprechende Grundsatzbeschluss des Gemeinderat liegt bereits vor. Wir wollen nicht nur bezahlbares Wohnen, wir wollen auch neuen Wohnkonzepten Flächen zur Verfügung stellen.

Ein 6700 Quadratmeter großes Areal ist für das Projekt „Vielfalt“ reserviert, dessen Organisatoren ein Mehrgenerationen-Wohnen und eine soziale Komponente anstreben.

Schmutz: Für so ein Projekt braucht man eine hohe Eigenmotivation und viel Vorbereitung. Die gut besuchten Info-Veranstaltungen zeigen, dass die „Vielfalt“ den Zeitgeist bedient. Die Planungsgemeinschaft hat eine Option, bis zum 31.12.2020 ihre Planungen zu konkretisieren.

Inwieweit wirkt sich die politische Großwetterlage auf die Verhältnisse vor Ort aus?

Schmutz: Was man sich nicht vorstellen konnte, rückt bedrohlich nahe, nehmen Sie den Brexit oder die Debatte über ein mögliches Ende des transatlantischen Bündnis. Im Großen wie im kleinen geht es darum, dass Menschen aufeinander zugehen und zusammenzuhalten. Ich plädiere daher für ein Mehr an Begegnungsorten im öffentlichen Raum, um miteinander ins Gespräch kommen. Hier ist mir die Integration der Neubürger genauso wichtig wie die Überwindung von sozialen oder Kulturellen Barrieren. Auch bei uns gibt es Menschen, die den Euro zwei oder drei Mal umdrehen müssen, um sich über Wasser halten zu können.

Soweit es die berühmte Schere zwischen Arm und Reich betrifft: Ist ein Sozialbericht nach dem Vorbild Schriesheims geplant?

Schmutz: Derzeit nicht. Aber nach Wiederbesetzung der Abteilungsleitung für den Bereich Ordnung und Soziales wäre es möglich zumindest einer jährlichen Statistik zu erstellen. Davon unabhängig hat die Stadt für 2020 einen Begegnungshaushalt vorgesehen, der die Ideen von Bürgerinnen und Bürgern aufgreift, die sich für ein Miteinander einsetzen. Die künftige Begegnungsstätte in der Hauptstraße wird zusätzlich saniert, im Frühjahr sollen sich dort die Türen öffnen. Denn wir brauchen eine Stadtgesellschaft, die sich für einander interessiert und eine Gemeinschaft bildet.

Was macht Ihnen bei Ihrer Arbeit als Bürgermeister am meisten Spaß?

Schmutz: Mir macht es richtig Spaß, Prozesse zu gestalten und neue Entwicklungen anzustoßen. Das passt recht zum aktuellen Aufgabenfeld. Sehr viel Freude hat mir die Ü 70-Party gemacht, die gezeigt hat, dass die Idee aufgegangen ist. Ich hätte nicht erwartet, dass die Augen der Menschen so leuchten. Das war bislang einer der schönsten Momente meiner Amtszeit. Am 2. Februar gibt es übrigens eine Fortsetzung.

Und dann sind da noch die weniger schönen Momente...

Schmutz: Genau: Etwa wenn man in einer Diskussion erlebt, dass nicht die Lösung im Vordergrund steht, sondern das Haar in der Suppe gesucht wird. Da werden Dinge von großer Bedeutung auf einer Detailebene hinterfragt, die nicht passt...

....etwa, als im Technischen Ausschuss über die Energieeffizienz des Nordstadt-Kindergartens diskutiert wurde und eigentlich über die Vergabe der Planungen abgestimmt werden sollte?

Schmutz: Zum Beispiel. Wenn möglich versuche, die Perspektive meines Gegenübers nachzuvollziehen. Mal fällt mir das leichter, mal schwerer.

Immer noch aktuell ist das Müll-Problem...

Schmutz: Problem ist relativ, aber es ist ein ständiges Thema. Zur Lösung gibt es zwei Ansätze: Entweder machen wir den Müll weg oder aber wir schaffen mehr Sensibilität bei den Verursachern. Wir brauchen wohl beides.

Grillen soll in der kommenden Saison nur noch an ausgewählten Plätzen erlaubt sein...

Schmutz: Damit vollziehen wir etwas, das anderswo längst umgesetzt wurde. Weil man in Ladenburg ungehindert grillen konnte, kamen die Leute aus dem ganzen Umkreis und haben zudem viel Müll hinterlassen. Das war trotz Sicherheitsdienst, der die Besucher nur ansprechen, aber nicht sanktionieren durfte nicht mehr tragbar. Daher haben wir den Gemeindevollzugsdienst aufgestockt, und werden zukünftige Verstöße konsequenter ahnden.

In einer Online-Petition im November beklagte eine Schülermutter, dass die Kinder mittags zum Imbiss gehen und unterwegs essen müssen. Die Forderung nach einer Schulmensa wurde laut.

Schmutz: Ich kann die Eltern verstehen. Aber: Forderungen erheben ist relativ einfach, die dauerhafte Finanzierung steht auf einem anderen Blatt. Es gibt keine Zuschüsse für Mensen an weiterführenden Schulen. Wir bräuchten Ganztagesschulen, der Bau müsste multifunktional sein, eine Mindestabnahme von Essen garantiert werden. Aus anderen Gemeinden ist bekannt: Je älter die Schüler sind, umso seltener essen sie in der Mensa. Daneben würden die Gastronomen vor Ort Umsätze verlieren. Wir hatten auch mal einen Foodtruck vor der Schule, aber das war einfach zu teuer für die Schüler. Kurzum Thema ist sehr komplex und eine Lösung bislang nicht in Sicht.

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