Auf den ersten Blick scheint alles wie immer: Draußen hängen Luftballons. Ein roter Teppich ist ausgerollt für die Abiturienten am Carl-Benz-Gymnasium (CBG) in Ladenburg. Dazu diesmal Wüstenkakteen und lustige Porträtfotos aller 74 Abgänger mit mexikanischen Sombreros auf einer Leine im Hof: Auch das noch vor der Corona-Pandemie ausgedachte Motto „Abios Amigos: 12 Jahre Siesta, jetzt Fiesta“ kommt bei Sommerwetter bestens herüber.
Doch die Realität hinter den Kulissen sieht so aus: Bei vier Abschlussfeiern hintereinander gelten Kurs für Kurs Abstands- und Hygieneregeln. Je zwei Reden fallen herzlich, aber kürzer als sonst aus. Zwar gibt es Musik von den begabtesten Mitschülern und Lehrern, doch keine Party. Stattdessen: ein Glas Sekt im Freien. Alles ist erkennbar dem Ziel geschuldet, das Risiko einer Ansteckung so gering wie möglich zu halten. Dennoch ist bei allen ebenso Freude darüber spürbar, dass es der Schulgemeinschaft unter großem Aufwand gelungen ist, dem Ganzen einen würdigen Rahmen zu geben. „Ihr Abschluss hätte unter keinen schwierigeren Voraussetzungen stehen können, doch bin ich überzeugt, dass Sie auch aus dieser Zeit viel Kraft und Selbstbewusstsein schöpfen“, hat Bürgermeister Stefan Schmutz jedem brieflich mitgeteilt. Woran sich die scheidenden Schüler dieses denkwürdigen Abiturjahrs in zwanzig Jahren einmal erinnern werden, fragt sich CBG-Direktorin Hannelore Buchheister rhetorisch: Daran, viel geschafft und sich ohne Ablenkung intensiver vorbereitet zu haben als bisher? Oder daran, dass es schwer war, so ganz allein ohne die Freunde?
„Wir alle mussten ganz neue Herausforderungen meistern, doch für Sie gilt dies im Besonderen, und ich bin froh, dass wir das zusammen so gut hingekriegt haben“, sagt Buchheister und verweist auf einen „ganz tollen Notendurchschnitt“ von 2,38. 22 Abis haben eine Eins vor dem Komma, und 30 eine Zwei. Tim Schieber, Maxime Fritzsch, Lukas Schmidt und Benedict Byron Schnitzler glänzen mit der Gesamtnote 1,0. Die ungewöhnlichen Bedingungen der Reifeprüfungen 2020 thematisiert auch Abiturientin Vanessa Kaupe: „Obwohl jeder Jahrgang sich mit der Ungewissheit der Zukunft auseinandersetzen muss, hat diese Ungewissheit bei uns doch ein ungeahntes Ausmaß angenommen“, sagt die für besondere Leistungen im Fach Deutsch ausgezeichnete Ladenburgerin.
Viele Zukunftspläne hätten sich aufgelöst, manche Träume begraben werden müssen. Doch ebenso hat die junge Frau beobachtet, dass „wir im Umgang miteinander rücksichtsvoller geworden sind und gelernt haben, dass es eigentlich einem Privileg gleichkommt, seine Abiturprüfungen ablegen zu dürfen“. Bedeutet das mehr Bescheidenheit statt Bierwagen? Das mag sich mancher Zuhörer gefragt haben. Eine entsprechende Erkenntnis der Scheffelpreisträgerin Kaupe lautet jedenfalls: „Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass es gerade die ungewöhnlichen Geschichten sind, an denen man am meisten wächst.“ pj
Preisträger (Auszug)
Scheffel-Preis (Deutsch): Vanessa Kaupe.
Mathematik: Adrian Becker.
Physik: Benedict B. Schnitzler, David Schmidt.
Chemie: Lukas Schmidt.
Schnabel-Preis (Geschichte): Maxime Fritzsch.
Wirtschaft: Tim Schieber.
Latein: Lukas Schmidt, Charlotte Heinz.
Kunst: Amélie Klemm. pj
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