Das Haus in der Goethestraße 2 steht nur wenige Zentimeter von der Baugrube entfernt. An manchen Stellen ist sein Fundament zu sehen, so nah mussten die Bagger mit ihren Schaufeln an das Gebäude heran. Eine Spundwand wurde ein paar Handbreit neben dem Haus in den Boden gedrückt. Fast hat es den Anschein, als stünde das Gebäude kurz vor der Abbruchkante einer Klippe.
Jagannath Jambhulkar hat sich auf die andere Seite des Grabens gestellt. Er grinst und schüttelt zugleich den Kopf. So richtig kann er es immer noch nicht glauben. Als er das Gebäude im vergangenen Herbst für sich und seine Familie kaufte, ahnte er nicht, dass eines Tages die Baufirma und die Ilvesheimer Verwaltung vor seiner Tür stehen würden. Und dass es nötig werden würde, eine solch massive Spundwand in den Boden einzulassen. „Als ich die Nachricht hörte, war ich geschockt“, sagt Jambhulkar.
Garage drohte abzurutschen
Das Problem: Die Garage, die unmittelbar an die Baugrube grenzt, hat kein tiefes Fundament. Für die nötigen Arbeiten am Abwasserkanal mussten die Bagger aber deutlich tiefer graben. Ohne zusätzliche Abstützung wären die Garage und womöglich auch das ganze Gebäude in den Graben abgerutscht.
Als Jambhulkar das Haus kaufte, wusste er nichts von dem schwachen Fundament. Die Nachricht traf aber nicht nur den Hausbesitzer aus dem Nichts, sondern auch die Gemeinde. „Aus den Plänen ging nicht hervor, mit welchen Fundamenten wir es hier zu tun haben“, sagt Klaus Oechsler, Diplom-Ingenieur und Mitarbeiter im Bauamt. Nun stützen die Spundwände sowohl das Haus als auch die Baugrube ab. Quer eingespannte Stahlträger schaffen zusätzliche Sicherheit.
Das war allerdings nicht gratis. Etwas mehr als 100 000 Euro musste die Gemeinde dafür noch einmal drauflegen. Eine Summe, die im Gemeinderat für Unmut sorgte (wir berichteten). Oechsler wirbt um Verständnis: „Das war vorher wirklich nicht absehbar.“ Außerdem dürften mögliche Mehraufwendungen nicht vorher ausgeschrieben werden: „Ich kann also immer nur von dem ausgehen, was ich weiß“, sagt Oechsler.
Seit Oktober 2019 laufen die Arbeiten in der Goethestraße – auf einem rund 400 Meter langen Abschnitt zwischen den beiden Enden der Straße „Im Mahrgrund“. Diese führt in Hufeisenform durch das gleichnamige Wohngebiet. Insgesamt rund zwei Millionen Euro wird die Komplettsanierung kosten. Trinkwasser-, Abwasser-, Gas-, und Stromleitungen werden ausgetauscht. Auch die neuen Kabel für die Straßenlaternen werden verlegt. Manch ein Anwohner in der Goethestraße lässt bei dieser Gelegenheit gleich die Wasserrohre von der Grundstücksgrenze bis ins Haus renovieren. Dies müssen die Hausbesitzer allerdings selbst mit der Baufirma vereinbaren und auch bezahlen. „Aber natürlich ist so eine Baustelle dafür eine gute Gelegenheit“, sagt Oechsler.
Das Haus von Jagannath Jambhulkar ist nicht die einzige Herausforderung für die Verantwortlichen. Insgesamt sieben Nachträge musste die Verwaltung bisher im Gemeinderat einreichen. Den eingangs erwähnten Nachtrag für die Spundwände am Haus Nummer zwei mit eingerechnet, belaufen sich die Mehrkosten seit Beginn des Projekts auf etwa 200 000 Euro. Ein großer Posten war ein neuer Kanalschacht. Erst während der Arbeiten war aufgefallen, dass das neue Bauwerk eine andere Form haben muss.
Bis der richtige Schacht geliefert wurde, konnte die Firma nicht arbeiten. Währenddessen ruhte die Baustelle. Auch dieser Stillstand kostete die Gemeinde Geld. Oechsler schaut trotzdem zuversichtlich nach vorne. Das Schlimmste sei geschafft, sagt der Mitarbeiter des Bauamts.
Die Baustelle wandert nun immer weiter von Westen nach Osten. Der Abschnitt zwischen der Einmündung in die Feudenheimer Straße und der Vettervilla sei der anspruchsvollste, erläutert Oechsler. Hier kommen viele Leitungen zusammen. Im weiteren Verlauf östlich der Vettervilla rechnen die Bauverantwortlichen nicht mehr mit großen Hürden. Erst einmal ist aber Pause, und zwar zwischen dem 24. August und Mitte September.
„Neuester Stand der Technik“
Doch auch danach wird die Baustelle die Ilvesheimer noch etwas beschäftigen. Laut aktuellem Bauzeitplan sollen die Arbeiten im Oktober 2021 abgeschlossen sein. „Danach haben die Anwohner aber eine Straße, die auf dem allerneuesten Stand der Technik ist“, betonte Bauamtsleiter Pascal Tholé am Rande der jüngsten Gemeinderatssitzung.
Und auch Jagannath Jambhulkar wird noch länger etwas von der Baustelle haben. Die Spundwand, die direkt neben seiner Garage in den Boden gedrückt wurde, wird nach den Arbeiten nicht mehr herausgeholt, sondern bleibt im Boden. So soll das Haus dauerhaft gegen ein mögliches Abrutschen abgesichert werden. „Das gibt mir wirklich ein gutes Gefühl“, sagt er.
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