Sigrid Heiselbetz steht auf ihrem Balkon und lässt den Blick in die Ferne schweifen. „Mensch, bin ich dankbar, so weit blicken zu können“, sagt die 86-Jährige. Aus ihrer Wohnung im fünften Stock in der Ilvesheimer Mozartstraße sieht man die Strahlenburg, den Königstuhl, das Grosskraftwerk Mannheim – „an guten Tagen sogar die Anfänge des Schwarzwalds“, erklärt sie und fragt in Anlehnung an Goethe: „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“
Die kühle Herbstluft gibt sich mit einem sanften Windhauch zu erkennen. Sigrids Mann Martin Heiselbetz steht in der Balkontür. „Komm rein, Schatz. Es wird kalt“, sagt er – lässt sich am Ende aber doch noch von einem gemeinsamen Foto auf dem Balkon überzeugen. Sigrid und Martin Heiselbetz sind an diesem Mittwoch seit genau 65 Jahren verheiratet. Kennengelernt haben sie sich bereits in ihrer Jugend. Er war ein Freund ihres Bruders, allesamt bei der MTG in der Leichtathletik aktiv. Zuerst waren sie Freunde, dann wurden sie ein Liebespaar. „Ich kenne ihn schon, seit ich 14 Jahre alt war“, sagt Sigrid.
„Immer den Rücken freigehalten“
Wie hält man es so lange zusammen aus? „Dazu sage ich nichts“, kommentiert Martin Heiselbetz lakonisch, aber mit einem unübersehbaren Grinsen. Er schaut zu seiner Frau. Auch sie kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Immer wieder aufeinander zugehen – das ist entscheidend“, sagt sie. Sie und ihr Mann seien unterschiedlich, häufig anderer Meinung, hätten verschiedene Interessen – und doch hätten sie immer wieder zusammengefunden. Und dann sagt ihr Mann doch noch was, fast weniger als Antwort auf die Frage, sondern direkt an seine Frau gerichtet: „Sigrid, du hast mir immer den Rücken frei gehalten.“ Er sei beruflich oft weg gewesen, habe als Verkaufsleiter in der Schokoladen-Industrie viel reisen müssen: „Das war nur mit dem Einsatz und der Geduld meiner Frau möglich.“
Das Ehepaar hat zwei Kinder und sechs Enkel, zu ihrer Familie besteht ein enges Verhältnis. „Manchmal sagen mir die Leute, ich könne stolz darauf sein“, berichtet Martin Heiselbetz. „Aber das ist Unsinn, ich kann doch vielmehr dankbar sein, dass meine Kinder und Enkel so viel mit mir machen wollen“, fügt der 90-Jährige hinzu. Die Kinder des Ehepaars sind in Ilvesheim groß geworden, lange hat die Familie dort in einem Haus gewohnt.
Beide Eheleute haben sich im Tennisclub engagiert, der Mann hat Golf gespielt. Als die Kinder aus dem Haus waren, zogen Martin und Sigrid Heiselbetz in den Südschwarzwald und lebten dort bis vor gut einem Jahr dauerhaft. Den Kontakt nach Ilvesheim haben sie aber nie verloren – auch weil sie bereits frühzeitig die Wohnung in der Mozartstraße erworben hatten. So haben die Beiden sowohl in Ilvesheim als auch im Schwarzwald Wurzeln geschlagen. „Als wir neulich mal wieder unten waren, war es berührend zu sehen, wie wir begrüßt wurden“, erzählt Martin Heiselbetz von einem Besuch im Südschwarzwald.
Viel herumgekommen
Martin und Sigrid Heiselbetz sind viel herumgekommen – wenn auch nicht immer gemeinsam. Er war viel beruflich unterwegs, später ging sie auf mehrere Weltreisen. Allerdings ohne ihren Mann, dieser hatte nach mehreren Notlandungen genug von der Fliegerei. „Ich wollte aber unbedingt die Welt entdecken, und mein Mann hat mir das ermöglicht“, sagt Sigrid Heiselbetz – überaus dankbar dafür, dass sie doch immer wieder in die Ferne schweifen konnte.
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