Ilvesheim. Ein Junge hüpft in der Warteschlange lächelnd und mit großen Augen auf der Stelle. Er kann es klar erkennbar kaum abwarten, ins Feuerwehrauto zu klettern und einmal das Funksprechgerät zu übernehmen wie das Kind vor ihm. Auch als schräg gegenüber laut die Polizeisirene ertönt, zaubert das ein Lächeln in die Gesichter vieler der teils mehrfach behinderten Kinder und Jugendlichen auf dem Platz. Dort stehen am Mittwochvormittag weitere Einsatzfahrzeuge. Denn auch Kräfte vom Technischen Hilfswerk (THW), Rettungsdienst- und DLRG-Leute stehen an ihren Fahrzeugen Rede und Antwort. Es ist rührend zu sehen, welch pure Freude der 1. Blaulichttag an der Schlossschule in Ilvesheim bereitet. Eine Lehrerin ist sich ganz sicher: „Das ist ein weiteres Highlight des Jahres für unsere Schülerinnen und Schüler.“
Für Matthias Müller, der als Technischer Lehrer der Einrichtung diesen Tag organisiert hatte, geht es darum „Ängste abzubauen“. Das erfahrene Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Ilvesheim leitet die Brandschutz-AG am sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Förderschwerpunkt Sehen – der einzigen öffentlichen Schule dieser Art in Baden-Württemberg.
Es geht unter anderem auch darum, Ängste abzubauen
Das Brandunglück in einer Werkstatt für Behinderte in Titisee-Neustadt im Jahr 2012 war bei Müller der Auslöser, in Sachen Vorbeugung noch aktiver zu werden. Das Thema Brandschutzaufklärung für Menschen mit Behinderung liegt ihm am Herzen. „Staatliche Einrichtungen tun sich damit aus verschiedenen Gründen oft ein bisschen schwer“, sagt Müller. Der Blaulichttag sei ein Beispiel dafür, wie man es angehen könne, ohne dass es viel Geld koste. Haupt- und ehrenamtliche Kräfte aus den Reihen der regionalen Blaulichtfamilie seien jedenfalls gerne bereit gewesen mitzuwirken.
„Ich finde es richtig cool und schön, den Kindern alles zu zeigen und zu helfen, Schwellenängste abzubauen“, sagt Rettungssanitäterin Johanna Jünger von der Johanniter-Unfallhilfe (JUH) aus Friedrichsfeld. Unter ihrer Anleitung dürfen sich Mädchen und Jungen auf die Trage im Krankenwagen legen. „Darf ich mich bei Ihnen einhaken mit dem Blindengriff?“, fragt Finn die Frau am DLRG-Wagen. „Na klar, da lerne auch noch was“, entgegnet Taucheinsatzführerin Angela Großstück vom Bezirk Mannheim fröhlich. Dem Autor dieses Artikels erklärt sie, dass es „schön ist, so viele lachende Gesichter zu sehen“. Gerne trage auch ihre Organisation dazu bei, verschiedene Notfallbereiche zu veranschaulichen. Dann zeigt sie Finn und Alex, wie schwer die Tauchausrüstung ist und wie die Sprachverbindung unter Wasser klappt.
„Das ist interessant und für mich ein schöner Tag“, sagt der 19-jährige Alex. Auch beim THW habe es ihm gefallen, und besonders lebhaft erinnert er sich daran, wie er im Feuerwehrauto mit der ausgefahrenen Drehleiter sitzen durfte. Aufgeweckt erkundigt sich der gleichaltrige Felix beim THW, wofür die vielen Seile gebraucht werden, die säuberlich aufgerollt in einer Kiste lagern. Von Helferin Joelle Stojan ist zu erfahren, dass die Stricke zum Befestigen von Gegenständen und bei der Personenrettung eingesetzt werden.
Zur Ausrüstung gehören Einsatzstock, Pfefferspray und Pistole
„Das ist richtig gut: Polizei zum Anfassen, da sind die Kinder hin und weg“, freut sich eine Klassenlehrerin, als sie beobachtet, wie Polizeikommissar-Anwärterin Hauser und Erster Polizeihauptmeister Mayer ihre Dienstausrüstung vorführen. Dazu gehören unter anderem Einsatzstock, Handschließen, Pfefferspray und Pistole. „Wir haben diesen Tag zwar mit Videos vorbereitet, aber ich habe im Unterricht natürlich keine Handschellen“, verdeutlicht jene Pädagogin den spannenden Mehrwert für alle Bildungsgänge.
Fabian gefällt am besten, die Mini-Körperkamera des Beamten zu bedienen. „Die Eindrücke sind toll“, sagt der 13-Jährige. Auch der 18-jährige Lucas stellt ebenso wie der ein Jahr ältere Felix fest, dass der Blaulichttag einfach „gut“ ist.
Warum solche Erfahrungen vor allem für sehbehinderte Heranwachsende so wichtig sind, weiß Schulleiterin Stephanie Liebers. Sie spricht von Begriffsbildung und führt dazu aus: „Unsere Schülerinnen und Schüler müssen Dinge vor sich haben, anfassen, hören und am besten umrunden können, um sie sich bei eingeschränktem Sehen oder ohne Sehkraft so erschließen zu können, dass ein einheitliches Bild entsteht.“ Deshalb sei der Blaulichttag „ein toller Tag für unsere Schule“, und allen Beteiligten könne man dafür nur danken. Das mehrfache Tatütata auf dem Gelände seien „Geräusche, die wir hier oft haben, ob wegen eines Notfalls oder Fehlalarm“, erklärt Liebers. Techniklehrer Müller habe eigens eine mobile Brandmeldeanlage gebaut, damit Schüler besser verstehen, was bei einem Alarm geschieht.
Dennoch ist jenem allseits gelobten Brandschutzerzieher klar, dass Einsatzkräfte Angst machen können. Deshalb ist er hochzufrieden mit der Aktion: „Egal, wie beeinträchtigt Schülerinnen und Schüler auch sind: Wenn sie sich auf Feuerwehr und Co. freuen, ist das ein Riesenschritt.“ Zum Gelingen haben neben Ilvesheims Brandschützern auch THW Ladenburg, DLRG Mannheim und JUH Mannheim sowie das Polizeirevier Ladenburg beigetragen.
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