Hirschberg - Gleich im Jahr ihrer Eröffnung werden die Leutershausener "Bistronauten" vom Guide Michelin getestet und empfohlen

"Wir kochen, was die Natur hergibt"

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Der VW-Bus steht noch immer vor der Tür. Er ist Erinnerung, Erfahrung und Perspektive. Zum Glück für die Gäste der "Bistronauten" in Leutershausen hat Max Stoll - Busbesitzer und bis zur Eröffnung des kleinen Restaurants zwölf Jahre lang Weltreisender - derzeit keine größeren Reisen geplant.

Vor elf Monaten eröffnete der 35-jährige Altenbacher zusammen mit seinem Leutershausener Koch-Kollegen Johannes Raiber (28) das kleine und gemütliche Restaurant neben der Markthalle. Es dauerte nur wenige Monate, ehe sie nicht nur Freunde guten Essens, sondern auch den Restauranttester des Guide Michelin überzeugten.

In der jüngsten Ausgabe dieser Restaurantbibel werden die beiden Bistronauten mit dem "Bib Gourmand" ausgezeichnet. Damit betitelt Michelin die besten Resto-Adressen mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis und sorgfältig zubereiteten Speisen. An der Bergstraße dürfen sich mit dem "Bib Gourmand" auch das Großsachsener Hotel Krone und das Weinhaus Bartsch in Schriesheim schmücken.

Rindfleisch aus Rippenweier

38 Quadratmeter ist das ehemalige Bistro nur groß, 25 Personen bietet es Platz. Sie alle können den beiden Köchen sprichwörtlich in die Töpfe schauen. Die offene Küche ist so ganz nach dem Geschmack der beiden Männer, die ihre Lehre im Schriesheimer Sterne-Restaurant Strahlenberger Hof absolvierten. "Irgendwann hatte ich keine Lust mehr für andere zu arbeiten", sagt Max Stoll, der in Johannes Raiber bald einen Gleichgesinnten fand. "Wir waren uns sehr schnell einig, dass wir versuchen wollten, auf regionale Produkte zu setzen."

Diesem Grundsatz bleiben die beiden treu - auch in der jetzigen "Sauerkrautzeit". "Wir kochen das, was die Natur hergibt. Und es soll aus der Region kommen. Wir haben damit nicht geworben, weil wir nicht wussten, ob es funktioniert. Aber es klappt - unser Netzwerk wächst immer weiter."

Ziegenkäse aus Nußloch, Rohmilchkäse aus Hockenheim, Rind- und Schweinefleisch aus Rippenweier, Lamm aus Ursenbach, Weinheim und Viernheim, Wild aus dem Gemeindewald, Obst und Gemüse aus Dossenheim oder Umgebung und der Fisch aus Heiligkreuzstei-nach oder Großsachsen. Die Köche setzen auf die kurzen Wege und damit auf absolute Frische. "Die haben wir doch direkt vor der Haustür. Natürlich wollen wir auch weiterhin Olivenöl benutzen oder mal Quinoa anbieten, aber das sollen dann Produkte sein, die vertretbar sind."

Um die Preise für ein Menü nicht in die Höhe zu treiben, nutzen die Bistronauten auch mal Metzgerstücke, die nicht ganz so alltäglich daherkommen: Kalbsbäckchen statt Rinderfilet steht beispielsweise auf der kleinen, aber feinen Karte, die wöchentlich wechselt. Darauf zu finden: jeweils ein Fleisch-, ein Fisch- und ein vegetarisches Menü. Fisch heißt Lachsforelle, Saibling und manchmal auch Zander. Jede nachdem, was die Angler anbieten. Auf Meeresfisch verzichtet Stoll, der auch schon als Bio-Bauer in Kalifornien gearbeitet hat, bewusst.

Das Telefon klingelt. Servicekraft Ann-Sophie Tretter nimmt ab und gibt den Hörer an Stoll weiter. Am anderen Ende ist ein Bauer aus Ursenbach, der am Wochenende zwei Lämmer schlachtet und den Bistronauten das Fleisch anbietet. Der Chef nimmt an, legt auf und huscht bereits mit dem nächsten Menüvorschlag im Kopf weiter zu einem Tisch, um den Gästen einen Rotwein zu empfehlen. Einer testet, das Glas macht die Runde.

Genau diese Lockerheit vermitteln der baseballbemützte Stoll und Raiber, die sich in Turnschuhen, T-Shirt und Jeans am wohlsten fühlen, auch ihren Gästen. Bei den Bistronauten isst man ausgezeichnet, aber in gemütlicher Atmosphäre. "Wir wollten dieses Gesellige, den französischen Bistrostil. Ganz ungezwungen, aber mit guten Produkten", sagt Max Stoll, der auch schon in Berlin zwei Restaurants als Restaurantleiter zum "Bib Gourmand" geführt hat. Die Welt holt sich der Weltenbummler mit Gewürzen in die Küche. Und dass dem spontanen Tausendsassa Max Stoll schon wieder die nächste Idee für ein weiteres Projekt im Kopf herumschwirrt, beängstigt dessen Kollegen Johannes Raiber nicht.

"Für mich ist jede Erfahrung, die ich machen kann, eine besondere. Was ich will, ist, dass die Gäste glücklich nach Hause gehen. Und das, was wir hier anbieten - so gehen wir selbst gerne essen", sagt der Leutershausener. Mit diesem Konzept scheinen die Bistronauten offenbar den richtigen Geschmacksnerv getroffen zu haben. AT

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