Manfred Kopp malt historische Gebäude in Öl / Gemeinsam mit seiner Frau Inge erinnert er sich an die Verdolung vor 60 Jahren  

Im Jahr 1960 verschwindet der Apfelbach

Von 
Hans-Peter Riethmüller
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Hirschberg. Inge Kopp erinnert sich noch an ihre Kindheit. Mit ihren Schulkameraden stapfte die Großsachsenerin, eine geborene Burkert, durch den Apfelbach. „Wir liefen von der Alten Schule die Breitgasse hinunter. Des Öfteren gab es Schimpfe von den Eltern, wenn wir total durchnässt nach Hause kamen.“ Und im Winter haben die Kinder im Bereich der Bachwiesen welche in Richtung Eisenbahnstrecke lagen, eine riesige Eisfläche angelegt, um Schlittschuh zu laufen. Welch ein Spaß!

Dies liegt schon Jahrzehnte zurück. Die alten Großsachsener kennen die Geschichten vom Apfelbach noch, der aus dem Odenwald kommt, später als „Landgraben“ in die Weschnitz und dann in den Rhein fließt. Der Apfelbach führte zunächst ab der Lettengasse links an der Breitgasse entlang. Auf der Höhe der Alten Schule wechselte er auf die rechte Straßenseite. Schließlich, als der Autoverkehr immer mehr zunahm, wurde der Apfelbach als Hindernis empfunden und 1960 verdolt. Damit ging für viele ein Stück Beschaulichkeit im Ort verloren.

Landwirtschaftlich geprägt

Mit der Verdolung – darunter versteht man die meist röhrenförmige Einfassung eines Wasserlaufs zur Untertunnelung – wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 1959 begonnen. 1960, also genau vor 60 Jahren, erfolgten die Hauptarbeiten.

Inges Ehemann Manfred kennt das alles. Anfang 1960 zog es den gebürtigen Mannheimer nach der Hochzeit nach Großsachsen. Als historisch interessierter Mensch und langjähriger Kommunalpolitiker befasst er sich seit Jahren mit seinem Heimatort. Von seiner Frau Inge bekam er viele Anekdoten erzählt. Er selbst erlebte auch einiges. Und der verstorbene Hobby-Historiker Willi Eck gab ihm einen weiteren Impuls. Manfred Kopp malte anhand von alten Schwarz-Weiß-Bildern, die von Erich Dallinger und Hans Helmlinger stammten, historische Gebäude Großsachsens in Öl nach. Auf einem dieser Ölbilder ist die Alte Schule, die 1890 errichtet und zur damaligen Zeit „Schulpalast“ genannt wurde, mit dem damals noch offenen Apfelbach zu erkennen.

Typisch für den einstigen Geschäftsführer einer Holzfirma ist, dass Kopp nicht nur die historischen Gebäude malte. Er befasste sich auch mit der Geschichte und dem alltäglichen Leben im Hirschberger Ortsteil und hielt dazu Vorträge. Als Grundlage für seinen Blick auf die Historie dienten ihm das Heimatbuch von Rudolf Noethe, aber auch Gespräche mit den Einheimischen und natürlich mit seiner Frau Inge.

Das Leben und Arbeiten in den Dörfern stand bis in die 1960er-Jahre ganz im Zeichen der Landwirtschaft. Es war eine beschwerliche und schweißtreibende Arbeit. Der jeweiligen Jahreszeit entsprechend roch es nach eingeholtem Heu oder erdigen Rüben und Kartoffeln, frischem Gras oder nach dem spezifischen Aroma von Tabak.

Reges Geschäftsleben

Ähnlich wie der Tabak prägte auch der Wein den Ort. Wegen strikter EU-Verordnungen wurde der Tabakanbau jedoch eingestellt. Auf den Weinbau verzichten die Großsachsener hingegen nicht. Neben der bedeutenden Landwirtschaft als Grunderwerb entwickelte sich ein reges Geschäftsleben im Handel-, Gastronomie- und Dienstleistungsbereich. Als Kunstmaler wählte Manfred Kopp daher Motive von alten Gebäuden wie etwa das Alte Rathaus aus. Dort eröffnete im 1945 Grete Schütterle ihre Arztpraxis, ehe sie später in die Breitgasse ins Haus von Leutnant Schröders zog.

Zur medizinischen Versorgung gesellte sich später noch Noethe hinzu, der die Praxis seines Vaters übernahm. Und ab 1950 erlaubte der Staat, dass Großsachsen eine eigene Dorfapotheke haben durfte. Am nördlichen Ende der Landstraße befand sich der alte OEG-Bahnhof im typischen Fachwerkstil. Daneben stand die Ablieferstelle für die Obsternte. Und im Postgässel im Bleicherts Haus befand sich die damalige Deutsche Post, die dann später in Mayers Fritze Haus gegenüber der Tabakfabrik einzog.

Kopp weist ferner auf die die Kleiderfabrik W. Stauffert hin, die der weiblichen Bevölkerung die Gelegenheit bot, etwas zu verdienen. Der Großteil der dörflichen Kommunikation fand in den vielen Tante-Emma-Läden statt. „Dort kannte jeder jeden. Und man erfuhrt, wer Nachwuchs bekam, wer verstorben war, wer geheiratet hatte oder wer kurz davor stand.“

Stolz war Großsachsen auf seine Vielzahl von Geschäften. Da gab es beispielsweise in der Breitgasse die Metzgerei Haag und am Dorfeingang beim Kriegerdenkmal die Metzgerei Röth. Als Bäcker betätigten sich in der Kirchgasse die Bäckerei Weber sowie die Bäckerei Röger in der Breitgasse.

Die Lebensmittel wurden beim Braune Erich und seiner Mutter gegenüber dem Alten Rathaus sowie bei der Gasserts Agens im Siebenbürger Hof, bei Schröders Kätche oder beim Treusch in der Breitgasse eingekauft. Bei der „Raiffeise“ am Milchbuckel gab es vom Düngemittel über den Rechen und die Mistgabel bis zum Wingertstickel alles.

Neben den vielen kleinen Geschäften, die leider alle verschwunden sind, erwähnte Kopp die acht Mühlen in der Talstraße. Seinen historischen Rundgang beendet der Großsachsener mit den einstigen Gaststätten.

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