Medizin - Vor 25 Jahren erstes Herz in der Uniklinik transplantiert / Patient berichtet über das Davor und das Danach

"Zweites Leben geschenkt"

Von 
Mirjam Moll
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Und plötzlich beginnt es wieder zu schlagen. Ein Herz, das noch bis kurz vor der Operation auf Eis gebettet kalt und scheinbar tot dalag, pumpt mit einem Mal wieder Blut durch die Arterien und Venen - in einem völlig fremden Körper. Was Ende der 1960er Jahre eine Revolution in der Medizin bedeutete, ist heute fast schon eine Routineoperation. Erst Ende der 80er Jahre, am 23. Juni 1989, wurde das erste Herz im Heidelberger Transplantationszentrum der Uniklinik verpflanzt. Peter Strzys ist einer der Ersten, der damals unters Messer kam. Dass er einmal so alt werden würde, hat er vor knapp 25 Jahren nicht mehr zu hoffen geglaubt. Heute ist er 76 Jahre alt.

Strzys' Herz war am Ende. In seiner Kindheit hatte der Elektroingenieur, der buchstäblich arbeitete, bis er nicht mehr stehen konnte, immer wieder schwere Angina. Die Bakterien legten sich mit der Zeit auf die Herzklappen, irgendwann funktionierte die Aortenklappe nicht mehr richtig. Strzys hatte kaum noch Kraft, sich eigenständig eine Treppe hinaufzuschinden: "Ich konnte keine drei Stufen mehr gehen", erinnert er sich. Trotzdem arbeitete er weiter in der Bauleitung, schleppte sich in Rohbauten bis in den zehnten Stock. "Ich habe alleine eine halbe Stunde gebraucht, bis ich bei meinem Auto in der Garage war", erzählt der heutige Rentner.

Kammerflimmern

Strzys kommt ins Krankenhaus. Die Ärzte stellen fest, dass er sein Herz nicht mehr lange schlagen würde. Kammerflimmern. Der damals 52-Jährige muss reanimiert werden, liegt monatelang auf der Intensivstation. Wegen seines schlechten Zustands rückt Strzys' Name immer höher auf der Warteliste. Fünf Monate hält er aus, bis endlich ein passendes Spenderherz gefunden ist. Angst vor der OP hatte er nicht - obwohl er erst der siebte Patient war, dem in Heidelberg ein Herz transplantiert wurde: "Mir ging nur eines durch den Kopf: Entweder ich werde operiert, oder ich sterbe."

Unmittelbar nach der stundenlangen Operation - damals noch in der Krehlklinik - kann sich Strzys wieder aufsetzen. Bis er wieder voll regeneriert ist, vergeht kaum Zeit. Gerade einmal zehn Monate nach der Transplantation sitzt der Ingenieur wieder hinter seinem Schreibtisch. Sein Leben hat sich dennoch völlig verändert: Seit der Einpflanzung des neuen Herzens muss Strzys auch starke Immunsuppressiva schlucken. Weil mit den Medikamenten Nebenwirkungen einhergehen, kommen weitere Pillen dazu. Gegen zu hohen Blutdruck, überhöhte Cholesterinwerte, den rasenden Puls ... "Die ersten zehn Jahre habe ich gar keine Betablocker bekommen", sagt der Rentner: Diese verhindern das typische Herzrasen von Transplantationspatienten. "Ein verpflanztes Herz schlägt nämlich viel schneller als das eigene", erklärt er. Zehn Tabletten schluckt er täglich - und das seit 25 Jahren. Seither hat er weit über 50 Herzbiopsien über sich ergehen lassen müssen, einmal jährlich wird Strzys auf Herz und Nieren geprüft - buchstäblich.

All das, um eine Abstoßung, die trotz aller Immunsuppressiva immer möglich ist, frühzeitig zu erkennen: "Das ist die größte Gefahr für einen Transplantationspatienten", erklärt der 76-Jährige. Wegen der verminderten Immunabwehr kann er sich auch leichter erkälten oder eine Grippe einfangen als gesunde Menschen. Trotzdem. Strzys ist dankbar für sein zweites Leben: "Seither gehe ich positiver durchs Leben. Aber das Leben ist auch brutal."

Seine Rückkehr in den Beruf - sie war nicht leicht. "Ich habe sehr schnell wieder angefangen, zu arbeiten." Er habe Kollegen gehabt, die ihn aus dem Geschäft hätten drängen wollen. Strzys musste sich behaupten - gesundheitlich wie professionell. Mit 60 hätte er bereits in Rente gehen können, tatsächlich ging er erst mit 63 Jahren. "Und ich hätte noch länger arbeiten können", betont der 76-Jährige. Oft schwang er sich aufs Fahrrad, fuhr mit Leichtigkeit von Ludwigshafen bis zum Speyerer Dom."Ich dachte nie, dass ich so fit werden würde."

Mittlerweile mache aber auch vor ihm das Alter nicht Halt: "Ich kann nicht mehr so rennen wie früher", sagt der Rentner nicht ohne ein Schmunzeln. Trotzdem ist er glücklich, hat sich ein paar Träume erfüllt, reiste nach China, Südafrika, Amerika und den Nahen Osten. Entdeckte die Welt für sich. "Das wäre mit meiner Krankheit niemals möglich gewesen", sagt Strzys. "Die OP hat mir ein zweites Leben geschenkt".

Herztransplantation

Die erste erfolgreiche Transplantation eines Herzens wurde bereits 1905 in Wien an einem Hund vorgenommen.

Die weltweit erste erfolgreiche kurative Herztransplantation am Menschen nahm 1967 Christiaan Barnard im Groote Schuur Hospital in Kapstadt vor.

Inzwischen gilt aber Hamilton Naki als erster erfolgreicher Operateur einer Herztransplantation.

Als Schwarzer wurde sein Verdienst im Zuge der Apartheid zunächst verschwiegen. Sein Patient erlag jedoch 18 Tage nach der Operation einer Pneumonie.

Die erste Herztransplantation in Heidelberg wurde am 23. Juni 1989 gemacht. Peter Strzys war der siebte Patient.

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