Umwelt

Warum Tabletten-Packungen unnötig viel Müll produzieren

Tonnenweise Verpackungsmüll bei Tabletten könnten wir einsparen. Das haben Heidelberger Wissenschaftler herausgefunden. Wo die Müllfallen lauern - und warum die USA es besser machen als Deutschland

Von 
Heike Sperl-Hofmann
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Rund 3000 Tonnen Material könnten in Deutschland jedes Jahr vermieden werden, wenn Tabletten platzsparender in Blisterstreifen angeordnet wären. © S. Prautsch/dpa

Heidelberg. Etwa 3000 Tonnen an bisher nicht recycelbarem Verpackungsmaterial könnten allein in Deutschland jedes Jahr vermieden werden, wenn Tabletten und Kapseln platzsparender in ihren Blisterstreifen angeordnet wären. Zu diesem Ergebnis kommen die Nachwuchswissenschaftlerin Olivia Falconnier-Williams und Professor Walter E. Haefeli von der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg, wie die Universität mitteilte.

Sie vermaßen und wogen die Blisterverpackungen der 50 häufigsten in Deutschland verschriebenen Tabletten und Kapseln und berechneten daraus das jährlich anfallende Gewicht gebrauchter Blisterstreifen. Auf dieser Basis schätzten sie dann, wie viel Verpackungsmaterial sich bei anderer Anordnung der Kammern einsparen ließe.

Verpackung von Tabletten „Verschwendung von Ressourcen“

Denn anders als beispielsweise im amerikanischen Raum sind Tabletten und Kapseln in Europa jeweils einzeln in Kammern eines Blisterstreifens verschweißt. Dieser besteht aus einem Verbund verschiedener Kunststoff-Polymere oder Aluminiumfolien. „Derzeit gibt es keine wirtschaftlichen Verfahren, die Materialien wieder voneinander zu trennen, um sie recyclen zu können.

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Gebrauchte Blisterstreifen landen ausnahmslos im Restmüll“, erläuterte Haefeli, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie ist. „Das ist Ressourcenverschwendung. Die Menge an Material, die wir allein in Deutschland durch kleine Anpassungen jährlich einsparen könnten, rechtfertigt, die gängige Praxis zu hinterfragen und nach neuen Lösungen zu suchen.“

Abstände bei Tabletten-Blistern nicht medizinisch nötig

Die Vermessung ergab: Die Abstände zwischen den Kammern machen durchschnittlich rund 70 Prozent des Blistermaterials aus. Für die 50 meistverkauften Tabletten und Kapseln schätzte das Team das für die Zwischenräume verbrauchte Material auf 3868 Tonnen. Hochgerechnet auf alle in Deutschland pro Jahr vertriebenen Medikamente dieser Art ergeben sich mehr als 8500 Tonnen Blistermaterial. 37 Prozent davon ließen sich einsparen, wenn man die Tabletten in zwei Reihen mit jeweils zwei Millimetern Abstand anordnen würde.

Spezielle Gründe für größere Kammerabstände gibt es laut Universität nicht – weder beeinflusst die Verpackungsdichte die Haltbar- oder Wirksamkeit des Medikaments, noch lassen sich die Tabletten bei einem bestimmten Abstand besser oder schlechter aus dem Blister drücken.

Dazu kommt, dass gleiche Medikamente von verschiedenen Herstellern nicht nur in unterschiedlicher Tablettenform und -größe, sondern auch in Blistern mit unterschiedlichen Kammerabständen angeboten werden. Vorgaben gibt es nicht. „Ausschlaggebend ist wahrscheinlich hauptsächlich die maschinelle Ausstattung des jeweiligen Verpackungsunternehmens“, erklärte Haefeli.

Kleine Anpassung, große Wirkung

Die Idee, sich diese Problematik näher anzuschauen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten, hatte Erstautorin Olivia Falconnier-Williams, Tochter einer Apothekerin in der Schweiz, als sie sich auf das Abitur vorbereitete: „Ich wollte mit einem alltäglichen Beispiel, den Blisterverpackungen von Medikamenten, zeigen, welch großen Unterschied kleine, unscheinbar erscheinende Anpassungen machen können, und Menschen motivieren, Dinge in ihrem Alltag kritisch zu hinterfragen und bestenfalls zu optimieren, um Stück für Stück unseren Alltag ökologischer zu gestalten.“

Dem schließt sich Professor Haefeli an: „Solange es noch nicht möglich ist, Blister zu recyceln, ist ihre flächendeckende Umgestaltung eine einfache und vor allem zeitnah umsetzbare Strategie der Abfallvermeidung.“ Er hoffe, dass dieser Punkt künftig vor allem bei Großabnehmern wie Kliniken und ihren Einkaufsgenossenschaften berücksichtigt werde, denn häufig könnten diese zwischen mehreren gleichwertigen Anbietern auswählen. „Ich hoffe aber auch, dass andere Verpackungen, – wie Blisterstreifen für Kaugummis, Batterien und viele weitere – diesbezüglich sehr kritisch überdacht werden.“ 

Redaktion Blattmacherin Metropolregion, Heidelberg, Ludwigshafen

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