Interview

Warum Christel Zachert seit 30 Jahren gegen Krebs bei Kindern ankämpft

Die Isabell-Zachert-Stiftung feiert 30 Jahre Engagement gegen Kinderkrebs – unter anderem in Heidelberg. Was Christel Zachert antreibt.

Von 
Joachim Klaehn
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Christel Zachert erzählt im Interview, was sie seit mehr als 30 Jahren antreibt. © Jegliche Verwendung ist honorarpflichtig und nur zu journalistischen/publizistischen Zwecken gestattet.

Heidelberg. Die Isabell-Zachert-Stiftung (IZS) wurde 1995 von Christel Zachert ins Leben gerufen. Den Krebstod ihrer Tochter im Jahr 1982 begreift die heute 85-Jährige als Schicksalsschlag, Herausforderung und Vermächtnis. Christel Zachert, Ehefrau des ehemaligen Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Hans-Ludwig Zachert (88), schreibt sich in mehreren Büchern die Trauer vom Leib. Sie engagiert sich beharrlich für den Kampf gegen Kindertumore und setzt mit ihrer Treuhandstiftung, die von der Deutschen Kinderkrebsstiftung verwaltet wird, ein starkes Zeichen.

Auf dem Dach des 2010 erbauten „Piratennests“ im Heidelberger Waldpiraten-Camp begegnen wir einer faszinierenden, zugewandten und offenen Persönlichkeit. Christel Zachert, aus einer alten Kaufmannsfamilie stammend, weiß genau, was sie sagt. Sie ist eine Botschafterin und Macherin par excellence, die die Führung der Stiftung an ihren Sohn Matthias und ihre Schwiegertochter Eva weitergegeben hat. Den Besuch bei den „Waldpiraten“ lässt sie sich derweil nicht nehmen.

Frau Zachert, in diesem Jahr darf das 30-jährige Bestehen Ihrer Stiftung notiert werden. Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum persönlich?

Christel Zachert: Ein großes Altersglück! Es bestärkt mich in der Überzeugung, dass ich aus meinem Leben etwas Gutes gemacht habe. Die Isabell-Zachert-Stiftung ist 1995 eingetragen worden mit dem Ziel, die psychosoziale Betreuung für krebskranke Kinder und ihre Geschwister zu verbessern. Heutzutage sind auch die wissenschaftlichen Förderprojekte für die Bekämpfung pädiatrischer Krebserkrankungen Ziel unserer Bemühungen.

Christel Zachert besucht wieder einmal die "Waldpiraten" und bringt einen großen Scheck mit – eine Spende für ein zusätzliches Camp. © Jegliche Verwendung ist honorarpflichtig und nur zu journalistischen/publizistischen Zwecken gestattet.

Aktuelles Beispiel ist das Forschungsprojekt zur Behandlung von Weichteilsarkomen, das die IZS mit 100.000 Euro zum Jubiläum unterstützt. Ihre Einordnung?

Zachert: Es gehört heute zu unserem Schwerpunkt in der Stiftungsarbeit, auch gezielt in die Forschungsförderung für Weichteilsarkome zu investieren. Für mich wäre es ein Traum, wenn diese seltene Erkrankung der Weichteilsarkome bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die ein Prozent aller Tumorerkrankungen ausmacht, eine erfolgreiche, individuelle Therapie nach sich zieht. Kinderkrebs ist so differenziert zu betrachten. Für mich ist es eine völlig neue Herausforderung, dafür zu sorgen, dass mit dieser Anschubfinanzierung für Dokumente, die alle Fakten in einer Datenbank vereint, europaweit Erfolgsgeschichten entstehen. Meine Tochter Isabell war damals an einem Weichteilsarkom verstorben – Sie verstehen, warum das Forschungsprojekt für meine gesamte Familie die Erfüllung eines Traums wäre.

Was war der Auslöser, eine Stiftung zu gründen?

Zachert: Eigentlich war es das Tagebuch, das Isabell in den letzten sechs Wochen ihres Lebens in unserem Beisein geschrieben hat. Das Tagebuch war ehrlich bis auf die Knochen – und ich habe es unseren Söhnen und meinem Mann vorgelesen. Ende 1982 war mir noch nicht bewusst, dass es zu meiner Lebensaufgabe werden würde. Es hat über zehn Jahre gebraucht, bis ich innerhalb von nur zehn Tagen das Buch „Wir treffen uns wieder in meinem Paradies“ in einem Ferienhaus in den Ardennen, bei einer Kundin meiner Finanzberatung, runtergeschrieben habe. Diese Freundin hat mich damals aus einem tiefen Loch geholt. Mein Mann las meine Zeilen und sagte nur: ‚Schreib weiter!‘ Ein Jahr später wurde das Buch bei der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Es wurde ein großer Erfolg und in 32 Sprachen übersetzt. Isabell starb nach zehn Chemotherapien im Johanniter Krankenhaus, in dem Prof. Dr. Walter Möbius wirkte, mit dem tröstlichen Gefühl, dass sie zuhause ist.

30 Jahre Isabell-Zachert Stiftung

Spendensumme gesamt: 2,75 Millionen Euro (seit 1995)

Aktuelle Förderung: 100.000 Euro für das „Soft Tissue Sarcoma Registry (SoTiSaR 2.0-NIS“) für die Weichteilsarkom-Forschung; Unterstützung von zwei Waldpiraten-Camps

Einrichtungen der Deutschen Kinderkrebsstiftung: Waldpiraten-Camp Heidelberg und SyltKlinik in Wenningstedt-Braderup

Stiftungsvorsitz: Matthias Zachert, Dr. Eva Zachert; Dr. Benedikt Geldmacher, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderkrebsstiftung

Spendenkonto: Deutsche Kinderkrebsstiftung, Commerzbank AG Bonn: IBAN: DE89 3804 0007 0385 3330 00; BIC: COBADEFFXXX

Bücher der Autorin Christel Zachert: „Wir treffen uns wieder in meinem Paradies“ (mit Isabell Zachert, 1993); „Mädchen, was die Jungs können, kannst du schon lange“ (1999); „Puppchen, aus dir wird noch was“ (2002); „Mein Weg auf den Kilimandscharo – Nur wer sich aufmacht, kommt an seine Grenzen“ (2009). jog

Wie konnten Sie – trotz des sehr schmerzhaften Verlusts Ihrer Tochter – mit ihren Büchern, der Stiftung und dem Vermächtnis von Isabell etwas derartig Lebensbejahendes schaffen?

Zachert: Wissen Sie, ich habe durch die Finanzberatung zurück ins Leben gefunden. Doch die eigentliche Kraft kam von unserer Tochter Isabell. Sie hatte die Kraft, die Liebe und den Glauben an Gott, dem Tod ins Auge zu schauen. Ihre letzten Worte habe ich bestimmt 20-mal ausgedruckt: „Ich mache so vielen Menschen Mut und nehme ihnen mit meiner frohen Ausstrahlung vielleicht die Angst vor dem Tod“. Ich musste also damit einfach umgehen und leben.

Wie hat sich die Arbeit der Isabell-Zachert-Stiftung in den letzten drei Jahrzehnten entwickelt – welche Meilensteine gibt es?

Zachert: Da gibt es viele (lacht). Die Einweihung des Waldpiraten-Camps in Heidelberg 2003; die Nachfrage der Leser, weitere Bücher über meine Lebensgeschichte zu schreiben; das Besteigen des Kilimandscharo mit 67 Jahren – daraus ist ebenfalls ein Buch entstanden; die insgesamt zehn IPA-Radtouren (International Police Association, die Red.) zwischen 2010 und 2019 mit pensionierten und aktiven Polizistinnen und Polizisten, die insgesamt 630.000 Euro Spendengelder eingebracht haben, wovon eine Menge Camps bezahlt werden konnten; das Hörbuch als Ergänzung zu „Wir treffen uns wieder in meinem Paradies“ – es wurde von mir gesprochen und ich habe Isabell dabei erzählt, wie es mit der Familie weiterging; die letzte IPA-Tour 2019, die im Waldpiraten-Camp Heidelberg endete; im gleichen Jahr der rund eine Million Euro teure Neubau des „Isabell-Zachert-Hauses“ in der SyltKlinik und vor zwei Jahren der Fußballplatz „Bellis Bolzplatz“. Im Endeffekt steht über allem, dass krebskranke Kinder, deren Geschwister und Eltern in den Einrichtungen der Deutschen Kinderkrebsstiftung auf Sylt und in Heidelberg dank der Projekte Kräfte auftanken, neue Perspektiven erkennen und Lebensfreude pur schöpfen können.

Was war und ist für Sie die größte Herausforderung?

Zachert: Dass ich neben all der Arbeit die Familie zusammengehalten habe. Es bedurfte eines ständigen Jonglierens mit den Kräften – und gegenseitigen Verständnisses. Mein Sohn Matthias, ein begabter Ökonom, und meine Schwiegertochter Dr. Eva Zachert, eine Volljuristin, werden das Stiftungs-Engagement in Isabells Namen fortführen. Ich bin da sehr zuversichtlich: Sie haben selbst vier gesunde Kinder und sind ein tolles Team. Der Generationswechsel ist in der Führung der Stiftung vollzogen.

Was macht das Waldpiraten-Camp der Deutschen Kinderkrebsstiftung einzigartig?

Zachert: Für mich ist es die Tatsache, dass krebskranke Kinder wieder Mut bekommen und Hoffnung auf Heilung verspüren. Es ist sehr, sehr viel Menschlichkeit hier im Camp dabei. Kinder, die ein Handicap haben, bewältigen aufregende Abenteuer. Spielen, Klettern, Gemeinschaftssinn usw. sind unwahrscheinlich elementare Erlebnisse. Es besteht über die Jahre eine enge emotionale Bindung, zum Beispiel durch eine 93-jährige Dame, die mit ihrer großzügigen Spende eines der nächsten Camps finanziert. Es gibt einige Kinder, die mich wiedererkennen und meinen Namen rufen. Das ist einfach schön.

Medizin, Pädagogik, Psychologie, Soziales, Privatpersonen – die „Waldpiraten“ genießen mannigfaltige Unterstützung. Wieviel Respekt haben Sie vor dieser interdisziplinären Arbeit vor Ort?

Zachert: Das ist wie eine Großfamilie. Im Vordergrund steht natürlich die Therapie. Es ist bemerkenswert, dass Freiwillige und Ehrenamtliche vorbeikommen, um im Camp mitzuarbeiten. Das löst in mir eine große Dankbarkeit aus. Wichtig ist aber genauso, dass Kinderkrebs ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt. Sarkome sind überall – Bindegewebe gibt es im ganzen menschlichen Körper. Wir hatten damals Glück, dass unsere Tochter noch ein Jahr gelebt hat. Isabell konnte dadurch noch viel bewirken.

Wieviel Zutrauen haben Sie in die Forschung und moderne Medizin, Kinderkrebs den Kampf anzusagen?

Zachert: Wir Menschen müssen begreifen, dass Tumore bei Kindern seltene Krankheiten sind. Inzwischen haben wir aufgrund der Digitalisierung gelernt, Daten zu selektieren und gezielt individuell nach Krebsarten zu suchen. Ich sehe auch Chancen durch Anwendung von Künstlicher Intelligenz. Man braucht vor der Weitergabe von Daten keine Angst zu haben. Es geht darum, Krankheitsbilder zu bestimmen – am betroffenen Patienten die bestmögliche Diagnose zu stellen und bestmögliche Therapie anzuwenden. Forschung und Medizin sind Hoffnungsträger. Die wissenschaftliche Analyse des Biomaterials, zum Beispiel die Entschlüsselung des menschlichen Genoms, ist in Kombination mit den erwähnten medizinischen und personalisierten Daten, zweifellos richtungsweisend.

Ihr Engagement ist auch Ausdruck einer Haltung und vermittelt zentrale gesellschaftliche Werte. Welche Kernbotschaften möchten Sie gerade an jüngere Generationen aussenden?

Zachert: Engagiert euch! Jeder hat Dinge, für die er sich begeistern kann. Seid nicht teilnahmslos – macht etwas aus eurem Leben! Das ist der Schlüssel.

Was treibt Sie mit 85 Jahren unermüdlich an?

Zachert: Solange ich lebe, werde ich versuchen, positiven Einfluss auf die Verbesserung der Kinderonkologie auszuüben. Noch werde ich gebraucht (lacht). Mein Sohn Matthias wird andere Hebel besitzen, um auf wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Basis künftig Fortschritte zu erzielen. Am 57. Geburtstag von Isabell (Anm. der Red: 3. März 2023) habe ich eine klassische öffentliche Lesung in einer Altersresidenz gehalten. Meine feste Überzeugung ist: Man muss bereit sein, sich zu bekennen, wenn man etwas bewirken will. Nur dann ist sehr vieles möglich – und konkret umsetzbar. Das habe ich getan und werde es auch weiterhin tun.

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