Sandhausen/Lège-Cap-Ferret. Gernot Rohr ist auf seinem Boot vor der Küste Arcachons im Südwesten Frankreichs unterwegs, als er zwei dunkle Rauchsäulen am Horizont aufsteigen sieht. Der Coach vom Cap - wie manche ihn nennen - ahnt, dass etwas nicht stimmt. „Wir wussten sofort, dass hier etwas im Gange ist“, sagt Rohr eine Woche später am Telefon.
Der 69-Jährige stammt aus Mannheim, gehört zur bekannten Neckarauer Fußballer-Familie Rohr. Als Profi spielte er beim FC Bayern München an der Seite von Franz Beckenbauer, Paul Breitner und Gerd Müller. Ende der 1970er-Jahre fand er seine sportliche und private Heimat in der französischen Gironde. Zunächst als Spieler bei Girondins Bordeaux, später als Trainer - unter anderem von Bixente Lizarazu und Zinédine Zidane.
Rauch deutlich sichtbar
Heute lebt Gernot Rohr in einem der elf kleinen Dörfer, aus denen Lège-Cap-Ferret besteht, die südwestfranzösische Partnergemeinde von Sandhausen. Von der Terrasse seines Hauses aus blickt man direkt auf die Bucht von Arcachon. Umgeben von jahrhundertealten Pinien, die sich bis ins Baskenland ziehen und so charakteristisch für die französische Atlantikküste sind. In den vergangenen Tagen sind laut den französischen Behörden rund 17 000 Hektar dieses Waldes niedergebrannt. Die Feuerwehren in der Region kämpfen mit zwei großen Brandherden: in der Gemeinde Landiras, rund 50 Kilometer Luftlinie von der Sandhäuser Partnergemeinde entfernt und im Badeort La Teste-de-Buch, rund 70 Kilometer westlich von Bordeaux, ganz in der Nähe der größten Wanderdüne Europas, der Dune du Pilat.
„Dieses Feuer ist ein Monster“, sagte der Präsident des Départements, Jean-Luc Gleyze, der Zeitung „Le Monde“. Die Lage ist angespannt.
„In den vergangenen Tagen haben wir den Rauch ganz deutlich gesehen“, sagt Rohr. Nachts habe er mit dem Fernglas beobachtet, wie die Flammen in 50 Kilometern Entfernung flackerten. Der Rauch sei bis auf die Halbinsel gezogen, auf der sein Haus steht. Er fraß sich in die Zentren der Gemeinden hinein, „wie Nebelschwaden“, sagt Rohr. Begleitet von einem durchdringenden Geruch. In den sozialen Medien sind Aufnahmen von Menschen zu sehen, die Aschebrocken in ihren Gärten gefunden haben, Ascheflocken hinabrieseln sahen. „Hier herrscht die höchste Alarmstufe“, sagt Ex-Fußballprofi Rohr. Nur wenige Kilometer entfernt, im kleinen Ort Le Four, sei am Montag ein Auto in Brand geraten. Der Feuerwehr sei es aber glücklicherweise gelungen, den Brand unter Kontrolle zu bringen. „Im Wald sind inzwischen alle Radwege gesperrt“, sagt Rohr. Zu groß ist die Angst, dass die trockenen Pinien auch hier Feuer fangen könnten.
Die Staatsanwaltschaft in Bordeaux hat inzwischen einen Mann wegen des Verdachts der Brandstiftung festgenommen. Er soll für das Feuer in der Gemeinde Landiras verantwortlich sein. Bei dem zweiten Waldbrand in La Teste-de-Buch gehen die Behörden davon aus, dass das Feuer durch einen Lieferwagen, der in Brand geriet, ausgelöst wurde.
In Sandhausen beobachtet man dieser Tage genau, was in der Partnergemeinde am Atlantik passiert. Seit 42 Jahren besteht die Freundschaft nach Südwestfrankreich. „Die Lage vor Ort ist dramatisch“, sagt ein Sprecher der Gemeinde im Gespräch mit dieser Redaktion.
Sandhäuser in Sorge
Am Dienstag besprach sich Sandhausens Bürgermeister Hakan Günes mit seinem französischen Amtskollegen Philippe de Gonneville, der beschreibt, wovon auch Gernot Rohr berichtet: brennende Wälder, ein Feuerschein, der die Nacht erhellt, Hitze. Eine Woche lang habe die Region täglich knapp 40 Grad gemessen.
Temperaturen in dieser Höhe sei man in Lège-Cap-Ferret nicht gewöhnt, so der französische Bürgermeister. Gonneville nennt Zahlen, die das Ausmaß der Katastrophe deutlich machen: 30 000 Menschen wurden bislang evakuiert, 1200 Feuerwehrleute sind im Dauereinsatz. Medienberichten zufolge sind es sogar 1700 „Pompiers“, die gegen das Feuer ankämpfen. Auch der Zoo der Bucht von Arcachon begann Anfang dieser Woche damit, seine rund tausend Tiere in Sicherheit zu bringen.
„Heute ist es zum ersten Mal ein wenig kühler“, sagt Rohr am Dienstag. 30 Grad, die sich nach der Hitze angenehm und erträglich anfühlten. Von seiner Terrasse aus hat Rohr an diesem Tag zum ersten Mal keine Rauchschwaden gesehen. Und hat die Aussicht auf Hoffnung.
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