Justiz

Versuchter Mord: Mit Steakmesser auf Noch-Ehefrau eingestochen?

Von 
Agnes Polewka
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Der Prozess wird vor dem Heidelberger Landgericht verhandelt. © Uli Deck/ dpa

Heidelberg. „Es gab eine Vorgeschichte“, sagt Ervin B. am Montag vor dem Heidelberger Landgericht. Mehr nicht. Der 31-Jährige möchte sich nicht zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft äußern. Dazu, dass er wegen versuchten Mordes vor Gericht steht. Weil er seiner Frau, die getrennt von ihm lebt, vor der Haustür aufgelauert, mit einem Steakmesser auf sie eingestochen haben soll. Wieder und wieder. In den Rücken – dabei wurde das Rückenmark durchtrennt, die Frau ist gelähmt, vielleicht für immer. Und in den Bauch. „Das Opfer erlitt hier drei Stichverletzungen – jede für sich bereits lebensgefährlich“, sagte Staatsanwalt Tobias Schmidt bei der Anklageverlesung.

Schreie der Frau gehört

Die Staatsanwaltschaft rekonstruiert den Abend im September 2021, an dem die Frau lebensgefährlich verletzt wurde: B. soll in einem Gebüsch vor der Wohnung seiner Noch-Ehefrau in Kirchheim auf sie gewartet und sie überrascht haben. Wortlos habe er ihr Fahrrad gepackt. Die Frau sei davon gelaufen, zu den Nachbarn, um sich in Sicherheit zu bringen. Sie habe gedacht, ihr Ex-Partner wolle das Rad in den Keller stellen. Doch das tat er laut Anklage nicht. Stattdessen soll er sich von hinten leise angeschlichen – und zugestochen haben.

Die Schreie der Frau hallten durch die Straße. So schildern es die Nachbarn am ersten Prozesstag. „Stop“ und „Polizei“ soll die Frau immer wieder geschrien haben. Auf dem Boden liegend, mit Bauchwunden und Verletzungen der Wirbelsäule. Dann ging laut Zeugen alles ganz schnell: Ein Nachbar sprang über die Brüstung seines Balkons im Erdgeschoss, um zu der Frau zu gelangen. Ein 65-Jähriger schrie, gestikulierte mit seinem Gehstock. Der mutmaßliche Täter flüchtete, stieg in ein Auto mit Speyerer Kennzeichen, das Anwohner notierten. „Als er einstieg, lächelte der Mann komisch“, sagt eine Nachbarin am Montag. Dann sei der Mann davongerast. Nicht alle sind sich sicher, ob der Angeklagte der mutmaßliche Täter ist, alles sei sehr schnell gegangen.

Ervin B. sagt zwar nichts zu den Vorwürfen. Aber er gewährt dem Gericht Einblicke in sein Leben – und seine Persönlichkeit. Ervin B. erzählt, wie er mit 18 Jahren zum ersten Mal aus seiner albanischen Heimat nach Deutschland reist, seinen Onkel in Speyer besucht. Dort lernt er mit 23 Jahren auch seine Frau kennen, die am DKFZ arbeitet.

Die beiden werden ein Paar, heiraten ein Jahr später. „Ich wollte mir hier etwas aufbauen“, sagt der 31-Jährige. In Albanien habe er mit einem Freund einen Copy-Shop samt Bücherverkauf in der Nähe einer Universität betrieben, sagt er. In Deutschland arbeitet er zunächst für eine Zeitarbeitsfirma, macht dann eine Umschulung und arbeitet in Heidelberg als Busfahrer. Dann kündigt er. Warum genau, bleibt unklar. Ervin B. verliert sich in seinen Ausführungen. Er spricht von Stalking und einem Nachbarschaftsstreit, von großen psychischen Belastungen. Eine Nachbarsfamilie aus dem Haus, in dem er mit seiner Frau lebte, habe ihn auf dem Kieker gehabt und soll ihn diskreditiert haben. „Jeder muss sich selbst schützen“, sagt der 31-Jährige. Immer wieder spricht er von Anzeigen und der Polizei, von einer Machete, einem konfiszierten Messer. Er scheint einen kurzen Moment hinter seiner Maske zu grinsen. Er murmelt „asoziale Leute“ und „Kleinkriminelle“.

B. berichtet von Terminen beim Betriebsarzt und beim Psychologen. Von Schlaf- und Beruhigungsmitteln, einem negativen Drogentest. Von Problem mit Kollegen, die schlecht über ihn reden. Vom guten Verhältnis zu seinem Chef. „Dem Psychiatrischen Sachverständigen haben Sie erzählt, dass Sie Ihren Chef geschlagen haben“, wirft der Vorsitzende Richter Jochen Herkle ein. Ervin B. zieht die Augenbrauen hoch. „Das habe ich nicht gesagt“, so der Angeklagte. Herkles Blick wandert über die Akte. „Sie haben gesagt, dass Sie nicht zufrieden waren, wie Sie behandelt wurden. Ihnen Anerkennung fehlte.“ Ervin B. schüttelt den Kopf. Im Gerichtssaal sitzen auch Angehörige der Ex-Partnerin von Ervin B., die im September des vergangenen Jahres so schwer verletzt wurde. „Alles Lügen“, flüstert eine Frau, macht sich Notizen.

Fragen nach seiner Ehe, nach der Trennung blockt Ervin B. ab. Fast schon patzig. Beziehungsprobleme – dann der Auszug, sein Umzug nach Speyer, kein Kontakt mehr. Und dann dieser eine Satz: „Es gab eine Vorgeschichte.“ Mehr nicht.

Redaktion

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