Nachruf

Trauer um den Heidelberger Jazzmusiker Karl Berger

Der 88-jährige Vibrafonist starb in seiner Wahlheimat USA. Seine Karriere begann im "Cave 54" und führte ihn regelmäßig an die Seite von Weltstars

Von 
Georg Spindler
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Karl Berger am Vibrafon bei Enjoy Jazz 2010 in Heidelberg. © Rinderspacher

Heidelberg. Dass der Tod eines Jazzmusikers in der Kurpfalz ebenso heftig betrauert wird wie in New York, ist ein Ausnahmephänomen. Aber bei Karl Berger ist dies der Fall. Denn der Heidelberger hat es im Mutterland des Jazz zum Kult-Status gebracht. Er spielte mit Weltstars des Genres - Ornette Coleman, Don Cherry, Lee Konitz, aber auch mit Popbands wie Material oder den Swans. Wie der New Yorker Verlag Hudson Valley am Montag (Ortszeit) berichtete, ist der Vibrafonist, Pianist, Pädagoge und Musik-Philosoph am 9. April in einem Krankenhaus in Albany gestorben. Er wurde 88 Jahre alt.

Bis zuletzt war Berger, der seit langem in den USA lebte, aktiv, im November 2022 erschien noch ein Album, das er mit dem Trompeter Kirk Knuffke aufgenommen hatte. Und wie immer faszinierten da Bergers lebhaft tänzelnde Vibrafon-Linien, die an den klöppelnden Klang afrikanischer Balkone und das metallische Klingeln balinesischer Gamelan-Metallophone erinnerte. Berger war nämlich auch ein Pionier der Weltmusik (einen Begriff, den er verachtete). Er spielte schon in den 1980ern in dem von ihm und Ornette Coleman gegründeten Creative Music Studio mit Instrumentalisten aus Afrika und Südamerika.

Anfänge im „Cave 54“

Seine Weltkarriere begann er 1955 im Alter von 20 im Heidelberger Jazzclub „Cave 54“, wo er den Mannheimer Wolfgang Lauth als Hauspianist ablöste. Bis morgens um fünf wurde dort mit US-Gastmusikern gejammt, tagsüber studierte Berger Soziologie und Musikwissenschaft. Im „Cave“ entdeckte er ein abgestelltes Vibrafon - und fand zu seinem Hauptinstrument.

Als Einziger aus dem Kreis der Kurpfälzer Musiker schaffte er den Sprung in die internationale Jazz-Elite. Berger, promovierter Musikwissenschaftler, gab einen Assistenzjob bei Theodor W. Adorno auf und setzte alles auf eine Karte: „Als ich hörte, dass (der Free-Jazz-Trompeter) Don Cherry in Paris war, bin ich einfach hingefahren. Schon am nächsten Tag habe ich mit ihm gespielt“, erinnerte sich Berger im Gespräch mit dieser Redaktion.

Totale Kommunikation mit Cherry

Die Don-Cherry-Gruppe sorgte mit suitenartigen, thematisch mehrgliedrigen Kollektivimprovisationen für Furore. Das Zusammenspiel war traumwandlerisch - nicht ohne Grund: Die Mitglieder kamen aus unterschiedlichen Ländern und konnten sich mangels Sprachkenntnissen nur musikalisch unterhalten. „Es war die totale Kommunikation“, so Berger. Mit Cherry ging er nach New York, nahm Platten für die Kult-Labels Blue Note, ESP und Milestone auf und gewann sechsmal die Kritikerumfrage des US-Magazins „Down Beat“ als bester junger Vibrafonist.

Seine Kommunikationsfähigkeit und die Vitalität seines Spiels machten ihm zum idealen Partner für eine Vielzahl von Musikern. Als Mitglied von Bill Laswells Produktionsteam arbeitete der Heidelberger mit Größen wie dem Hip-Hop-Pionier Africa Bambaata oder dem jamaikanischen Toaster Yellowman, für dessen Musik er Streicher-Arrangements schrieb.

Das tat er auch für Jeff Buckleys Erfolgsalbum „Grace“ (die mit dem Hit „Halleluja“). Zu seinen schönsten Jazzalben zählen „Transit“ (1896, mit Dave Holland und Ed Blackwell) , das er mit funkensprühender Lebensfreude veredelt, sowie „Around“ (1991), das von swingende Entspanntheit erfüllt ist.

Musiker als Medizinmann

Musik war für Berger eine Heilkraft. „Sie leistet einen Beitrag dafür, dass es die Welt überhaupt noch gibt“, sagte er 1992 im Gespräch mit dieser Redaktion. „In Afrika gab es Stämme, in denen der Musiker und der Medizinmann ein und dieselbe Person waren. Ich fühle mich in dieser Tradition.“ Nun ist der Ausnahmemusiker verstummt. Aber seine Heilkräfte wirken auf den Platten, die er hinterlässt, weiter.

Redaktion

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