Glauben

Taylor-Swift-Gottesdienste locken Hunderte in Heidelberger Heiliggeistkirche

Dieser Spagat ist Pfarrer Vincenzo Petracca gelungen. In der Gottesdienstfeier mit Liedern der amerikanischen Pop-Ikone Taylor Swift wird die Vermittlung von Glauben nicht zum Nebenschauplatz. Was sagen Besucher?

Von 
Filip Bubenheimer
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Sängerin Tine Wiechmann interpretierte am Sonntag Lieder der Pop-Ikone Taylor Swift während eines Gottesdienstes. Hunderte kamen und hörten zu. © P. Rothe

Heidelberg. „Sind heute Swifties da?“, fragt Pfarrer Vincenzo Petracca zu Beginn des Gottesdiensts in der Heiliggeistkirche. Da jubeln einige Besucherinnen und geben sich so als eingefleischte Fans des Superstars zu erkennen. Doch die „Swifties“ scheinen in den 600 Jahre alten Gemäuern in der Minderheit zu sein: Außer einem „Hello, I’m a Swiftie“-Jutebeutel hier oder einem T-Shirt von einer Tournee sind kaum Fanartikel zu sehen.

Trotzdem war die Kirche am Sonntagvormittag so voll und das Publikum so gemischt wie wohl selten. „Das habe ich ja noch nie erlebt“, freute sich eine Besucherin: „eine Schlange vor der Kirche, ist das nicht schön“. Gleich zweimal hintereinander bot die Gemeinde den Swift-Gottesdienst an. Die insgesamt 1200 Karten waren nach der Ankündigung im April schnell weg. Trotzdem blieben einige Plätze leer - offenbar waren angemeldete Besucher nicht aufgetaucht.

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Auch ein kleiner Pressezirkus hatte sich eingefunden: Medien vom „Spiegel“ über die „Zeit“ bis hin zur Londoner „Times“ hatten um die 20 Reporter, Fotografen und Kameraleute in die Heiliggeistkirche beordert. „You need to calm down“ - beruhige dich mal, empfahl Pfarrer Petracca angesichts der „Aufregung im Vorfeld dieses Gottesdiensts“. So hieß dann auch der erste von sechs Swift-Songs, die die Sängerin Tine Wiechmann interpretierte, begleitet von Christoph Georgii (Klavier), Christoph Carl (Bassgitarre) und Jens Nobiling (Schlagzeug).

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Ob bei „Anti-Hero“, „Soon you’ll get better“ oder „Change“: Meist hörten die Besucher recht andächtig zu. Erst beim abschließenden „Shake it off“ klatschten, tanzten und sangen einige Kirchgänger.

Lieder von Taylor Swift und ihr Verhältnis zum Christentum

„Wir machen heute einen Gottesdienst mit Popmusik und nicht ein Event oder ein Konzert“, betonte Petracca. Es gehe auch nicht darum, Swift „heiligzusprechen“. Stattdessen drehe sich der Gottesdienst „um die Lieder von Taylor Swift, um ihr Verhältnis zum Christentum, um ihre eigene persönliche Spiritualität“. Die Verbindung zwischen Swifts Person und Werk einerseits und der christlichen Botschaft andererseits zog sich durch den ganzen Gottesdienst. Swift-Lieder und Petraccas Anmerkungen wechselten sich ab; gelegentlich stellte der Pfarrer auch Bezüge zu Texten aus der Bibel oder von Dietrich Bonhoeffer her. „Taylors Songs drehen sich meist um Liebe“, referierte Petracca etwa, um dann fast im gleichen Atemzug zum „Hohelied der Liebe“ aus dem Korintherbrief überzugehen. Weite Strecken seiner Predigt widmete Petracca der „Gretchenfrage“: „Wie hält es der weltgrößte Popstar mit Gott?“ Der Pfarrer zeigte sich überzeugt, dass Swift mittlerweile ein „politisches Christentum“ lebe. „Theologisch gesprochen verweist sie auf die Gerechtigkeit Gottes“, so Petracca. „Glaube und Tun sind bei ihr untrennbar verbunden. Sie tritt für die Rechte von Homosexuellen, für Geschlechtergerechtigkeit und für Gewaltfreiheit ein.“

Nachdenken über die Konsumgesellschaft

Indizien für Swifts christliche Haltung fand Petracca auch in ihrem Song „Christmas must be something more“, in dem sie über die „mannigfaltige Art und Weise“ nachdenke, „wie dieses Fest in der Konsumgesellschaft seine Bedeutung verloren habe“. Weihnachten sei „etwas Besonderes, etwas Heiliges, nicht Oberflächliches“, beteuert Swift in diesem Lied, das Wiechmann ebenfalls sang. Wiechmann, die seit Langem bei Pop-Gottesdiensten mitwirkt, hatte nach eigenen Angaben „vor Wochen“ begonnen, den Auftritt vorzubereiten. Sie habe „intensiv vor allem Rhythmik, Artikulation und Intonation geübt“, berichtete die Kirchenmusikerin. Schwierig an Swifts Liedern sei etwa, dass sie „manchmal sehr viel Text in kurzer Zeit“ singen müsse. „Das hat ein bisschen gedauert, bis ich das ohne Knoten in der Zunge hingekriegt habe“, so Wiechmann. Bei der Vorbereitung eines Pop-Gottesdiensts sei es wichtig, allzu weit hergeholte Interpretationen zu vermeiden, betonte Wiechmann. Man müsse sich selbstkritisch fragen: „Tue ich den Liedern Gewalt an?”

Die Reihe „Citykirche Rock‘n’ Pop“, zu der auch der Swift-Gottesdienst gehörte, findet schon seit 2015 statt. Pfarrer Petracca mache das „immer ganz toll, dass er die Verbindung schafft zwischen den Texten der Bibel und der Sänger“, berichtete Birgit Hagenmeyer aus Mannheim-Friedrichsfeld - wie viele Kirchgänger am Sonntag eine regelmäßige Besucherin der Veranstaltungsreihe. Der Gottesdienst sei „wunderschön, sehr rund, sehr stimmig“ gewesen, urteilte eine andere Besucherin. „Der christliche Bezug war immer da“, befand die Heidelbergerin. Außerdem seien ihr die Texte „viel verständlicher“ geworden - womit sie nicht die zitierten Bibelstellen meinte, sondern die Verse von Taylor Swift.

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